1 Problemstellung

Zur Bewertung der Gewässergüte werden seit langer Zeit standardisierte Biotestsysteme mit Algen, Daphnien und Leuchtbakterien als Testorganismen eingesetzt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Algen als einzige pflanzliche Vertreter in dieser Testpalette nicht ausreichen, um alle von Sedimenten ausgehenden phytotoxischen Wirkungen anzuzeigen. Trotz der mittlerweile erfolgten Entwicklung und Normierung des aquatischen Lemnatests (DIN EN ISO 20079) und der Entwicklung des Sedimentkontakttests mit Myriophyllum aquaticum (Feiler et al. 2004), wurden solche Biotestsysteme bei der Bewertung von Gewässersedimenten bislang nur wenig eingesetzt (Stesevic et al. 2007).

2 Ziel

In der hier vorgestellten Arbeit soll gezeigt werden, dass der Einsatz von Biotests mit höheren Pflanzen bei der Untersuchung von anthropogen belasteten Sedimenten wertvolle Ergebnisse liefert, die in ein Konzept für eine integrierte Gewässerbewertung einfließen können.

3 Ergebnisse und Diskussion

Um die Eignung von Pflanzentests für die Untersuchung von Gewässersedimenten nachzuweisen, wurden beispielhaft ausgewählte, unterschiedlich anthropogen belastete und gering belastete, natürliche Sedimente aus mehreren Flüssen (Tabelle 1) mit zwei Pflanzentests sowohl in aquatischen Testansätzen als Porenwasser oder Sedimentextrakte (aquatischer Lemnatest, DIN EN ISO 20079) als auch in Gesamtsedimentansätzen (Myriophyllum-Sedimentkontakttest, Feiler et al., 2004) vergleichend untersucht.

Tabelle 1 Ausgewählte Sedimententnahmestandorte und deren prioritäre Belastung

In den Porenwasseruntersuchungen mit dem aquatischen Lemnatest wurden signifikante Unterschiede im Wachstumsverhalten der Lemna minor in Abhängigkeit vom untersuchten Sediment beobachtet. In Abb. 1 (schwarze Säulen) sind die Wachstumsänderungen von L. minor in der jeweils höchsten Porenwasserkonzentration (Originalansatz) dargestellt. Zugleich wurden die pT-Werte nach Krebs (2000) ermittelt: In den Sedimenten von Magdeburg (MA) pT 5, in Hohenwutzen (HW) pT 4, in Wadgassen (W), Trier (T) und Ehrenbreitstein (EB) jeweils pT 2, und Dömitz (DÖ) und Trier-Monaise (TM) pT 0. Ähnliche pT-Werte wurden von Feiler et al. (2006a) für vergleichbare Sedimentproben beschrieben. Nach dem Bewertungsschema von Krebs (2000) zeigen die pT-Werte 5 und 6 eine hohe toxische Belastung der Sedimente an, pT 3 und 4 stehen für eine mittlere, pT 1 und 2 für eine geringe und pT 0 für eine nicht nachweisbare Toxizität.

Abb. 1
figure 1

Wachstumsvergleich von Lemna minor (Porenwasseransatz) und Myriophyllum aquaticum (Gesamtsedimentansatz) auf verschieden anthropogen belasteten, natürlichen Sedimenten. L %, M %: Wachstumshemmung Lemna minor (L) und Myriophyllum aquaticum (M); Sedimentabkürzungen s. Tabelle 1

Die gleichen Sedimentproben wurden auch im Sedimentkontakttest mit Myriophyllum aquaticum untersucht (Abb. 1, weiße Säulen). Hier wurden ebenfalls Wachstumshemmungen und -förderungen von M. aquaticum in Abhängigkeit vom untersuchten Sediment festgestellt. Allerdings reagierten die beiden Pflanzenarten zum Teil unterschiedlich auf den untersuchten Sedimenten. Große Unterschiede wurden z. B. in den Sedimenten der Mosel (T und TM), der Elbe (MA) und der Oder (HW) beobachtet. Ähnliche Reaktionen der beiden Pflanzenarten riefen die Sedimente des Rheins (EB) und der Saar (W) hervor, wobei das Wadgassen-Sediment (W) in beiden Fällen starke Toxizitäten und das Ehrenbreitstein-Sediment (EB) jeweils keine signifikanten Hemmungen hervorriefen (Abb. 1). Beide Pflanzen sind also in der Lage, Phytotoxizität, ausgehend vom Sediment, anzuzeigen und sich dabei in ihrer Aussage zu ergänzen. Die Ursache für diese unterschiedlichen Aussagen könnte in den unterschiedlichen Lebensweisen der Pflanzen liegen: Lemna minor schwimmt auf der Wasseroberfläche und reagiert auf in Porenwasser gelöste Substanzen. Myriophyllum aquaticum dagegen wurzelt im Sediment und steht somit mit den sedimentgebundenen Substanzen in direktem Kontakt. Durch Milieuänderungen um die Wurzel (bedingt durch Pflanzenexsudate) können weitere Substanzen aus dem Sediment für Myriophyllum verfügbar gemacht werden und zu Schadreaktionen führen.

Um Ursachen für die phytotoxischen Wirkungen zu finden, wurden in einem weiteren Ansatz Sedimente extrahiert und sowohl das Gesamtextrakt als auch Extraktfraktionen mit dem aquatischen Lemnatest untersucht. Die Ergebnisse wurden von Feiler et al. (2002) beschrieben. Es konnte in Extrakten einer Sedimentprobe aus der Elbe (Standort MA) beobachtet werden, dass Lemna minor selektiv Schadstoffe aus den polaren organischen Fraktionen anzeigt. Identifiziert wurden Herbizide (Lenacil, Prometryn, Tridemorph), das Antiseptikum Chorofen, Bisphenol A, Antioxidatien und Alkylphenole. Es ist anzunehmen, dass die in dieser Fraktion enthaltenen Herbizide für die Lemnatoxizität verantwortlich waren.

Mit Myriophyllum aquaticum sind Untersuchungen mit Sedimentextrakten nicht möglich. Es wurde jedoch versucht, die Daten der chemischen Analyse der Sedimente auf gewässertypische, darunter prioritäre, Schadstoffe mit dem Wachstumsverhalten von Myriophyllum aquaticum zu korrelieren. Ein deutlicher Zusammenhang wurde dabei zwischen dem Chromgehalt der Sedimente, speziell der ansonsten eher gering belasteten Probe aus Dömitz/MEW und der Wachstumshemmung von Myriophyllum aquaticum, beobachtet (Feiler et al. 2006b). Ein ähnlicher Zusammenhang wurde auch von Stesevic et al. (2007) mit Sedimenten des Skadar-Sees beobachtet.

4 Ausblick

Durch die hier vorgestellten Anwendungsbeispiele für zwei Pflanzentests mit höheren Wasserpflanzen konnte gezeigt werden, dass sich diese Tests für Sedimentuntersuchungen zur ökotoxikologischen Gewässerbewertung eignen und eine wertvolle Ergänzung zum häufig eingesetzten Algentest darstellen. In einer Vergleichsstudie des Algen- und Lemnatests wurden deutliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen mit den beiden Testsystemen beschrieben (Feiler et al. 2006a). Wirkungsorientierte Untersuchungen von Sedimentextrakten, ausgehend von den Ergebnissen in Pflanzentests, können einen nützlichen Beitrag zur Gewässerbewertung leisten.