Nach dem Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts herrschte die Meinung vor, dass das Buch der Infektionskrankheiten geschlossen werden könnte. Doch diese Überheblichkeit wurde überraschend durch das Auftreten von Aids-Erkrankungen vor 30 Jahren bestraft. Heute ist allen klar, dass das Problem der Infektionskrankheiten wahrscheinlich nie gelöst sein wird. Gerade die jüngste Vergangenheit hat uns vor einige Herausforderungen gestellt, wie z. B. SARS, MDR-TB, die Vogel- bzw. Schweinegrippe oder erst vor kurzem vor allem im norddeutschen Raum der Ausbruch von EHEC-Fällen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass uns in der modernen Zeit die Infektionskrankheiten wieder einholen. Eigene Untersuchungen besagen, dass etwa 8–10% der stationären Fälle in der Hauptdiagnose infektiöser Natur sind. Auch das Auftreten von multiresistenten Erregern ist ein Problemfeld, das eine weitere Herausforderung für die moderne Medizin darstellt.

In den nachfolgenden Arbeiten demonstrieren hier Kolleginnen und Kollegen beispielhaft ihre Kompetenz in der Infektionsmedizin. Sie sind gewollt klinisch orientiert und dienen der Fortbildung mit Algorithmen zur Diagnostik und Behandlung. Dank der individuellen sehr guten Ausbildung und der interdisziplinären Verflechtung der Kompetenzen von Gastroenterologen, Infektiologen, Intensivmedizinern und Mikrobiologen bieten diese Arbeiten eine ausgezeichnete Lektüre.

Heutzutage steht der Begriff „Infektionsmedizin“ für eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Fächern der Diagnostik (z. B. Mikrobiologie), Krankenhaushygiene und den Klinikern (hier ausgebildete Infektiologen, aber auch Kliniker aus Schwerpunktfächern der inneren Medizin). Ohne eine Kooperation über Fachgrenzen hinaus kann eine moderne, effiziente Medizin heute nicht mehr gewährleistet werden. Die Kompetenzen der einzelnen Fachgruppen sind klar definiert. Nur durch die Vernetzung der diagnostischen und klinischen Kompetenz – verbunden mit der notwendigen Einsicht der Fachbereiche – wird eine moderne und schlagkräftige Infektionsmedizin in Deutschland möglich sein. Diese Zusammenarbeit war notwendig, um dem EHEC-Ausbruch zu begegnen. Aber gerade dieser Ausbruch zeigt erneut deutlich den Bedarf an Infektiologen in Deutschland. Nur durch Zusammenarbeit und die stringente Befolgung von krankenhaushygienischen Konzepten ist eine optimale und professionelle Betreuung von Patienten mit Infektionskrankheiten gewährleistet.

Ohne eine Kooperation über Fachgrenzen hinaus kann eine moderne, effiziente Medizin heute nicht mehr gewährleistet werden

Beunruhigend dagegen ist, wie Qualifikationen erworben werden können. Wie sieht die Ausbildung zum Infektiologen in Deutschland aus? Im europäischen Kontext ist die Ausbildung völlig unzureichend. Die Infektiologie kann in fast allen Bundesländern mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern als eine Zusatzbezeichnung erworben werden. Die Ausbildung dauert nach der Musterweiterbildungsordnung 12 Monate. Neben der kurzen Ausbildungszeit sind klare inhaltliche Defizite auszumachen. In anderen europäischen Ländern ist dagegen eine 5-jährige Ausbildung mit einem deutlich profunderen Ausbildungscurriculum vorgesehen (s. auch UEMS Infectious Diseases). In Anbetracht dieser Situation fordern die Sektion für Infektiologie des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI) und die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) die Schaffung der Schwerpunktbezeichnung „Infektiologe“ innerhalb der inneren Medizin bzw. Pädiatrie. Hier soll vor allem die Qualität der Ausbildung deutlich verbessert werden. Um eine adäquate Weiterbildung zu gewährleisten, müssten natürlich auch entsprechende Multiplikatoren, gemeint sind Ausbilder, zur Verfügung stehen. Eine Infektiologie kann nur dann auf Dauer existieren, wenn nicht nur eine klare, klinisch orientierte Ausbildung existiert, sondern entsprechende Netzwerke von akademischen infektiologischen Einheiten in den Universitätskliniken in der Bundesrepublik Deutschland etabliert sind.

Die von verschiedenen Fachbereichen gelegentlich geäußerten Bedenken sind in den meisten Fällen unbegründet. Wenn der Bedarf der engen Kooperation mit den verschiedenen Fachbereichen von der Infektiologie ignoriert würde, verlöre sie ihre Daseinsberechtigung.

Interessante Konzepte werden bereits in der Bundesrepublik umgesetzt. Die Schaffung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZI) oder die Bildung von Zentren für Infektionsmedizin in Universitätskliniken sind mögliche Wege, um eine enge Vernetzung der Infektiologie mit anderen Fächern anzustreben. Unabhängig davon bedarf es der Erarbeitung von individuellen Konzepten, inwieweit z. B. Betten für die klinische Infektiologie vorgehalten werden.

Wer möchte sich den Forderungen nach einer verbesserten Ausbildung verschließen? Dieses Schwerpunktheft von Der Gastroenterologe behandelt in kompetenten Beiträgen die Bedeutung der Infektiologie für die Gastroenterologie und will darüber hinaus den Anstoß geben, auch über klinisch-wissenschaftliche und politische Konsequenzen nachzudenken.

Andrew J. Ullmann

Jürgen F. Riemann