Die Frage nach der Rolle von Bürgerinnen und Bürgern in der Politikberatung ist ebenso aktuell wie umstritten. Können sie als Experten für bestimmte Lebensumstände gelten und somit in Beratungsprozessen ebenso verankert sein, wie wissenschaftliche, administrative oder privatwirtschaftliche Akteure? Oder ist es womöglich die (Zivil-)Gesellschaft selbst, die beraten werden muss?

Der Begriff Gesellschaftsberatung wurde bereits vor knapp zwanzig Jahren erstmals in der wissenschaftlichen Debatte verwendet, erlebt aber derzeit eine Renaissance. Die Politik beschäftigt sich angesichts neuer demokratischer und kommunikativer Herausforderungen zunehmend mit der Frage nach Bürgerbeteiligung, und auch die wissenschaftlichen Diskurse dazu haben an Dynamik gewonnen. So wurde das Thema im Rahmen einer Arbeitsgruppe der Bertelsmann Stiftung aufgegriffen, die viele spannende Impulse für die vorliegende Ausgabe der ZPB gegeben hat. Den Teilnehmern und Organisatoren sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Die Texte dieser Ausgabe der Zeitschrift für Politikberatung umfassen wie gewohnt ein breites Spektrum an Themen. Sie folgen nicht einem einheitlichen Credo, sondern stellen unterschiedliche Forschungsansätze und Argumentationen dar. Darunter finden sich viele Varianten der Einbeziehung einzelner Bürger oder der (Zivil-)Gesellschaft in die Politikberatung.

So legen Frank Nullmeier und Matthias Dietz in der Rubrik Aufsätze eine Definition von Gesellschaftsberatung vor, deren Kern die Verbindung des spezifischen Wissens von Experten einerseits und Bürgern andererseits ist. Dorothée de Nève und Fabian Wawro analysieren den Rat, den die Politik von den Bürgern in Form von Leserbriefen empfängt. Mit dem Beitrag von Nicole Renvert wechselt sodann die Perspektive, da die deutschen politischen Stiftungen, deren europäisch-transatlantische Dimension untersucht wird, wichtige Ratgeber für die (Zivil-)Gesellschaften der Länder sind, in denen sie operieren. Der Aufsatz von Axel Zweck schließlich bindet die Meta-Ebene gesellschaftlicher Diskurse ein und formuliert eine Theorie innovationsbegleitender Maßnahmen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Essay von Udo Küppers zu systemischen Denk- und Handlungsmuster einer neuen nachhaltigen Politik. Thomas Horlohe wiederum bespricht unterschiedliche Facetten politischer Strategie.

In der Rubrik Porträts stellt Ferdinand Müller-Rommel den Forschungsansatz des Zentrums für Demokratieforschung an der Leuphana Universität Lüneburg vor. Ulf Papenfuß und Tobias Thomas beschreiben die wissenschaftlich-analytische und die politikberatende Arbeit von ECONWATCH – Gesellschaft für Politikanalyse e. V. Peter Filzmaier und Myriam Nauerz präsentieren den berufsbegleitenden Masterstudiengang „European Public Affairs“ an der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW).

In ihrem Praxisbeitrag beschäftigt sich Heike Grimm mit sozialem Unternehmertum und schlägt zur Schärfung des Begriffes eine Typologisierung vor. Hierauf folgen die Analysen zweier Kampagnen aus unterschiedlichen Perspektiven. Harald Schoen analysiert die Kampagne zur Volksabstimmung über den Nichtraucherschutz in Bayern unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirkung auf die Bürger. Cornelius Winter gibt einen Einblick in die Entwicklung und Durchführung einer Kampagne zur Förderung der Anerkennungskultur für freiwilliges Engagement.

Auch im Forum werden Anknüpfungspunkte zum Thema Gesellschaftsberatung hergestellt. So fragt Christoph Bieber, ob offene Daten, etwa auf Online-Platformen, neue Impulse für die Gesellschaftsberatung geben können. Dominic Schwickert und Stefan Collet diskutieren die Einbindung der Bürger in die politische Problemlösungssuche und präsentieren ein regierungsbezogenes Strategie-Teilhabe-Konzept. Kerstin Plehwe widmet sich dem Thema Demokratiebildung und plädiert für die aktive Förderung der Engagementbereitschaft Jugendlicher. Berthold Kuhn formuliert Thesen zur Deutschen Entwicklungspolitik seit dem Wechsel nach der Bundestagswahl 2009.

Den Abschluss bilden die Buchbesprechungen von Christopher Gohl zu Dominic Schwickerts „Strategieberatung im Zentrum der Macht. Strategische Planer in deutschen Regierungszentralen“ und von Johannes Staemmler zu „Cosmopolitan Communications. Cultural Diversity in a Globalized World“ von Pippa Norris und Ronald Inglehart.

Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift für Politikberatung markiert darüber hinaus einen Wechsel: Ab der Ausgabe 1/2011 wird die ZPB im Nomos Verlag, Baden-Baden, erscheinen. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, die bisherige Entwicklung der ZPB sowie ihr künftiges Potenzial zu betrachten. Unser besonderer Dank gilt dabei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Sie haben uns durch Unterstützung und konstruktive Kritik immer wieder in unserem Vorhaben bestätigt. In diesem Zusammenhang sind auch die Verantwortlichen des VS Verlages zu würdigen, welche die ZPB ins Leben gerufen und drei Jahre lang mit großem Engagement begleitet haben.

Im April 2008 starteten die Herausgeber – tatkräftig unterstützt durch unseren heutigen Chefredakteur Henrik Schober – das Unterfangen, eine Zeitschrift zum Thema Politikberatung zu etablieren, die ganz unterschiedlichen Zielsetzungen gerecht werden sollte. Die Zeitschrift für Politikberatung sollte mit einem festen Standbein auf dem Fundament wissenschaftlichen Publizierens (insbesondere durch anonyme Begutachtungsverfahren) stehen und somit in die wissenschaftliche Gemeinde hineinwirken, ohne im Arkanum rein innerwissenschaftlicher Fragen zu verharren. Zudem haben die Herausgeber den Anspruch, die ZPB trotz ihres wissenschaftlichen Kerns für Praktiker in Beratung, Politik, Verwaltung. Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen interessant und attraktiv zu gestalten. Daher publiziert sie neben wissenschaftlichen Aufsätzen auch Praxisberichte, Beratungsporträts, Meinungs- und Debattenbeiträge sowie. Meldungen aus allen Teilbereichen der Politikberatung. Um auch internationale Debatten begleiten zu können, sind wir zudem offen für Beiträge in deutscher und englischer Sprache.

In unserem Auftakt-Editorial in Heft 1/2008 legten wir der ZPB programmatisch einen sehr breiten Politikberatungsbegriff zugrunde, der sowohl die nicht-gewinnorientierte wissenschaftliche Politikberatung als auch die kommerziell und nicht-kommerziell betriebenen kommunikativen und strategischen Beratungsprozesse in Agenturen und anderen Dienstleistungsunternehmen umfasst. An diesem breiten und notwendig mitunter unscharfen Begriff halten wir auch heute fest. Wir waren und sind eine Zeitschrift, die sich wirtschaftlich auf Einzelabonnenten und institutionelle Abnehmer stützt, und kein Mitgliedermagazin oder Organ eines Verbandes oder einer wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft.

Die Herausgeber haben das „hybride“ Konzept der Zeitschrift für Politikberatung an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit unserem bisherigen und unserem neuen Verlagspartner sowie mit Beiratsmitgliedern ausgiebig diskutiert und sind nach wie vor von seiner Relevanz überzeugt. Diesen eingeschlagenen Weg möchten wir weiter beschreiten.

Wir möchten dem VS Verlag und seinen Verantwortlichen Dr. Reinald Klockenbusch, Frank Schindler, Ronald Schmidt-Serrière, Christina Lang, Walter Fromm, Dagmar Orth und den vielen anderen Beteiligten für das außerordentliche Engagement und für mehr als drei Jahre intensiver und trotz manch unterschiedlicher Standpunkte stets produktiver und menschlich anständiger Zusammenarbeit danken. Ohne den VS Verlag wäre die ZPB nicht entstanden. Dies wissen Herausgeber und Redaktion sehr zu schätzen, wenngleich sich unsere Wege im vierten Jahrgang trennen. Dem Nomos-Verlag und seinen Verantwortlichen danken wir für das in uns gesetzte Vertrauen und die großartige Unterstützung in der Weiterentwicklung dieses nach wie vor auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt einzigartigen Produktes.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nun viel Vergnügen mit der vorliegenden Ausgabe.