Zusammenfassung
Eltern gelten – im Gegensatz zu Lehrkräften und Schüler/-innen – nicht als zentrale Akteure des Schulsports. Nichtsdestotrotz sind sie mittelbar Beteiligte und ihre Sichtweise erscheint bedeutsam, da sie als Personengruppe im Wesentlichen nicht nur das öffentliche Meinungsbild zu schulsportrelevanten Aspekten widerspiegeln, sondern durch ihr erzieherisches Handeln auch maßgeblichen Einfluss auf die sportbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Kinder haben. Als möglichen Fürsprechern des Schulsports wird den Eltern in der Literatur sogar politisches Potenzial zugeschrieben, da sie durch ihre Befürwortung des Sportunterrichts auf diesbezügliche schulpolitische Entscheidungen zum Erhalt des Faches im Fächerkanon der Schule Einfluss nehmen könnten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche empirischen Wissensbestände zur Elternsicht auf den unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Schulsport im deutschsprachigen Raum existieren.
Der Beitrag verfolgt das Ziel, vorliegende Befunde zur Elternsicht auf den Schulsport im deutschsprachigen Raum zusammenzustellen und mit Blick auf die theoretisch-konzeptionellen Zugänge, das Forschungsdesign und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie den historischen bzw. kulturpolitischen Kontext zu bewerten. Die bestehenden empirischen Wissensbestände zeichnen vor diesem Hintergrund ein unbefriedigendes Bild. Eine eher randständige und heterogene Beschäftigung mit der Thematik ist zu konstatieren, sodass vielfältige Forschungsperspektiven abgeleitet werden können.
Abstract
As opposed to teachers and students, parents do not act as central actors in physical education. Nevertheless, they are indirectly involved and their opinion seems to be relevant as they reflect the public opinion about school sport-related aspects and affect their children’s attitude and behavior. Furthermore, their positive attitude towards the school subject could generally be used as political potential within the debate of legitimation. Against this background, the question arises to what extent evidence exists for parental views on aspects related to school sport and physical education in Germany.
Therefore, this paper reviews systematically existing findings from German-speaking countries on parental views towards physical education. Using a content analysis approach the studies are evaluated against their theoretical and conceptual approaches, research design, compliance with scientific standards and their historical and cultural background. The review draws a rather unsatisfactory and heterogeneous picture on the empirical knowledge about parental views towards physical education verifying marginal research activities on this issue. Therefore, a variety of perspectives can be drawn from the review findings for further research.
Notes
Der Begriff „Schulsport“ subsumiert nach Schierz (2003) alle außerunterrichtlichen und unterrichtlichen Sportangebote im Setting Schule. Hingegen bezieht sich der Begriff „Sportunterricht“ demnach allein auf das unterrichtliche Geschehen und subsumiert ebenso die früher üblichen Bezeichnungen für den Sportunterricht (z. B. die Begriffe „Turnstunde“, „Bewegungserziehung“ oder „Gymnastik“). Im Rahmen dieses Beitrags werden die beiden Begriffe im o.g. Sinne verwendet.
In Ostdeutschland lassen sich diesbezügliche Diskurse nicht feststellen.
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Krüger, M. Elternsicht auf den Schulsport. Sportwiss 45, 10–19 (2015). https://doi.org/10.1007/s12662-014-0355-7
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