Anamnese

Bei einer 80-jährigen Patientin wurde im Mai 2014 wegen symptomatischer (NYHA III), hochgradiger Aortenklappenstenose eine transfemorale Aortenklappe (Edwards-Sapien-3-Bioprothese, 26 mm) komplikationslos implantiert. Die Koronardiagnostik zeigte eine koronare 1-Gefäß-Erkrankung (50 % RDG-2-Stenose) und ein gutes Langzeitergebnis nach PCI der LAD 1997. Im April 2014 wurde die Patientin mit einem 2-Kammer-Schrittmacher wegen eines alternierenden Schenkelblocks und AV-Blocks Typ Mobitz (2:1-Überleitung) versorgt. Im Anschluss an die TAVI-Prozedur erhielt die Patientin eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Aspirin und Clopidogrel für 4 Wochen, dann eine Aspirin-Monotherapie. Nach dem Aortenklappenersatz war die Patientin von kardialer Seite beschwerdefrei und gut belastbar. Seit Januar 2015 entwickelte die Patientin erneut eine schleichend zunehmende Belastungsdyspnoe (zuletzt wieder NYHA III). Der niedergelassene Kardiologe diagnostizierte echokardiographisch eine hochgradige Aortenklappenstenose mit einem mittleren Gradienten von 51 mmHg. Der mittlere Gradient direkt nach Implantation der Klappe betrug 13 mmHg. In einer TEE-Untersuchung im heimatnahen Krankenhaus zeigte sich eine Struktur an der rechten Klappentasche, die eine Obstruktion verursachte. Die Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP und Procalcitonin) waren bei Aufnahme im Normbereich, die D-Dimere 3-fach über den Normwert erhöht (1,53 μg/ml). Drei Blutkulturen zeigten keinen Erregernachweis. Es wurde eine parenterale Heparintherapie über 7 Tage mit einer Ziel-aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit) von 50–60 s begonnen. Wegen Schmerzen im linken Sprunggelenk bei Verdacht auf reaktivierte Arthrose und steigenden Entzündungsparametern erhielt die Patientin für 3 Tage 20 mg Prednisolon. Da die Thrombozytenzahlen unter der Heparintherapie fielen, wurde eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie(HIT)-Diagnostik durchgeführt, und Heparin/PF4-Antikörper wurden nachgewiesen. Daraufhin wurde die Heparintherapie beendet.

Diagnostik

Bildgebung

Bei uns bestätigte sich echokardiographisch die hochgradige Aortenklappenstenose („dp mean“ 48 mmHg, Klappenöffnungsfläche (KÖF) 0,5 cm2; Abb. 1a). Ursächlich fand sich im TEE eine kugelige, ca. 8 × 8 mm große Formation am Boden der rechten Klappentasche, die zur Behinderung der Klappenöffnung führte (Abb. 2a, b). In der Aorta ascendens (Abb. 2c) war farbdopplersonographisch ein ausgeprägter turbulenter Fluss sichtbar. Weiterhin bestand eine leichte Aortenklappeninsuffizienz.

Abb. 1
figure 1

Transvalvuläre Gradienten a vor und b nach Behandlung mit Argatroban

Abb. 2
figure 2

a TEE kurze Achse mit echogener Raumforderung (Pfeil). b TEE lange Achse mit echogener Raumforderung. c TEE lange Achse: rundliche Struktur RCC (rechtskoronare Aortenklappentasche) (dicker Pfeil), turbulenter Fluss (dünner Pfeil)

Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigte eine leichte interstitielle Stauung.

Labor

Laborchemisch waren bei uns die Entzündungsparameter (Leukozyten 11.700 μl, CRP 5,1 mg/dl, Ferritin 504 μg/l) erhöht, ebenso das proBNP mit 5116 pg/ml und die D-Dimere mit 0,45 μg/ml. Es bestanden eine makrozytäre Anämie (Hb 10,5 g/dl, MCV 104 fl) bei Folsäuremangel (Folsäure 2,6 μg/l, Vitamin B12 im Normbereich) und eine chronische Niereninsuffizienz Stadium IV mit einer GFR von 20,4 ml/min. Der Folsäuremangel wurde mit 15 mg Folsäure pro Tag substituiert. Die Untersuchung auf eine hereditäre Thrombophilie ergab eine heterozygote Prothrombin (G20210 A)-Mutation. Zusätzlich war die Patientin heterozygot für die 2 häufigsten Punktmutationen im Methylentetrahydrofolat-Reduktase-Gen (Compound-Heterozygotie), die zu einer verminderten Enzymaktivität von 50–60 % führt. Bislang waren bei der Patientin keine thrombotischen Ereignisse bekannt.

Stationärer Verlauf

Wir haben probatorisch eine antithrombotische Therapie mit Argatroban begonnen (wegen des auswärtigen HIT-Verdachts) mit einer Ziel-aPTT von 70–80 s. Nach 8 Tagen musste die Therapie beendet werden, da der Hb weiter auf 8,1 g/dl abfiel ohne offensichtliche Blutungsquelle. Die Patientin ist Zeugin Jehovas und lehnte Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab. Der Hämoccult-Test war 3-mal negativ. Da nach erneuter Testung keine Heparin/PF4-Antikörper nachweisbar waren, wurde Heparin in thromboseprophylaktischer Dosis ohne aPTT-Wirksamkeit gegeben. Die TEE-Kontrolle nach 8 Tagen (31.04.2015) zeigte die Formation in unveränderter Größe, jedoch war der „dp mean“ auf 41 mmHg abgefallen. Es wurden im Verlauf noch weitere 10 Blutkulturen abgenommen, die steril blieben. Die initial erhöhten Entzündungsparameter waren spontan rückläufig. Das weitere Prozedere wurde in einem interdisziplinären Team mit den Herzchirurgen besprochen. Eine Valve-in-valve-Prozedur erschien aufgrund eines hohen Thrombembolierisikos als zu risikoreich. Deshalb fiel die Entscheidung für einen chirurgischen Aortenklappenersatz, wenn der Hb mindestens 10 mg/dl erreicht hat. Das zunächst abwartende Verhalten war möglich, da die Patientin kardial ausreichend kompensiert war. Zusätzlich begannen wir mit einer kalkulierten leitliniengerechten Antibiose (Rifampicin, Vancomycin und Gentamycin, letztere mit Spiegelkontrollen), da aufgrund der TEE-Morphe eine sichere Differenzierung zwischen Thrombus oder endokarditischer Vegetation nicht möglich ist und im Falle eines Thrombus eine bakterielle Superinfektion nicht auszuschließen war. Eine TTE-Kontrolle am 15.05.2015 zeigte einen weiteren Rückgang des mittleren Gradienten auf 30 mmHg. Am 19.05.2015 war der Gradient über der Aortenklappe nahezu auf dem Ausgangswert nach TAVI 2014 abgefallen (mittlerer Gradient 18 mmHg, Abb. 1b). In der daraufhin durchgeführten TEE konnte die Raumforderung nicht mehr nachgewiesen werden (Abb. 3a, b). Ein klinisch manifestes thrombembolisches Ereignis trat bei der Patientin nicht auf. Die über 13 Tage durchgeführte Antibiose wurde abgesetzt und die Patientin beschwerdefrei nach Hause entlassen.

Abb. 3
figure 3

TEE a kurze und b lange Achse nach Argatroban-Therapie; Raumforderung (Pfeil) nicht mehr nachweisbar

Wie lautet Ihre Diagnose?

Diskussion

Für eine Klappenthrombose bei dieser Patientin sprachen initial erhöhte D-Dimere (3-Faches der Norm) bei normalen Entzündungsparametern, fehlender Keimnachweis in insgesamt 13 Blutkulturen und Normalisierung des transvalvulären Gradienten nach antithrombotischer Therapie mit Argatroban.

Bislang wurden 15 Fälle von Thrombosen bei interventionell implantierten Aortenklappen publiziert [1]. Die weit überwiegende Anzahl betraf den Edwards-Sapien-Klappentyp. Klappenthrombosen bei chirurgisch implantierten Bioprothesen treten selten auf (0,2 % pro Jahr) und dann hauptsächlich in den ersten 6 Monaten nach chirurgischer Implantation [2]. Als Ursachen werden der hyperkoagulatorische Zustand nach dem chirurgischen Trauma, fehlende Endothelialisierung insbesondere im Bereich der Nähte und des Klappenrings, lokal turbulenter Fluss und prädisponierende Faktoren wie Thrombophilie, Vorhofflimmern und hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion diskutiert [2, 3]. Spezifische Ursachen bei den THVs könnten eine inkomplette Expansion mit Bildung von Falten sein, die thrombotische Auflagerungen begünstigen, eine inkomplette Apposition an die Aortenwand mit verzögerter Endothelialisierung und ein Überhängen der nativen Klappen über die Prothese, was eine Beeinträchtigung des Blutflusses zur Folge haben könnte [1]. Derzeit wird bei Patienten ohne Indikation zur oralen Antikoagulation eine duale Thrombozytenaggregationshemmung für 3 bis 6 Monate empfohlen (Aspirin und Clopidogrel), da man annimmt, dass nach dieser Zeit die Endothelialisierung abgeschlossen ist [1].

Bei unserer Patienten fand sich als möglicher prädisponierender Faktor eine heterozygote Prothrombinmutation. Diese geht mit einem 3- bis 4-fach erhöhten Thromboserisiko einher [6]. Bei Vorliegen weiterer prädisponierender Faktoren wie Hyperhomozysteinämie, Hormontherapie u. a. wird dieses noch weiter erhöht. Bei unserer Patientin bestanden ein Folsäuremangel, eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz und eine Compound-Heterozygotie, die zu einer Verminderung der Aktivität des Methylentetrahydrofolat-Reduktase-Gens führt, alles Faktoren, die zu einer Hyperhomozysteinämie führen können [5]. Leider wurde der Homozysteinwert nicht bestimmt. Die doppelte Thrombozytenaggregationshemmung wurde bei der Patientin nur für 4 Wochen durchgeführt. Auch dies könnte die Entstehung der Klappenthrombose begünstigt haben. Die empfohlene Dauer der dualen Thrombozytenaggregationshemmung von 3 bis 6 Monaten nach TAVI ist nicht durch Studien belegt. Somit bleibt die optimale Dauer einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung nach TAVI unklar und muss im Einzelfall in Abwägung zwischen Thrombose- und Blutungsrisiko entschieden werden.

Als therapeutische Maßnahme bei einer Klappenthrombose steht die Fibrinolyse oder ein chirurgisches Verfahren zur Verfügung. Bei Klappenprothesen des rechten Herzens wird die fibrinolytische Therapie als Therapie der ersten Wahl empfohlen [2]. Bei den chirurgisch implantierten Klappenprothesen des linken Herzens entscheiden die Größe des Thrombus, die hämodynamische Relevanz und das Operationsrisiko über das Vorgehen. Bei einem Volumen < 0,8 cm2 sollte zunächst eine fibrinolytische Therapie erwogen werden. Das Hauptrisiko einer Lysetherapie ist die periphere Embolie, insbesondere, wenn das Fibrinolytikum in hoher Dosis gegeben wird, ein großer Thrombus vorliegt und Schlaganfälle in der Anamnese zu eruieren sind [2, 4]. Die Lysetherapie zeigte im Vergleich zur Operation eine eingeschränkte hämodynamische Wirksamkeit und ein häufigeres Wiederauftreten der Obstruktion. Als fibrinolytische Therapie wurden Streptokinase, Urokinase und rtPA bei den chirurgisch implantierten Klappen erfolgreich eingesetzt [2]. Bei einem Thrombusvolumen > 0,8 cm2, mobilem Thrombus und akuter hämodynamischer Instabilität sollte die chirurgische Intervention an erster Stelle stehen [2, 4]. Bei den THVs stehen prinzipiell die gleichen Therapieoptionen zur Verfügung. Von den 15 in der Literatur berichteten THVs wurden nur 3 operativ saniert, die übrigen erfolgreich mit oraler Antikoagulation behandelt mit Normalisierung der Klappengradienten nach einigen Monaten [1].

Diagnose: Thrombose einer Edwards-Sapien-3-Prothese bei heterozygoter Prothrombinmutation in Verbindung mit Risikofaktoren für eine Hyperhomocysteinämie

Der hier geschilderte Fall ist nach unserem Wissen der erste, bei dem eine Antikoagulation mit Argatroban effektiv und ohne Komplikationen zu einer Thrombusauflösung bei einer THV geführt hat. Argatroban wurde zusammen mit rtPA zur Lyse bei Herzinfarkten und Schlaganfällen eingesetzt, um die Effektivität des rtPAs zu steigern [7, 8]. Besonders bemerkenswert an unserem Fall ist, dass die Lyse des Thrombus unabhängig von der Anwesenheit von Argatroban fortgeschritten ist (Abb. 4). Die thrombolytische Potenz von Argatroban ist höher als die von Heparin [10]. Es benötigt keine Kofaktoren und inhibiert sowohl freies als auch Fibrin-gebundenes Thrombin unabhängig vom Alter des Thrombus [9]. Weiterhin verhindert es, dass Fibrin-gebundenes Thrombin zur Plättchenaggregation führt [9, 10]. Diese Eigenschaften könnten auch zu einer schnelleren Thrombenauflösung beitragen, als dies bei einer oralen Antikoagulation (Phenprocoumon) der Fall ist. Ist bei einer THV unter Aspirin-Monotherapie eine Klappenthrombose aufgetreten, sollte eine orale Antikoagulation als Dauertherapie zur Prophylaxe einer Rethrombosierung erwogen werden, vor allem bei Vorliegen einer Thrombophilie.

Abb. 4
figure 4

Zeitlicher Verlauf des mittleren Gradienten über der Aortenklappe

Fazit für die Praxis

  • Thrombosen können bei prädisponierenden Faktoren auch bei biologischen Klappenprothesen, die interventionell implantiert werden, auftreten. Soweit möglich, sollten prädisponierende Faktoren behandelt werden.

  • Argatroban kann als thrombolytisches Therapeutikum erfolgreich eingesetzt werden.

  • Die optimale Dauer der dualen Thrombozytenaggregationshemmung nach TAVI ist wegen fehlender Studien unklar. Zurzeit werden 3 bis 6 Monate empfohlen. Nach Auftreten einer thrombotischen Komplikation sollte zur Prävention einer erneuten Thrombosierung eine orale Antikoagulation erwogen werden.

  • Ein engmaschiges kardiologisches Follow-up der Patienten ist zwingend, um eine Klappendysfunktion rechtzeitig zu erkennen.