1 Einleitung

Dikotyle Makrophyten stellen eine wichtige funktionelle Komponente aquatischer Ökosysteme dar (Wetzel 2001), finden aber im Rahmen der Risikobewertung zum Beispiel von Pflanzenschutzmitteln in der Eingangsuntersuchung keine Berücksichtigung (SANCO 2002). Lediglich einzellige Algen und die monokotylen Wasserlinsen Lemnasp. repräsentieren die aquatische Flora in den Standarddatenanforderungen. Erst in höherstufigen Tests wie z. B. Mesokosmenstudien, einer verfeinerten („higher tier“) Risikobewertung, werden dikotyle Makrophyten betrachtet. Durch einen standardisierten Monospeziestest mit dikotylen, submersen Makrophyten könnte diese Unsicherheit bei der Extrapolation der Wirkung auf die gesamte aquatische Flora im Rahmen der Risikobewertung erheblich vermindert werden (Maltby et al. 2010).

Für Makrophyten existiert zurzeit nur eine standardisierte Guideline für Myriophyllumsp. (ASTM 2004), nach der Tests unter Verwendung von künstlichem Sediment durchgeführt werden. In diesem Zweiphasentestsystem (Wasser–Sediment) beeinflussen jedoch Verteilungsvorgänge zwischen der Sediment- und der Wasserphase die Exposition der zu testenden Stoffe. So können zwar möglicherweise wichtige Zusatzinformationen gewonnen werden, aber die Auswertung und Analytik wird komplexer, was durch ein sedimentfreies Einphasentestsystem ausgeschlossen werden kann. Ein sedimentfreier Test ermöglicht zudem einen direkten Vergleich der ermittelten Wirkwerte mit Ergebnissen, die mit Lemnasp. entsprechend der OECD-Prüfrichtlinie 221 gewonnen werden.

Ziel der vorliegenden Versuche war die Entwicklung einer sedimentfreien Methode als zusätzliche standardisierte Testmethode für die Eingangsuntersuchung der Stufe 1 der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln auf die aquatische Umwelt. Als Testorganismus wird Myriophyllum spicatum(L.) (Haloragaceae) gewählt. M. spicatum ist eine zweikeimblättrige, submers wachsende Pflanze, die auf der Nordhalbkugel zirkumpolar verbreitet ist. Sie wächst in nicht belasteten, eher kalkhaltigen, stehenden Gewässern mit schlickigem Untergrund. Besonders häufig ist M. spicatum im Süßwasser anzutreffen, tritt aber auch im Brackwasser auf (Aiken et al. 1979; Couch und Nelson 1985; Thomé 1885). Mit dieser Arbeit werden die Testmethode und die Ergebnisse der Untersuchungen mit 3,5-Dichlorphenol vorgestellt.

2 Methode

2.1 Testdesign

Die Tests werden in Anlehnung an den ASTM-Standard E 1913-04 durchgeführt. Für die Kultivierung wird Andrews Medium verwendet, das mit 3 % Saccharose als Kohlenstoffquelle angereichert wird (Roshon et al. 1996). Aufgrund der Verwendung von Saccharose erfolgt die Kultivierung der Pflanzen unter axenischen Bedingungen, um ein Wachstum von Mikroorganismen zu verhindern. Abweichend vom ASTM-Standard E 1913-04 wird kein künstliches Sediment verwendet. Dadurch erfolgen die Nährstoffversorgung und die Exposition der Pflanzen mit der zu testenden Substanz ausschließlich über die Wasserphase.

Die Haltung der Stammkultur von M. spicatum erfolgt in Erlenmeyer-, bzw. Fernbachkolben bei 20 ± 2 °C mit Beleuchtung von oben bei ca. 50 µE m–2 s–1. Hierfür werden sowohl Sprossspitzen als auch mittlere Sprossabschnitte der Pflanzen verwendet. Bei einem 3-wöchigen Wechsel des Nährmediums werden gleichzeitig alle bewurzelten, blühenden und abgestorbenen Pflanzenteile aus der Stammhaltung entfernt.

Vor der eigentlichen Expositionsphase der Pflanzen wird eine Vorkultur angelegt. Dafür werden Sprossabschnitte mit je zwei Blattwirteln aus der Stammhaltung kultiviert, aus denen sich über 3 Wochen ein bis zwei neue Seitentriebe entwickeln. Die Beleuchtung erfolgt im Hell/Dunkel-Rhythmus von 16/8 Stunden bei einer Beleuchtungsintensität von durchschnittlich 100 bis 150 µE m–2 s–1 (Leuchtstofflampen, Lichtfarbe weiß). Die Temperatur beträgt 25 °C während der Hellphase und wird in der Dunkelphase auf 20 °C abgesenkt.

Vor Beginn der Expositionsphase werden die gebildeten Seitentriebe der Vorkultur auf ca. 2,5 cm Länge an ihrer Basis gekürzt, sodass die Pflanzen weder Seitentriebe noch Wurzeln besitzen (Abb. 1). Für die eigentliche Exposition der Pflanzen werden 10 Kontrollansätze (ohne Testsubstanz) und je Konzentrationsstufe der zu testenden Substanz 5 Parallelansätze hergestellt. Als Testgefäße dienen 20 cm lange Reagenzgläser mit einem Innendurchmesser von 2 cm. Diese werden mit 50 ml Nährmedium (Kontrollen) bzw. 50 ml Nährmedium incl. der Testsubstanz in entsprechender Konzentration befüllt. Anschließend werden die Reagenzgläser mit ca. 2,5 cm langen homogenen Sprossspitzen aus der Vorkultur besetzt, mit Aluminiumkappen verschlossen und über 14 Tage exponiert.

Abb. 1
figure 1

Vorbereitung von Myriophyllum spicatum für die Tests

Die Länge der Hauptsprosse wird zu Beginn der Exposition, alle 3 bis 4 Tage und zum Ende des Tests indirekt fotografisch vermessen. Am Ende der Exposition erfolgen darüber hinaus direkte Messungen der Längen der Seitentriebe und der Wurzeln per Lineal. Die Biomasse (Frisch- und Trockengewicht) wird zu Beginn der Exposition anhand von zehn repräsentativen Sprossspitzen und am Ende in allen Ansätzen erfasst. Das Frischgewicht wird nach dem Abtupfen der Pflanzen mit Zellstoff erhoben und das Trockengewicht nach Trocknung über 48 h bei 60 °C. Darüber hinaus werden auffällige Vergilbungen bzw. weiße oder braune Verfärbungen die chlorotische und nekrotische Veränderungen der Pflanzen erkennen lassen, sowie andere Wachstumsanomalien dokumentiert.

Von Juni 2008 bis März 2010 wurden im Rahmen der Entwicklung und Etablierung der Methode 13 unabhängige Tests mit M. spicatum durchgeführt. Seit Juli 2009 wurden neben den Endpunkten der Zunahme der Hauptsprosslänge und der Zunahme des Frisch- und Trockengewichtes zusätzlich das Wachstum der Seitentriebe und der Wurzeln (als Summe der Länge aller Seitentriebe bzw. Wurzeln) aufgenommen und ausgewertet. Darüber hinaus wurden im Juli und im November/Dezember 2009 zwei unabhängige Ökotoxizitätstests mit 3,5-Dichlorphenol in einem Konzentrationsbereich von 0,48 bis 64 mg/l durchgeführt (Stammlösung 80 mg/l ohne Lösungsvermittler über 24 h gerührt). Bei den Tests erfolgte nach 7 Tagen ein Wechsel der Medien (semistatischer Test).

2.2 Auswertung

Zur Auswertung werden die Endpunkte Zunahme der Hauptsprosslänge, Wachstum der Seitentriebe, Zunahme der Gesamtsprosslänge (Summe aus Hauptsprosslänge und Seitentrieben) und Wachstum der Wurzeln sowie die Zunahme des Frisch- und Trockengewichtes der Pflanzen herangezogen. Für alle betrachteten Endpunkte wird die absolute Zunahme Y nach folgender Formel berechnet:

(1)

mit

X0 = Wert des Endpunktes zum Zeitpunkt t = 0 Tag (Beginn des Tests) und

X n = Wert des Endpunktes zum Zeitpunkt t = n Tag (Ende des Tests).

Für die Endpunkte der Zunahme der Hauptsprosslänge sowie der Zunahme der Gesamtsprosslänge wird darüber hinaus die Wachstumsrate µ nach folgender Formel berechnet:

(2)

mit

t0 = Zeitpunkt t = 0 Tag (Beginn des Tests) und

t n = Zeitpunkt t = n Tag (Ende des Tests).

Anhand der Wachstumsraten können Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungen und Publikationen zum Wachstum der Pflanzen verglichen werden.

Als Maß für die Streuung der Daten zu den einzelnen Endpunkten kann neben der Standardabweichung auch der Variationskoeffizient (VarK i ) wie folgt berechnet werden:

(3)

mit

STABW i = Standardabweichung des Endpunktes im Ansatz i und

MW i = Mittelwert des Endpunktes im Ansatz i.

Aus den Daten zu den einzelnen Endpunkten (sowohl Wachstumsraten als auch Zunahmen) wird deren mittlere Hemmung im Vergleich zur Kontrolle nach folgender Formel berechnet:

(4)

mit

H i = mittlere Hemmung des Endpunktes im Ansatz i im Verhältnis zur Kontrolle,

Z i = mittlerer Wert (Wachstumsrate oder Zunahme) des Endpunktes im Ansatz iund

Z K = mittlerer Wert (Wachstumsrate oder Zunahme) des Endpunktes in der Kontrolle.

Aus den berechneten Hemmungen der einzelnen Konzentrationsansätze werden mithilfe von Interpolationsverfahren die Konzentration mit 50 % Wirkung (EC50; negative Hemmungen werden hierbei nicht Berücksichtigt) bezogen auf die beobachteten Endpunkte und bei Bedarf auch die höchste Konzentration ohne beobachtete Wirkung (NOEC mit Welch-Test bzw. Williams-Test) ermittelt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden diese Berechnungen mit dem Statistik–Programm Tox Rat Professional XT Version 2.09 durchgeführt.

3 Ergebnisse

3.1 Entwicklung der einzelnen Endpunkte in der Kontrolle

In Tab. 1 wird die Entwicklung der einzelnen Endpunkte in den Kontrollansätzen während der Expositionsphase als Mittelwert und deren Standardabweichung aus 13 unabhängigen Tests von Juni 2008 bis März 2010 zusammengefasst dargestellt. Die Daten geben Auskunft über das Wachstum bzw. die Zunahme der betrachteten Endpunkte ohne den Einfluss einer ökotoxischen Testsubstanz.

Tab. 1 Entwicklung der betrachteten Endpunkte in den Kontrollen und deren Streuungen (Mittelwerte aus jeweils zehn Parallelansätzen und deren Standardabweichungen)

Während der 14-tägigen Testdauer nahm die Hauptsprosslänge im Mittel um 41,1 bis 52,0 mm zu. Für die Gesamtsprosslänge (unter Einbeziehung der Seitentriebe) lag die mittlere Längenzunahme bei 47,3 bis 66,6 mm. Es zeigte sich, dass der Variationskoeffizient des Längenwachstums des Hauptsprosses mit 7,7 bis 18,5 % wesentlich geringer ausfiel als die der Seitentriebe mit 80 bis 316 % (Tab. 1). Die sich daraus ergebenden Wachstumsraten der Hauptsprosslänge lagen zwischen 0,058 und 0,074 d–1 und die der Gesamtsprosslänge zwischen 0,070 bis 0,087 d–1. Das Wurzelwachstum lag zwischen 164,2 bis 283,2 mm und zeigte mit 12,1 bis 40,5 % einen höheren Variationskoeffizienten als die Zunahme der Hauptsprosslänge. Geringe Variationskoeffizienten zeigten die betrachteten Endpunkte der Biomasse. So nahm das Frischgewicht während des Testzeitraums im Mittel um 243,5 bis 464,6 mg zu (Variationskoeffizient 12,0 bis 23,8 %) und das Trockengewicht um 34,0 bis 60,3 mg (Variationskoeffizient 12,8 bis 28,3 %) (Tab. 1). Zudem belegt der Vergleich zwischen den einzelnen Tests eine gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse für diese Endpunkte.

3.2 Ergebnisse der Tests mit 3,5-Dichlorphenol

Im Juli und November/Dezember 2009 wurden zwei unabhängige Tests durchgeführt, in denen M. spicatum gegenüber 3,5-Dichlorphenol (in einer geometrischen Reihe von 0,48 bis 64,00 mg/l mit dem Faktor 2) exponiert wurde. In den jeweils zehn parallelen Kontrollansätzen pro Test erfolgte über die 14-tägige Kultivierung ein kontinuierliches Wachstum der Pflanzen mit Wachstumsraten von 0,067 bis 0,072 d–1 bezogen auf die Zunahme der Hauptsprosslänge. Bereits am dritten Tag der Exposition traten in beiden Tests ab einer Konzentration von 16 mg/l 3,5-Dichlorphenol erste vereinzelte Braunfärbungen der Pflanzen (Nekrosen) auf. Nach 14 Tagen Exposition konnten ab einer Konzentration von 8 mg/l nekrotische Bereiche beobachtet werden und ab 16 mg/l waren alle Pflanzen vollständig nekrotisch (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Entwicklung von Myriophyllum spicatum über die 14-tägige Exposition in Abhängigkeit von der Konzentration der Testsubstanz 3,5-Dichlorphenol

Aus Tab. 2 und den Abb. 3 und 4 sind die mittleren Hemmungen von 3,5-Dichlorphenol auf das Wachstum von Myriophyllum spicatum aus den beiden Tests zu entnehmen. Im untersuchten Konzentrationsbereich traten für die Endpunkte Hauptspross-, Seitentrieb- und Wurzelwachstum Hemmungen im Vergleich zu den Kontrollen von bis zu 100 % auf. Hemmungen von teilweise über 100 % für die Endpunkte Zunahme des Frisch- bzw. des Trockengewichtes sind darauf zurückzuführen, dass zu Beginn der Tests diese Endpunkte nur anhand von zehn repräsentativen Sprossspitzen bestimmt wurden und nicht direkt an den im Test eingesetzten Pflanzen. Die damit berechneten Hemmungen resultieren aus Ungenauigkeiten aufgrund geringfügiger Biomasseunterschiede zwischen den einzelnen Pflanzen und der fast vollständigen Hemmung dieser Endpunkte in Konzentrationen >16,0 mg/l. Vereinzelte Wachstumssteigerungen in den unteren Konzentrationen gegenüber den Kontrollen können hingegen ursächlich auf Messungenauigkeiten und hormetische Effekte zurückgeführt werden.

Abb. 3
figure 3

Hemmungen von 3,5-Dichlorphenol und deren Streuung auf das Wachstum von Myriophyllum spicatum (Zunahme der Hauptsprosslänge, Wachstum der Seitentriebe und Zunahme der Gesamtsprosslänge des Tests vom Juli 2009)

Abb. 4
figure 4

Hemmungen von 3,5-Dichlorphenol und deren Streuung auf das Wachstum von Myriophyllum spicatum (Wachstum der Wurzellänge, Zunahme des Frischgewichts und Zunahme des Trockengewichts des Tests vom Juli 2009)

Tab. 2 Mittlere Hemmungen von 3,5-Dichlorphenol auf das Wachstum von Myriophyllum spicatumim Verhältnis zur Kontrolle (Test I vom Juli 2009, Test II November/Dezember 2009)

Für die statistische Ableitung der EC50- und NOEC-Werte für 3,5-Dichlorphenol wurden die Einzelwerte aller Testansätze (zehn Kontrollen und jeweils fünf parallele Ansätze je Konzentrationsstufe der zu testenden Substanz) herangezogen (Tab. 3). Für die Seitentriebe und Wurzeln waren jedoch aufgrund der großen Streuung im Wachstum (Abschn. 3.1) die Vertrauensbereiche der EC50-Werte mathematisch nicht bestimmbar.

Tab. 3 EC50- und NOEC-Werte für 3,5-Dichlorphenol für die ausgewerteten Endpunkte

Als empfindlichster Endpunkt dieser Untersuchungen erwies sich die Hemmung des Wachstums der Wurzeln (EC50-Werte von 4,4 bzw. 4,2 mg/l), gefolgt von der Hemmung der Zunahme des Trockengewichts (EC50-Werte von 5,1 bzw. 4,9 mg/l) und der Hemmung der Zunahme des Frischgewichtes (EC50-Werte von 5,6 bzw. 5,8 mg/l). Für diese Endpunkte wurde der NOEC-Wert mit jeweils 1,92 mg/l bestimmt. Geringfügig unempfindlicher waren die Endpunkte, die als Maß die Sprosslänge berücksichtigen (Zunahme der Hauptsprosslänge mit 7,2 bzw. 7,5 mg/l und die Zunahme Gesamtsprosslänge mit 6,9 bzw. 6,7 mg/l). Für diese Endpunkte wurde der NOEC-Wert mit 4,0 mg/l bestimmt.

Da für die statistische Ableitung der NOEC-Werte die Streuung der Endpunkte in den Kontrollen einen großen Einfluss hat, ist deren signifikante Bestimmung mit einer Ungenauigkeit behaftet, die größer als die Streuung in den Kontrollen ist. Damit ergeben sich für den Endpunkt des Wachstums der Seitentriebe NOEC-Werte von >64 mg/l (größer als die höchste geprüfte Konzentration der getesteten Substanz) obwohl für diesen Endpunkt EC50-Werte von 1,3 mg/l bzw. 3,6 mg/l berechnet wurden. Bedingt durch die starke Streuung ist dieser Endpunkt für die Auswertung der Tests nicht geeignet und die berechneten EC50-Werte nicht gesichert, sodass dieser Endpunkt für die Auswertung der Tests nicht berücksichtigt werden kann.

4 Diskussion

Für Tests mit dikotylen submersen Makrophyten werden in der Literatur Testdesigns für Zweiphasentestsysteme mit Sediment beschrieben (Roshon 1997; ASTM 2004; Maltby et al. 2010). Für einen Test in einem Einphasentestsystem ohne Sediment existiert bisher eine Methodenbeschreibung von Knauer et al. (2006, 2008). Wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Testdesigns ist, dass mit einem Einphasensystem die reine substanzspezifische aquatische Ökotoxizität ermittelt wird, ohne den Einfluss von Verteilungsprozessen zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss die Kinetik der Aufnahme einer Testsubstanz durch im Sediment wurzelnde Pflanzen im Laufe der relativ kurzen Expositionszeit von 14 Tagen nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist der methodische Aufwand der Tests in einem Einphasentestsystem ohne Sediment wesentlich geringer. Da die Exposition der Pflanzen ausschließlich über die Wasserphase erfolgt, minimiert sich der analytische Aufwand und die Interpretation der Ergebnisse wird vereinfacht. Ein derartiges Einphasentestsystem ist demnach vorteilhaft für die Risikobewertung zum Beispiel von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen der Eingangsuntersuchung. Davon unberührt bleibt der Bedarf von Testverfahren mit Sediment (Zweiphasentestsystem) in höherstufigen Prüfungen bei entsprechenden Eigenschaften der Testsubstanzen (z. B. Testsubstanzen mit starkem Adsorptionspotenzial).

Das Nährmedium nach Andrews mit 3 % Saccharose wird bereits im Rahmen von Zweiphasentestsystemen (Wasser–Sediment) eingesetzt (Roshon 1997; ASTM 2004). Wie Ergebnisse von Roshon et al. (1996) zeigen, kann durch Saccharose ein kontinuierliches Pflanzenwachstum erzielt werden, was auch durch unsere Ergebnisse bestätigt wird (Tab. 1). Durch die sterile Arbeitsweise konnte das Wachstum von Mikroorganismen im saccharosehaltigen Nährmedium ausgeschlossen werden. Andrerseits haben Untersuchungen von Ashton et al. (1966) an Grünalgen (Chlorella vulgaris) gezeigt, dass 2 % Glukose im Nährmedium die Wirkung des Fotosynthesehemmers Atrazin deutlich kompensieren können. In wieweit dieser Effekt von Zuckern auf die Empfindlichkeit von M. spicatum gegenüber die Fotosynthese hemmenden Substanzen übertragbar ist, ist noch zu klären.

Mit dem modifizierten Andrews-Medium konnten Wachstumsraten, bezogen auf die Gesamtsprosslänge der Pflanzen, von 0,070 bis 0,087 d–1 erzielt werden, was einer Zunahme bis >200 % entspricht. Die Zunahme der Biomasse als Trockengewicht lag bei bis zu 300 % und mehr (Abschn. 3.1). Knauer et al. (2006) führten Untersuchungen mit M. spicatum in einem anderen sedimentfreien Testdesign (M4 Prüfmedium ohne Saccharose, 1000 ml Bechergläser) durch. Über einen Zeitraum von 20 Tagen wurde eine Zunahme der Gesamtsprosslänge um 70 bis 80 % und der Biomasse um ca. 100 % erzielt, was für die Gesamtsprosslänge einer Wachstumsrate von 0,028 d–1 entspricht. Entgegen diesen Ergebnissen konnte mit dem Andrews-Medium ein mehr als doppelt so hohes Wachstum der Pflanzen erreicht werden. Besonders im Hinblick auf ein optimiertes Wachstum der Pflanzen scheint die Zugabe von Saccharose förderlich zu sein.

Unter den erfassten Endpunkten haben sich die Zunahme der Hauptsprosslänge, die Zunahme der Gesamtsprosslänge sowie die Zunahme des Frisch- und Trockengewichtes der Pflanzen als Endpunkte mit den geringsten Streuungen in den Kontrollen (Variationskoeffizient zwischen 8 und <32 %) erwiesen (Tab. 1). Die geringen Variationskoeffizienten verweisen auf statistisch gesicherte Endpunkte, die für die Auswertung geeignet sind. Geringfügig höher fielen die Streuungen des Wachstums der Wurzeln aus (Variationskoeffizient 12 bis 40 %). Der Endpunkt des Wachstums der Seitentriebe ergab die größten Streuungen (Variationskoeffizient 80 bis >300 %).

Neben der Streuung der betrachteten Endpunkte spielt aber auch dessen Empfindlichkeit gegenüber der Testsubstanz eine wesentliche Rolle bei deren Auswahl (Arts et al. 2008), was durch die Tests mit 3,5-Dichlorphenol untersucht werden sollte. 3,5-Dichlorphenol gilt im Rahmen von akuten Tests als polar narkotisch wirksam (Schultz et al. 1989) und wird in Tests mit Lemnasp. entsprechend der OECD-Prüfrichtlinie 221 als Referenzsubstanz empfohlen. Unsere Ergebnisse mit 3,5-Dichlorphenol zeigen eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung mit der entwickelten sedimentfreien Testmethode für M. spicatum (Tab. 2, Abb. 3 und 4). Der Endpunkt der Hemmung des Wachstums der Seitentriebe zeigte eine hohe Empfindlichkeit. Bedingt durch die äußerst hohe Streuung des Endpunktes erweist sich dieser aber als nicht stabil (Streuungen in den Kontrollen 80 bis 316 %) und ist für die Auswertung der Untersuchungen nicht geeignet.

Unter den anderen ausgewerteten Endpunkten ist die Hemmung des Wachstums der Wurzellänge der empfindlichste Endpunkt (Tab. 2). Die Hemmung der Zunahme des Trockengewichtes und die Hemmung der Zunahme des Frischgewichtes liegen in derselben Größenordnung. Für diese drei Endpunkte wurde der NOEC-Wert mit jeweils 1,92 mg/l bestimmt (Tab. 3). Damit liegen drei ökotoxikologisch relevante Endpunkte mit einer akzeptablen Streuung vor, die für die Auswertung von Tests mit M. spicatum herangezogen werden können.

Für die Hemmung der Zunahme der Hauptsprosslänge und für die Hemmung der Zunahme Gesamtsprosslänge wurde ein NOEC-Wert von 4,0 mg/l bestimmt (Tab. 3). Die beiden Endpunkte, die als Maß die Sprosslänge berücksichtigen, sind geringfügig (um den Faktor 2) unempfindlicher als die zuvor genannten drei Endpunkte, weisen aber geringere Streuungen auf und sind ebenfalls für die Auswertung von Tests mit M. spicatum geeignet.

Vergleicht man die Ergebnisse der Ökotoxizität von 3,5-Dichlorphenol auf M. spicatum mit denen von Untersuchungen mit Lemna minor, zeigen sich vergleichbare Empfindlichkeiten. So wurden im Rahmen von acht Referenzprüfungen mit Lemna minor entsprechend der OECD-Prüfrichtlinie 221 EC50-Werte für die Hemmung der Biomassezunahme (Zunahme des Trockengewichtes) von 2,4 mg/l und für die Hemmung der Ablegerbildung (Blätter) von 2,6 mg/l ermittelt (eigene unveröffentlichte Daten der Autoren). Die EC50-Werte beider Testsysteme für 3,5-Dichlorphenol liegen im Bereich von 1–10 mg/l. Das legt nahe, 3,5-Dichlorphenol zukünftig auch als Referenzsubstanz für M. spicatum in dem sedimentfreien Testsystem zu verwenden.

Trotz dieser vergleichbaren Ergebnisse für die Ökotoxizität des narkotisch wirksamen 3,5-Dichlorphenol, können zwischen monokotylen und dikotylen Makrophyten deutliche Unterschiede in der Ökotoxizität bestehen, wenn Testsubstanzen spezifische Wirkungen (z. B. Wuchsstoffherbizide) aufweisen (Grossmann und Hansen 2003).

5 Schlussfolgerungen

Mit der entwickelten sedimentfreien Testmethode mit M. spicatum liegt ein Testsystem vor, um für Testsubstanzen einen direkten Vergleich zu Tests mit einkeimblättrigen Wasserpflanzen wie Lemnasp. entsprechend OECD-Prüfrichtlinie 221 durchzuführen. Durch die reproduzierbaren Ergebnisse für das Wachstum von M. spicatum in den Kontrollen und die starke Übereinstimmung der Ergebnisse bei den Tests mit 3,5-Dichlorphenol hat sich die beschriebene Testmethode als reproduzierbarer und standardisierbarer Monospeziestest mit dikotylen, submersen Makrophyten erwiesen. Weitere Tests mit Wuchsstoffherbiziden sollen Aufschluss über artspezifische Sensitivitäten zwischen Lemna minor und M. spicatum unter sedimentfreien Testbedingungen geben. Durch Tests mit Fotosynthese hemmenden Substanzen soll darüber hinaus der Einfluss von Saccharose auf die Empfindlichkeit von M. spicatum untersucht werden. Zudem soll ein Vergleich mit Ergebnissen aus einem Zweiphasentestsystem mit künstlichem Sediment dazu dienen, den Einfluss von Sediment im Prüfsystem auf die Ökotoxizität von Testsubstanzen zu verifizieren.