Liebe Leserinnen und Leser,

das Controlling hat in der Praxis zwei zentrale Wurzeln: zum einen die Gesamtplanung des Unternehmens, zum anderen die Abbildung des Unternehmensgeschehens in der Kostenrechnung. Ein entscheidungsorientierter Kostenrechner beschränkte sich seinerzeit nicht auf die Abbildung von Betriebsergebnissen in der „Betriebsergebnisrechnung“, er versuchte, auch Informationen zu liefern, die für Produktentscheidungen und Prozessentscheidungen gleichermaßen relevant waren. Beides erforderte eine genaue Kenntnis der Leistungserstellung. Kostenrechner kannten sich in der Produktion sehr gut aus — Namen wie Kilger und Plaut stehen hierfür beispielhaft. Produktions- und Kostenfunktionen bildeten eine Einheit.

Betrachtet man heute die Zunft der Controller, scheint die enge Verbindung zur Leistungserstellung eher gelockert. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass die traditionelle Kostenstellenrechnung stark auf einer funktionalen Organisation der Leistungserstellung basiert. Kostenstellenkosten lassen sich am besten dann verrechnen, wenn in den Kostenstellen gleichartige Tätigkeiten erbracht werden („Maschinenstunden“). Neue, prozessorientierte Produktionskonzepte fassen aber mehrere unterschiedliche Produktionsvorgänge zusammen und legen größeren Wert auf den Material- und Warenfluss. Durchlaufzeiten und Fehlmengen werden wichtiger im Vergleich zu Produktionszeiten und Auslastungsgraden. Dies passt nicht in die Struktur der traditionellen Kostenrechnung. Auch und gerade zu den Gebieten der Logistik und des Supply Chain Managements haben Controller einen erheblichen Abstand, und dieser ist über die Zeit hinweg auch nicht kleiner geworden — und dies trotz aller Aufrufe und Anstöße, auch von unserem Institut.

Darüber hinaus haben wir die Erfahrung gemacht, dass der vehemente Aufruf von Kaplan, sich stärker nicht-finanziellen Steuerungsgrößen zuzuwenden, bei Controllern nicht den erwarteten Nachhall gefunden hat. Am Ende wird ein Budget eben in finanziellen Zahlen formuliert. Die Leitung des Controllings denkt in solchen Zahlen, nicht-finanzielle Größen finden sich eher in Teilbereichen wie in der Produktion — und dort auch eher bei der fachlichen Linie als bei den Controllern. Man muss kein glühender Fan der Balanced Scorecard sein, ihre Forderung nach einer Verbindung finanzieller und nicht-finanzieller Größen ist aber nicht von der Hand zu weisen.

Wir können Sie nur ermuntern, sich dem Produktionsbereich (wieder) intensiv zuzuwenden. Hier sind aktuell so weitreichende Entwicklungen zu beobachten, dass Controller unbedingt intensiv involviert sein müssen. Industrie 4.0 ist nur ein Beispiel. Wer Business Partner sein will, muss bei den Geschäftskenntnissen up to date sein. Wer die Rolle eines Change Agents in einer Zeit intensiver Veränderungen spielen will, muss die Veränderungen kennen und in ihrer Bedeutung für das Unternehmen einschätzen können. Produktions-Controlling auf monatliche Abweichungsanalysen und Standardkalkulationen zu begrenzen, reicht längst nicht mehr aus!

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Ihnen

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Utz Schäffer

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Jürgen Weber