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Politik ohne Mandat? Gesellschaftliche Akteure und neue Formen informellen Regierens im Politikfeld Migration

Politics without a mandate? Social actors and new forms of informal governance in the field of migration policy

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Zusammenfassung

In den letzten Jahren sind im Politikfeld Migration neue zivilgesellschaftliche Akteure entstanden, die über keinerlei formale Legitimation und Entscheidungskompetenzen verfügen, jedoch Einfluss auf die Gestaltung von Migrationspolitik nehmen. Die Emergenz von Akteuren wie dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration und der Hochrangigen Konsensgruppe Fachkräftebedarf und Zuwanderung spiegelt neue Governance-Strukturen im Politikfeld Migration. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, welche Legitimationsstrategien diese Akteure anwenden, um ihre fehlende staatliche Mandatierung zu kompensieren. Die Untersuchung dieser Frage erfolgt im Rahmen einer qualitativen Fallstudie anhand eines Methodenmix aus Experteninterviews, Dokumentenanalyse und qualitativer Medieninhaltsanalyse. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, dass quasi-staatliche Organisationsformen, eine intensive Medienstrategie und Formen informellen Regierens zentrale Merkmale der neuen Akteure sind. Die Voraussetzungen für ihre Emergenz liegen in Veränderungen in der Zivilgesellschaft und einer zunehmende Politisierung von Akteuren im Stiftungssektor. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass in jüngster Zeit auch in der deutschen Migrationspolitik eine neue Dynamik von Governance-Prozessen und Formen informellen Regierens entstanden ist.

Abstract

Over the past years, new civil societal actors have emerged in the field of migration policy who have neither formal authorization nor decision-making competence but who nevertheless have an impact on the design of migration policy. The appearance of actors such as the Expert Council of German Foundations on Integration and Migration or the High-Level Consensus Group on Skilled Labour Demand and Immigration reflects new governance structures in the field of migration policy. The article focuses on the strategies of legitimation applied by these actors in order to compensate for their lack of state mandate. The analysis is based on a qualitative case study using a mixed methods approach consisting of expert interviews, document analysis and qualitative media content analysis. The article concludes that the new actors are primarily characterized by quasi-state forms of organization, an extensive media strategy and forms of informal governance. They have been able to emerge due to changes in civil society and an increasing politicization of actors in the foundation sector. Due to these developments, new forms of informal governance have recently been established in the field of migration policy in Germany and the field has experienced a new dynamic in processes of governance.

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Notes

  1. Beispiele sind etwa die „Hochrangige Expertengruppe für Strukturreformen im Bankensektor“, die „Hochrangige Gruppe zur Modernisierung der Hochschulbildung“ oder die „Hochrangige Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie“.

  2. Zwar existiert mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Institution, deren Forschungserkenntnisse in den Meinungsbildungsprozess der Bundesregierung einfließen. Es handelt sich hierbei jedoch um eine dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde und nicht um einen genuinen Beratungsakteur.

  3. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik.

  4. Die Rolle von multi-level governance-Prozessen in der Migrationspolitik kann im Rahmen dieses Aufsatzes nicht vertiefend behandelt werden, da hier der Fokus auf der Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure im nationalen Kontext liegt. Siehe hierzu jedoch etwa Faist und Ette (2007).

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Ich danke den beiden Gutachtern der Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft. Gewidmet ist dieser Aufsatz Dr. Peter Struck.

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Laubenthal, B. Politik ohne Mandat? Gesellschaftliche Akteure und neue Formen informellen Regierens im Politikfeld Migration. Z Vgl Polit Wiss 8 (Suppl 1), 237–257 (2014). https://doi.org/10.1007/s12286-014-0190-0

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