Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem gesellschaftlich bedeutsamen Phänomen des problematischen Spielverhaltens und leitet den zwingenden Bedarf an Präventionskonzepten ab.
Individuell- und sozialschädliche Auswirkungen von Glücksspielen begründen die Notwendigkeit einer Verstaatlichung des Glücksspielwesens, um zielgerichtet auf das Marktgeschehen einwirken und Spielerschutzmaßnahmen strukturell fest verankern zu können. Allerdings deuten die gegenwärtigen Entwicklungstrends auf dem deutschen Glücksspielmarkt—wie eine anhaltende Angebotserweiterung, die Aufweichung des Staatsmonopols sowie der Mangel an implementierten und evaluierten Spielerschutzmaßnahmen—keineswegs ein verbindliches Bemühen im Hinblick auf die Vorbeugung problematischen Spielverhaltens an. Infolgedessen kann in Deutschland zukünftig mit einem Anwachsen der Spielsuchtproblematik gerechnet werden.
Ausgehend von diesen Entwicklungen ist sowohl von staatlicher als auch von (bereits vorhandener) privater Anbieterseite eine proaktiv ausgerichtete Prävention problematischen Spielverhaltens als verpflichtendes Regulationselement einzufordern, die durch ein unabhängiges Expertengremium kontinuierliche Kontrolle erfahren muss. Es lässt sich eine Vielzahl von primär- und sekundärpräventiven Handlungsmöglichkeiten anführen, die glücksspielformübergreifend geeignet erscheinen, das Ausmaß des problematischen Spielverhaltens zu minimieren. Darüber hinaus bedarf es einer Evaluation der Wirkung entsprechender Einzelmaßnahmen oder globaler Präventionskonzepte, damit ihre Effektivität fortlaufend optimiert werden kann.
Abstract
The present paper investigates the significant social issue of problem gambling and concludes in the urgent need for prevention concepts.
Negative consequences of gambling for both the individual and society justify the necessity of a state-controlled gambling monopoly to regulate the market development effectively and implement adequate protection measures. However, current developments in the German gambling market—such as the continuing proliferation of gambling products, the weakening of the government monopoly as well as the lack of implemented and evaluated protection measures—do not show a reliable commitment to the prevention of problem gambling. Consequently, an increase in gambling-related problems in Germany can be expected in the near future.
As a result, state-run as well as existing private gambling operators must put more effort into proactive prevention of problem gambling. Prevention efforts should be established as an obligatory element of gambling business policy and be continuously controlled by an independent commission of experts. A wide range of primary and secondary prevention measures can be specified that seem to be appropriate in minimizing the extent of problem gambling. In addition, an evaluation of the effect of certain single measures or global prevention concepts is required in order to optimize their impact.
Notes
Unter Automatenspiel sind sowohl die Glücksspielautomaten bzw. „einarmige Banditen“ zu subsumieren, die von den Spielbanken als „Kleines Spiel“ in Dependancen betrieben werden, als auch Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bzw. Geldspielautomaten/Daddelautomaten, die in Spielhallen, Gaststätten oder Imbissstuben zur Verfügung stehen.
Der vorliegende Beitrag verwendet die Begriffe „problematisches Spielverhalten“ bzw. „Problemspieler“ und bezieht sich dabei auf verschiedene Dimensionen glücksspielbezogener normabweichender Verhaltens- und Erlebensweisen. Hiermit soll berücksichtigt werden, dass jegliche glücksspielbezogene Probleme (unabhängig vom Grad ihrer Intensität oder Qualität) Ansatzpunkte präventiver Handlungsmaßnahmen repräsentieren. Der Begriff des pathologischen Spielverhaltens hingegen bezieht sich im Folgenden in Anlehnung an die gängigen Klassifikationsmanuale ausschließlich auf klinisch relevante Ausprägungen problematischen Spielverhaltens.
Die Durchlässigkeit von Marktzutrittsbarrieren ist auch beim Marktsegment „Lotterien“ mit den extensiven Vermarktungsstrategien privater Lotto-Systemanbieter zu erkennen. Seit Oktober 2003 veranstalten darüber hinaus verschiedene Umwelt- und Sozialverbände die Lotterie „Unsere Welt“, die zunächst in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde und bei entsprechender Nachfrage 2004 auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet werden soll. Ein ähnlicher Trend lässt sich zudem beim ursprünglich rein staatlich organisierten Spielbankenwesen konstatieren: Während sich der Kasinospielbetrieb in den meisten Bundesländern in staatlicher Hand befindet (wie z.B. Bayern und Niedersachsen), werden Spielbanken wie etwa in Rheinland-Pfalz oder Hessen auch von privaten Konzessionären geführt.
Eine zunehmende Anzahl an Forschungsbefunden sowie Erkenntnisse aus der medizinischen Rehabilitation führten Anfang 2001 schließlich dazu, dass das pathologische Spielverhalten auch durch die Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger als rehabilitationsbedürftige Krankheit anerkannt wurde (s. http://www.gluecksspielsucht.de)
Mittlerweile umbenannt in Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen.
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Hayer, T., Meyer, G. Die Prävention problematischen Spielverhaltens. J Public Health 12, 293–303 (2004). https://doi.org/10.1007/s10389-004-0054-1
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Schlüsselwörter
- Problematisches Spielverhalten
- Pathologisches Spielverhalten
- Spielsucht
- Prävention
- Verantwortungsbewusstes Glücksspielangebot