Hintergrund

Die Entwöhnung von der mechanischen Beatmung („Weaning“) gewinnt in der Intensivmedizin und für die Pneumologie mit dem Schwerpunkt „Beatmungsmedizin“ eine immer größere Bedeutung. Durch das zunehmend hohe Alter und die Komorbidität der Patienten sowie zunehmende Fortschritte und auch durch den Einsatz moderner Verfahren in der Intensivmedizin steigt dabei die Zahl der Patienten, die längerfristig vom Beatmungsgerät abhängig sind, kontinuierlich [1, 2]. Gemäß der Budapester Konsensuskonferenz aus dem Jahre 2005 werden drei Gruppen der Respiratorentwöhnung unterschieden: einfaches, schwieriges und prolongiertes Weaning [3]. Eine Übersicht über die drei Weaningkategorien sowie die weitere differenzierte Aufschlüsselung der Patienten im prolongierten Weaning (Gruppe 3) in drei Subgruppen (3a–3c) ist in Tab. 1 dargestellt [1, 4].

Tab. 1 Aktuelle Weaningkategorien nach der S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (Mod. nach Schönhofer et al. [1])

Die besondere Bedeutung der Beatmungsmedizin und Respiratorentwöhnung für die Pneumologie kommt in den strukturellen Vorgaben zur Weaningeinheit im Zertifizierungsprozess und dem Netzwerk pneumologischer Weaningeinheiten „WeanNet“ zum Ausdruck [4]. Schließlich wurde federführend durch die DGP und in Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Fachgesellschaften im Jahr 2014 die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ publiziert [1].

Pathophysiologie

Um ein individuelles Konzept zur schwierigen und prolongierten Entwöhnung vom Respirator zu realisieren, ist profundes Wissen der zugrundeliegenden Pathophysiologie unverzichtbar [1]. Unterschiedliche Ursachen können zum prolongierten Weaning führen, wie z. B. die ventilatorinduzierte Lungenverletzung (VILI; „ventilator-induced lung injury“), die ventilatorassoziierte Pneumonie (VAP; „ventilator-associated pneumonia“), der ventilatorinduzierte Zwerchfellschaden (VIDD; „ventilator-induced diaphragmatic dysfunction“), Komorbiditäten (v. a. Herzinsuffizienz oder auch Niereninsuffizienz), Sedierung/Delir, Sepsis, ARDS („acute respiratory distress syndrome“) oder postoperative Komplikationen; schließlich kann es „iatrogen“ zum Weaningversagen kommen (u. a. infolge Überwässerung, übermäßiger Sedierung, insuffizienter Beatmungseinstellung, insuffizientem Sekretmanagement; [1]).

Respiratorisches System

Entscheidend für die Pathophysiologie des prolongierten Weaning sind Insuffizienzen im respiratorischen System, die deshalb im Folgenden näher erläutert werden. Das respiratorische System besteht aus zwei unabhängigen Kompartimenten, dem Gasaustausch und der Ventilation, die isoliert, aber auch simultan gestört sein können (Abb. 1; [5]). Der Atmungsmuskulatur kommt bei der Entwöhnung vom Respirator eine zentrale Bedeutung zu. Sie funktioniert im Sinne einer „Atempumpe“ und ist in ein komplexes Organ- und Regelungssystem integriert (Abb. 2; [6]). Die insuffiziente Atemmuskulatur führt zum ventilatorischen Versagen und geht mit dem Leitwert Hyperkapnie und bei akutem Auftreten mit einer konsekutiven respiratorischen Azidose einher (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Pathophysiologie und Therapieprinzipien des respiratorischen Systems. p a CO 2 Kohlenstoffdioxidpartialdruck, p a O 2 Sauerstoffpartialdruck. (Aus [5])

Abb. 2
figure 2

Atempumpe. (Aus [6])

VIDD und ICU-AW begünstigen ein prolongiertes Weaning

Das Diaphragma ist dabei der wichtigste Inspirationsmuskel. Es wird von den externen Interkostalmuskeln und weiteren Atemhilfsmuskeln unterstützt. Das Ungleichgewicht zwischen erhöhter Belastung und verminderter Kapazität der Inspirationsmuskulatur mit nachfolgender Erschöpfung der Muskulatur stellt den wesentlichen pathogenetischen Faktor des Entwöhnungsversagens dar. Infolge erhöhter inspiratorischer Atemarbeit („work of breathing“) führen typischerweise die schwergradige COPD bzw. das Lungenemphysem zu einer Erschöpfung der Atmungsmuskulatur. Eine Schwäche der Atmungsmuskulatur ist die wesentliche Ursache für ein prolongiertes Weaning bei neuromuskulären Erkrankungen, wie z. B. spinale Muskelatrophien, Muskeldystrophien, amyotrophe Lateralsklerose und Postpoliomyelitissyndrom.

Die VIDD und die im Laufe der Intensivbehandlung erworbene Schwäche der peripheren Skelettmuskulatur („ICU-aquired weakness“, ICU-AW) wirken sich ungünstig auf die Beatmungsentwöhnung, Behandlungsdauer und Mortalität aus [79]. Eine wesentliche Ursache der VIDD ist die durch Inflammation und muskuläre Inaktivität bei kontrollierter Beatmung hochregulierte Proteolyse in den Atmungsmuskeln [10].

Weitere wichtige pulmonale und extrapulmonale Ursachen für ein prolongiertes Weaning können nosokomiale Infektionen und Aspirationen, Pleuraergüsse, Adipositas permagna, kardiale Dysfunktion, postoperative Komplikationen, Mangelernährung, Delirium und andere neurokognitive Defizite sein [5, 6, 11].

Epidemiologie

In einer monozentrischen Studie zur Häufigkeitsverteilung der drei Weaningkategorien wurde ein heterogenes Kollektiv von 257 Patienten untersucht, das aus internistischen und chirurgischen Gründen invasiv beatmet werden mussten. Die nach aktueller Klassifikation (Tab. 1) benannte „Gruppe 3“ mit prolongiertem Weaning war die kleinste Gruppe der Weaningpatienten (14 %) und wies im Vergleich mit den beiden Gruppen 1 (einfaches Weaning, 59 %) und 2 (schwieriges Weaning, 26 %) eine erhöhte Mortalität auf der Intensivstation und im Krankenhaus auf [12].

Jeder zusätzliche Beatmungstag verschlechtert die Prognose

In der aktuell publizierten multizentrischen „WIND“-Studie wurden 2729 Patienten in Europa aus 36 Intensivstationen eingeschlossen. Das Verteilungsmuster war hier wie folgt: 57 % der Patienten konnten zur Gruppe 1 (einfaches Weaning) zugeordnet werden, 10 % zur Gruppe 2 (schwieriges Weaning), 9 % zur Gruppe 3 (prolongiertes Weaning) und bei 24 % konnte kein Weaningprozess eingeleitet werden. Im Vergleich zu Gruppe 1 und 2 wiesen die Patienten im prolongierten Weaning ein schlechteres Outcome mit längerer ICU-Verweildauer und höherer Krankenhausmortalität auf (29 % vs. 6 % in Gruppe 1 bzw. 17 % in Gruppe 2). Mit jedem zusätzlichen Beatmungstag verschlechterte sich insgesamt die Prognose in Form von längerem Intensivaufenthalt und erhöhter Mortalitätsrate [13].

WeanNet und Leitlinie

Seit mehr als 20 Jahren werden in der Sektion „Intensivmedizin“ der DGP die Konzepte zur Weaningeinheit im Beatmungszentrum und zur Respiratorentwöhnung weiterentwickelt. Auch vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2005 der Namen der DGP um den Terminus „Beatmungsmedizin“ ergänzt. Im Jahr 2006 folgte dann eine Erhebung zur Situation pneumologischer Beatmungszentren in Deutschland, die im Jahr 2008 publiziert wurde [14]. In dieser Untersuchung zeigte sich, dass im Fachbereich der Pneumologie ein spezieller Fokus auf das Weaning von langzeitbeatmeten Patienten entstanden war und hierbei ein Anteil von mehr als 60 % der Patienten erfolgreich entwöhnt werden konnte.

Es folgte im Jahr 2009 die offizielle Gründung von „WeanNet“, dem Netzwerk für pneumologische Weaningzentren, inklusive des Zertifizierungsprozesses der Weaningeinheiten [4]. Für die pneumologischen Beatmungszentren wurde dabei ein strukturelles, räumliches und prozessorientiertes Konzept für die Entwöhnung vom Respirator erarbeitet (Abb. 3). Alle vorgegebenen Maßnahmen gelten der Sicherung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, mit dem Ziel, bei möglichst vielen Patienten ein erfolgreiches Weaning zu erreichen und beim definitiven Weaningversagen drohende medizinische und psychosoziale Defizite möglichst zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.

Abb. 3
figure 3

Konzept der Weaningeinheit mit assoziierten Bereichen. (Aus [4], Abdruck mit freundl. Genehmigung des Georg Thieme Verlags)

Schließlich wurden unter Federführung der DGP die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ im Jahr 2014 auf Deutsch und international eine Kurzversion auf Englisch publiziert [1, 15].

Weaningeinheit, Intensivstation und spezialisierte Normalstation im pneumologischen Beatmungszentrum

Die mit der Weaningeinheit assoziierte Intensivstation bildet einen unverzichtbaren Bestandteil des pneumologischen Beatmungszentrums (Abb. 3). Hier werden schwerstkranke beatmete Patienten (z. B. mit hämodynamischer Instabilität oder Multiorganversagen) zunächst stabilisiert und die Akuterkrankung mit allen verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten von Organersatzverfahren und Kreislaufunterstützung behandelt. Im Bereich der Intensivstation wird bereits frühzeitig evaluiert, ob die Bereitschaft zur Entwöhnung („readiness to wean“) vorhanden ist, um ggf. hier bereits den Weaningprozess zu beginnen [3].

Das Kernstück des pneumologischen Beatmungszentrums mit integriertem Weaningzentrum ist die Weaningeinheit (Abb. 3; [4]). In der Weaningeinheit kommen alle in der Leitlinie beschriebenen Strategien zur Respiratorentwöhnung von Patienten mit prolongiertem Weaning zur Anwendung [1].

Weaningeinheiten sollten ausreichend Platz für Pflege, Mobilisation und Angehörige bieten

Die Räumlichkeiten in der Weaningeinheit berücksichtigen den individuellen Bedarf von langzeitbeatmeten Patienten. Die Zimmer der Weaningeinheiten sollen großzügig gestaltet sein. Große Räume sind aufgrund des hohen pflegerischen Aufwands erforderlich (z. B. bei adipösen Patienten durch den Einsatz von überbreiten Betten oder Sitzhilfen). Außerdem benötigt die erwünschte Integration der Angehörigen in den Weaningprozess zusätzlichen Platz. Auch unter hygienischen Aspekten ist ausreichend vorhandener Raum zur Pflege und Mobilisation erforderlich, weil Patienten im prolongierten Weaning zunehmend Träger von multiresistenten Keimen sind [16].

Während der Schlaf der Patienten auf Intensivstation zuvor aus unterschiedlichsten Gründen oft wochenlang gestört war [17], ist es ein wesentliches Ziel der Weaningeinheit, den Tag-Nacht-Rhythmus wiederherzustellen. Wichtige Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf ist das Vermeiden von Licht und Lärm in der Nacht.

Alle wichtigen Eigenschaften der Weaningeinheit sind in Infobox 1 zusammengefasst.

Infobox 1 Eigenschaften einer spezialisierten Weaningeinheit (modifiziert nach [2])

  • Ausreichend Zeit, Raum und Personal für die Rekonditionierung

  • Persönliche Zuwendung und Beratung

  • Erhalten eines Tag-Nacht-Rhythmus

  • Freie Sicht, möglichst Fenster nach außen

  • Ruhige Umgebung

  • Geräumige Umgebung

  • Intensivierte tägliche Physiotherapie, Unterstützung in der Mobilität

  • Unterstützung der Selbstständigkeit

  • Integration der Angehörigen

  • Unterstützung im oralen Kostaufbau

  • Persönliche Einrichtung im Zimmer ermöglichen

  • Entlassungsmanagement und sozialmedizinische Beratung

  • Palliative Begleitung bei Therapiezieländerung

Sollte es in den Bereichen der Weaningeinheit oder der spezialisierten Normalstation zu akuten intensivpflichtigen Notfallsituationen kommen, werden die Patienten umgehend in die Intensivstation verlegt (Abb. 3). Auf der anderen Seite kann die enge Kooperation von Weaningeinheit und Intensivstation zu einer Entlastung der Ressourcen einer eigentlichen Intensivstation führen.

Weaningstrategien

Alle wesentlichen Strategien des Weaningprozesses werden in der S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ erläutert [1]. Im Folgenden werden einige wichtige Aspekte zusammengefasst.

Therapie der Komorbidität

Wie bereits im Abschnitt „Pathophysiologie“ angemerkt, können grundsätzlich neben Atemwegs- und Lungenerkrankungen weitere Komorbiditäten zu einer wesentlichen Verzögerung oder auch zum Scheitern der Respiratorentwöhnung führen. Deshalb müssen vor allem Erkrankungen des Herzens (z. B. bisher nicht erkannte koronare Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz), der Nieren und des neuromuskulären Systems im Rahmen des Weaningprozess adäquat diagnostiziert und konsequent therapiert werden. Besonders erwähnt werden sollen hier die unterschiedlichen Verlaufsformen des Delirs, die – oft unterschätzt – zur Verzögerung des Weaningprozesses führen.

Beatmungsstrategie und -zugang

Die Analyse des individuellen Verlaufs der Spontanatmungsversuche führt zu wichtigen Erkenntnissen. Das pathophysiologische Verständnis der Abbruchursache eines Weaningversuchs ist wesentliche Basis für die sich anschließenden Weaningstrategien [11]. Bezogen auf die Zwerchfellfunktion hat dieses Vorgehen wichtige Implikationen.

Weaning soll den Patient dazu bringen, die Atemarbeit sukzessive wieder selbst zu übernehmen

Im Gegensatz zur kontrollierten Beatmung geht es bei der inspiratorischen Beatmungsunterstützung im prolongierten Weaning darum, einerseits die Atmungsmuskulatur zu entlasten, andererseits durch Eigenaktivität des Zwerchfells die dysfunktionale Atemmuskelpumpe wieder zu rekonditionieren. Diese Beatmungsstrategie ist die wesentliche Maßnahme zur Therapie des VIDD. Grundsätzlich kommen im prolongieren Weaningprozess Strategien der diskontinuierlichen und der kontinuierlichen Reduktion der Beatmungsunterstützung zum Einsatz. Das Ziel im Weaning muss sein, dass die Atemarbeit sukzessive vom Patienten wieder selbst übernommen werden kann. Das kann durch unterschiedliche Strategien, die individuell auf die Patienten abgestimmt werden müssen, erreicht werden [1, 11].

Bei zu erwartender langfristiger Abhängigkeit vom Beatmungsgerät sollte vor Durchführung einer Tracheotomie die Möglichkeit der Extubation mit einer Umstellung auf eine NIV erörtert werden. Es ist durchaus möglich, dass sich nur durch den Einsatz der NIV ein Weaningerfolg erreichen lässt. In der Untergruppe „3b“ kommt die nichtinvasive Beatmung (NIV) entweder zeitlich begrenzt oder bei persistierender chronisch ventilatorischer Insuffizienz in bis zu 30 % der Fälle als dauerhafte außerklinische Beatmung zum Einsatz (Tab. 1; [1, 18]).

Sedierung

Eine bedarfsorientierte Reduktion der Sedierung ist eine wichtige Voraussetzung für den Weaningerfolg. Morgendliche Aufwachversuche und Analyse des Atemmusters verkürzen die Dauer der Respiratorentwöhnung und verbessern das Langzeitüberleben [19]. Dieses Sedierungskonzept ist die Grundvoraussetzung für die Wiederherstellung des Tag-Nacht-Rhythmus (Infobox 1). Eine nicht zwingend erforderliche tiefe Sedierung führt zur deutlichen Verlängerung der Beatmungszeiten und des Krankenhausaufenthalts und ist damit kontraproduktiv für den Weaningerfolg [20].

Sekretmanagement

Vor allem bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen oder COPD muss auch zwingend ein erfolgreiches Sekretmanagement überprüft werden und ggf. mit manueller oder auch maschineller Hilfe unterstützt werden [1]. Eine konsequente physio- bzw. atmungstherapeutische Betreuung ist ein essentieller Bestandteil des Weaningkonzepts und täglich erforderlich. Im begründeten Einzelfall können ergotherapeutische und logopädische Behandlungen erforderlich sein.

Atmungstherapeuten sind inzwischen fester Bestandteil des Behandlungsteams im pneumologischen Weaningzentrum. Dieses Berufsbild wurde von der DGP im Jahr 2004 eingeführt und beinhaltet ein spezielles Weiterbildungscurriculum für Pflegekräfte und Physiotherapeuten. Wesentliche Aufgaben der Atmungstherapeuten im Weaningzentrum sind dabei u. a. das Beatmungsmanagement, ein Monitoring der Beatmung, Patientenschulungen oder auch das Sekretmangement [21].

Pneumologische Normalstation mit Schwerpunkt „außerklinische Beatmung“

Dieser Bereich ist im Wesentlichen spezialisiert auf die Ersteinstellung und weitere Versorgung der außerklinischen Beatmung. Hierhin werden aber auch Patienten aus der Weaningeinheit verlegt, wenn der Weaningprozess abgeschlossen ist. Es hat sich als praktikabel erwiesen, dass die pneumologische Normalstation eng mit dem Schlaflabor im Schwerpunkt „schlafbezogene Atmungsstörungen und nächtliche Hypoventilation“ zusammenarbeitet, da gerade in der Adaptationsphase die Beatmung im Schlaf kritisch ist und diesbezüglich überwacht werden muss. Neben der Einstellung auf die außerklinische Beatmung liegt eine wesentliche Aufgabe dieser Stationen in der Vorbereitung der Patienten, deren Angehörigen und der im außerklinischen Bereich arbeitenden Pflegekräfte auf die Entlassung des Beatmungspatienten in die häusliche Umgebung, das heimatnahe Krankenhaus bzw. die Pflege- oder Rehabilitationseinrichtung. In mehreren Unterrichtseinheiten müssen Patienten, Angehörige, ambulanter Pflegedienst, Hausärzte und zuständige Pneumologen in der Handhabung der Beatmungsgeräte, der Geräteeinstellung, der Erkennung von Gerätedefekten und bzgl. Notfallsituationen geschult werden. Besonders aufwändig ist das Entlassungsmanagement der genannten Gruppen bei tracheotomierten Patienten [4].

Auch im weiteren Verlauf kommt der kontinuierlichen Betreuung von Patienten in der außerklinischen Beatmung im ambulanten und/oder stationären Bereich des pneumologischen Beatmungszentrums ein wichtiger Stellenwert zu.

Entlassungsmanagement und außerklinische Beatmung nach Weaning

Der Beginn einer außerklinischen Beatmung ist bei einem erfolglosen Weaning (Kategorie 3c) oder prolongiertem Weaning mit NIV (Kategorie 3b) indiziert (Tab. 1). Ziel dieser Therapie ist es, die Lebensqualität der Patienten zu erhöhen [22] und ggf. auch die Patienten so zu versorgen, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein erneuter Weaningversuch unternommen werden kann. Die Initiierung einer außerklinischen Beatmung ist ein komplexer und zeitaufwendiger Prozess, der durch ein strukturiertes Überleitmanagement gestaltet wird (Abb. 4; [1, 23]). Im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen der Patient, seine Angehörigen und das weiter betreuende Team [22, 23].

Abb. 4
figure 4

Zeitbedarf des Überleitmanagements nach der S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (Aus [1], Abdruck mit freundl. Genehmigung des Georg Thieme Verlags)

Entsprechend den Vorgaben der Leitlinie zur außerklinischen Beatmung liegt die Moderation des Überleitmanagements in die außerklinische Beatmung in der Verantwortung des Beatmungszentrums [24]. Das Weaningpotential aber auch die Entscheidung zur Durchführung einer außerklinischen Beatmung sollte aufgrund der aufgeführten Hintergründe durch ein erfahrenes Beatmungs- oder Weaningzentrum eingeschätzt werden [25]. Insbesondere die Vermeidung einer invasiven außerklinischen Beatmung durch eine NIV sollte vor Entlassung bei allen Patienten geprüft werden, da hierdurch die Autonomie des Patienten gesteigert und die ökonomische Belastung für das Gesundheitssystem reduziert werden kann [18]. Im Rahmen des Überleitmanagements muss auf eine adäquate Versorgung der notwendigen Hilfsmittel geachtet werden. Die Versorgung der Hilfsmittel wird dabei im Überleitteam genau abgestimmt, wobei hierzu eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflege, Sozialdienst, Kostenträger und Leistungserbringer erforderlich ist [26].

Palliativmedizin im Beatmungszentrum

Vor allem aufgrund der zunehmenden Multimorbidität und des höheren Patientenalters ist der Anteil der definitiv nicht vom Respirator entwöhnbaren Patienten, die dann auch im Weaningzentrum bzw. dem Beatmungszentrum sterben können, relativ hoch. Dem Konzept der „Therapiezieländerung“ kommt diesbezüglich eine wichtige Bedeutung in der Kommunikation mit dem Patienten, den Angehörigen und auch den Mitgliedern des Behandlungsteams zu [27]. Hierbei treten dann palliativmedizinische Therapiekonzepte am Lebensende in den Vordergrund, wobei neben einer psychologischen Betreuung auch eine adäquate Therapie von Dyspnoe, Schmerzen und/oder Agitation entscheidend ist [28].

Aktuelle Daten zum Outcome im WeanNet

Aktuell wurden erstmals Daten zur Epidemiologie und zum Outcome von 6899 Patienten mit prolongierter Respiratorentwöhnung (Weaning) aus dem Register der Weaningzentren im WeanNet veröffentlicht [29]. Diese Daten sind insbesondere dahingehend interessant, da die beteiligten Zentren ein hoher Anspruch und beste Expertise in der Behandlung des prolongierten Weanings auszeichnet.

Es bestätigt sich, dass die Patienten mit prolongiertem Weaning häufig an einer Vielzahl von Komorbiditäten (im Median 5 relevante Begleiterkrankungen) leiden. Die Mehrzahl der Patienten (62 %) konnte erfolgreich vom Respirator entwöhnt werden und verließ das Weaningzentrum ohne invasive Beatmung nach im Median 33 Tagen. Eine NIV nach prolongiertem Weaning war bei ca. 19 % der Patienten aufgrund einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz erforderlich. Die Patienten, die mit einer NIV entlassen wurden, waren dabei signifikant jünger im Vergleich zum Durchschnittsalter aller Patienten (68 vs. 71 Jahre). In ca. 23 % der Fälle war das Weaning nicht erfolgreich und es musste eine dauerhafte invasive Beatmung eingeleitet werden. Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) als führende Ursache für die mechanische Beatmung wurden im Vergleich zu anderen Ursachen seltener vollständig vom Respirator entwöhnt und häufiger mit einer NIV zur außerklinischen Beatmung versorgt. Insgesamt verstarben 1027 von den 6899 Patienten während der Behandlung im Weaningzentrum (14,9 %; [29]).

Fazit für die Praxis

  • Die Zertifizierung im „WeanNet“ beinhaltet ein strukturelles, räumliches und prozessorientiertes Konzept für die Respiratorentwöhnung, bei der die Weaningeinheit eine zentrale Rolle spielt.

  • Von den drei Gruppen der Respiratorentwöhnung ist die Mortalität auf der Intensivstation und im Krankenhaus in „Gruppe 3“ (prolongiertes Weaning) am höchsten.

  • Spezialisierte Behandlungsteams im prolongierten Weaning benötigen profunde pathophysiologische Kenntnisse über Weaningversagen und Komorbiditäten.

  • Entlassungsmanagement und Überleitung in eine außerklinische Beatmung nach erfolglosem Weaning sind komplex und zeitaufwendig und Verantwortung des Beatmungszentrums.

  • Auch in der außerklinischen Beatmung im ambulanten/stationären Bereich des pneumologischen Beatmungszentrums ist die kontinuierliche Patientenbetreuung wichtig.

  • Beatmete Patienten am Lebensende benötigen palliativmedizinische Expertise und Konzepte zur Therapiezieländerung.

  • Atmungstherapeuten sind integraler Bestandteil des Behandlungsteams eines Weaningzentrums.