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Max Weber zum 150. Geburtstag. Interview mit M. Rainer Lepsius

  • In memoriam M. Rainer Lepsius (1928-2014)
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Correspondence to H.-P. Müller.

Anhang: Fragen zu Max Weber an M. Rainer Lepsius von Hans-Peter Müller

Anhang: Fragen zu Max Weber an M. Rainer Lepsius von Hans-Peter Müller

1. Bedeutung

Was ist uns Max Weber heute? Hat er uns noch etwas zu sagen und wenn ja, was? Also: Wozu noch Max Weber?

2. Größe

Worin besteht eigentlich die Weber allerorts zugeschriebene Größe? Was ist das Geheimnis seines „Charismas“? Warum ist er mittlerweile weltweit der „Klassiker aller Klassiker“?

3. Rationalisierung und Freiheit

Der Rationalisierungsprozess ist unaufhaltsam vorangeschritten, wie Weber vorausgeahnt hat. „Produktivität“ bzw. „Effizienz“ ist heute das einzige verbliebene Ziel nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Gesellschaft, zumindest in Deutschland. Dennoch fühlen sich die Menschen nicht wie „die Fellachen im alten Ägypten“. Im Gegenteil: Selten zuvor standen Freiheit, Individualismus und Selbstbestimmung so hoch im Kurs wie heute, zumindest in der westlichen Welt. Ist das alles Illusion oder Ideologie, oder hat sich Weber mit seiner Freiheits- und Sinnverlustthese einfach getäuscht?

4. Menschentyp und Lebensführung

Webers Interesse galt einer freiheitlich gesinnten, methodisch-rationalen Lebensführung. Er befürchtete den Advent von „Fachmenschen ohne Geist, Genussmenschen ohne Herz“, „Ordnungs-“ statt „Kulturmenschen“. Welche Typen von Menschen mit welcher Art von Lebensführung werden heute ausgelesen, wie und warum?

5. Kapitalismus

Der Kapitalismus galt Weber als „die schicksalsvollste Macht des modernen Lebens“. Wie passt sein Bild des rationalen Betriebskapitalismus zur heutigen Realität des Finanzmarktkapitalismus? Ein ökonomisches System, das seine globale Plutokratie ständig bereichert, und zwar so raffiniert, dass die Menschen ihre beschleunigte Enteignung nicht einmal bemerken, geschweige denn verstehen? Was hätte Weber wohl zu diesem ökonomischen System – der Neuauflage der „Schuldknechtschaft“ – gesagt?

6. Politik und Demokratie

Von Jugend an hatte Weber ein Faible für Politik, kritisierte nachdrücklich Bismarcks Cäsarenherrschaft und die Dilettantenherrschaft von Wilhelm II., wandelte sich aber unter dem Eindruck von Erstem Weltkrieg und Kriegsniederlage zum „Vernunftrepublikaner“ und „Demokraten“. Was sagen uns seine Vorstellungen von Politik und Demokratie („Führer mit Maschine“) aktuell noch? Wie hätte er die national-, europa- und weltpolitische Situation heute eingeschätzt?

7. Religion: Entzauberung und Säkularisierung

Webers berühmte E&S-These ist in die Kritik geraten, seitdem man auch in Europa eine Renaissance der Religion beobachtet, sieht man von der Anomalie Ostdeutschland einmal ab. So gibt es das Christentum mit seinen „alten Kirchen“ immer noch, aber längst hat sich auch in Europa und Deutschland ein bunter „religiöser Markt“ etabliert. Er reicht von allen möglichen Sektenbildungen („Scientology“ u. a.) bis zu New-Age-Bewegungen, also „Religiosität“ und das „Heilige“ in allen möglichen Formen, auch als „säkulare Sakralität“, wie etwa die „Heiligsprechung“ der Menschenrechte als letztem verbliebenen Ideal, was Émile Durkheim weitsichtig vorausgeahnt hatte. Wie hätte Weber die heutige plurale und unübersichtliche Lage eingeschätzt? Und wie hätte er seinen Kategorienapparat (Kirche, Sekte etc.) eingesetzt, um eine soziologisch brauchbare Konzeptualisierung der religiösen Situation heute zu geben?

8. Bürokratie und Organisation

Weber, als Ahnherr der „Organizational Studies“, hat die Bürokratisierung der Welt vorausgesagt; tatsächlich aber ist es zu einer „Organisationalisierung“ der Welt gekommen, sodass einige Forscher von einer „Organisationsgesellschaft“ sprechen. Zwar kommt keine Organisation ohne ein „bürokratisches Minimum“ aus, und dennoch entsprechen die wenigsten Organisationen heute seinem Idealtyp der Bürokratie. Stattdessen ist von „schlanken Unternehmen“ und neuen Formen der „Governance“ die Rede. Wie lässt sich die Gestalt der heutigen „Organisationslandschaft“ mit Weber’schen Mitteln konzeptualisieren? Wie würde Weber die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in sein Modell bürokratischer Organisation einbauen? Sind „Netzwerke“ die neuen Formen der Bürokratie?

9. Das Max-Weber-Paradigma

Seit einiger Zeit wird ein „MWP“ propagiert, das es mit zeitgenössischen Theorieangeboten durchaus aufzunehmen sich anschickt. Wie steht die Rational-Choice-basierte „Badewannen“-Logik (Coleman, Esser usw.) zu Webers historischer Soziologie mit Gesellschaftsgeschichte (und nicht -theorie), Idealtypenbildung und „erklärendem Verstehen“ von „historischen Individuen“? Lässt sich Webers Ansatz umstandslos dem klassischen Erklärungsprogramm von Popper und Hempel einverleiben, oder geht nicht gerade die Eigenart der Weber’schen Soziologie (historisch gesättigte Analyse der drei „I“ – Interessen, Institutionen und Ideen) durch die Subsumption unter den erklärungswissenschaftlichen „Mainstream“ amerikanischer Provenienz verloren?

10. Werturteilsfreiheit und Geschichtsphilosophie

Webers Ansatz durchzieht eine unergründliche Spannung zwischen einer positiven, „wertfreien“, rein sachlichen Soziologie („Askese“, wenn es um die Grenzen einer Fachwissenschaft geht) und einer spekulativen, um Sinn, Bedeutung und die Einschätzung der Zukunft ringenden „Geschichtsphilosophie“ („Leidenschaft“, wenn es um „menschliche Größe und den Adel unserer Natur“ geht) der modernen Gesellschaft. Diese untergründige „Geschichtsphilosophie“ kommt vor allem in seiner Zeitdiagnostik (Rationalisierung, Bürokratisierung, Fellachentum, „Reste von individueller Bewegungsfreiheit“ etc.) zum Ausdruck, die vorwiegend kulturpessimistischer Natur ist, gerade wenn die Zukunftsfragen von Kultur, Gesellschaft und Individuum angerissen werden. Diese Spannung verleiht Webers Soziologie eine „tragische Note“ („Prinzip des Dennoch“, Kampf, Entsagung) und verleiht durch diese „Farbigkeit“ seinem Ansatz eine ungeheure Attraktivität, weil in ihm existenzielle Probleme von Sinn und Bedeutung menschlicher Lebensführung angesprochen werden. Stimmt diese Einschätzung? Wenn ja, was ist die Basis für Webers „Geschichtsphilosophie“, wenn er doch jegliche „-ismen“ stets abgelehnt hat? Diese Geschichtsphilosophie ist mehr als „ein evolutionstheoretisches Minimum“ (Schluchter), aber woher stammt dieses „Mehr“? Ist das Webers unleugbare subjektive Urteilskraft, oder hat er doch ein Geschichtsverständnis, das ihn in die Nähe von Tocqueville, Marx und Burckhardt rückt?

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Müller, HP., Sigmund, S. Max Weber zum 150. Geburtstag. Interview mit M. Rainer Lepsius. Berlin J Soziol 24, 559–581 (2015). https://doi.org/10.1007/s11609-015-0271-1

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