In Reaktion auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2013, durch das es lesbischen Paaren freigestellt worden ist, künstliche Insemination und In-vitro-Fertilisation (IVF) in Anspruch zu nehmen, kam es in Österreich zu einem Paradigmenwechsel im Recht der Fortpflanzungsmedizin. Etliche Verbotsvorschriften, die in der Stammfassung des Fortpflanzungsmedizingesetzes 1992 enthalten waren, wurden durch das Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 aufgehoben. Dieses Gesetz erlaubt die Inanspruchnahme von In-vitro-Fertilisation mit Spendersamen und heterologem Embryotransfer nach Eispende ebenso wie von Präimplantationsdiagnostik. Darüber hinaus führte das Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 zu einer Anpassung sowohl des Abstammungsrechts als auch des Rechts der sozialen Sicherheit an die neuen Erlaubnistatbestände.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 10.12.2013

Auf Antrag des Obersten Gerichtshofs (OGH)Footnote 1 und zweier in Wien wohnhaften Frauen, die 2008 in Deutschland eine Lebenspartnerschaft nach deutschem Lebenspartnerschaftsgesetz eingegangen sind, hob der VfGH mit Erkenntnis vom 10.12.2013Footnote 2 jene Bestimmungen des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) 1992Footnote 3 auf, die die Inanspruchnahme von künstlicher Insemination oder In-vitro-Fertilisation (IVF) nur Eheleuten oder Partnern einer heterosexuellen nichtehelichen Lebensgemeinschaft gestatten. Der Ausschluss lesbischer Paare von der Inanspruchnahme der Fortpflanzungsmedizin lässt sich nach Auffassung des VfGH nicht mit guten Gründen rechtfertigen und verstoße daher gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerte Diskriminierungsverbot (Art. 14 i. V. m. Art. 8 EMRK).

In Reaktion auf dieses Erkenntnis beschloss die erste Kammer der gesetzgebenden Körperschaft (der Nationalrat) am 21.01.2015 das Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz (FMedRÄG) 2015,Footnote 4 das schon am 24.02.2015 in Kraft trat und zu einem sehr weitreichenden Wandel im Recht der Fortpflanzungsmedizin führte.

Verbotsvorschriften, die das FMedRÄG 2015 beseitigt hat

Das FMedRÄG 2015 öffnete die Fortpflanzungsmedizin nicht bloß für lesbische Paare. Mit Blick auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)Footnote 5 hob der Gesetzgeber auch das Verbot des heterologen Embryotransfers nach Eispende sowie der IVF mit (von dritter Seite) gespendetem Samen auf. Des Weiteren legalisierte das FMedRÄG 2015 die Präimplantationsdiagnostik, wenn auch nur in engen Grenzen.

a) Künstliche Insemination und IVF zugunsten eines lesbischen Paares

Der Gesetzgeber setzte das Erkenntnis des VfGH vom 10.12.2013Footnote 6 sehr konsequent um. Nun haben auch lesbische Paare das Recht, künstliche Insemination oder IVF in Anspruch zu nehmen, um sich den gemeinsamen Kinderwunsch zu erfüllen.Footnote 7 Unerheblich ist, ob die beiden Frauen durch eine eingetragene PartnerschaftFootnote 8 oder eine bloße Lebensgemeinschaft verbunden sind. Um den Status einer Co-Mutter zu erlangen, muss die eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin der Wunschmutter in die Vornahme der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts einwilligen.Footnote 9 Medizinisch unterstützte Fortpflanzung i. S. des Gesetzes ist allerdings nur die ärztliche Zeugungshilfe (§ 1 Abs. 1 FMedG). Für Kinder, die im Wege einer sog. „Becherspende“Footnote 10 gezeugt worden sind, gelten die neuen abstammungsrechtlichen Regeln daher nicht.Footnote 11

Liegt eine Einwilligungserklärung in Form eines Notariatsaktes vor, wird die eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin der biologischen Mutter von Rechts wegen so gestellt, als wäre sie der leibliche Vater des durch den Samen des Spenders gezeugten Kindes.Footnote 12 Das Kind des lesbischen Paares hat dann zwar keinen Vater im abstammungsrechtlichen Sinn, dafür aber eine Co-Mutter, die an dessen Stelle tritt. Auf die Co-Mutter, die der Gesetzgeber etwas verschämt als „anderen Elternteil“ bezeichnet, sind alle in der Rechtsordnung verankerten Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die auf den „Vater“ bzw. die „Vaterschaft“ Bezug nehmen. Gelten im Verhältnis der Eltern zu ihrem Kind und im Verhältnis der Eltern zueinander besondere Rechtsregeln, so kommen auch diese Rechtsregeln im Verhältnis biologische Mutter – Co-Mutter – Kind entsprechend zur Anwendung.Footnote 13

Die Co-Mutter verdrängt den leiblichen Vater des Kindes

b) IVF mit (von dritter Seite) gespendetem Samen

Die Verwendung von Samen eines Spenders war nach bislang geltendem Recht nur für eine künstliche Insemination in vivo erlaubt. Die Durchführung einer IVF mit (von dritter Seite) gespendetem Samen war dem Reproduktionsmediziner also ausdrücklich verboten. Die Verwendung von Spendersamen im Rahmen einer IVF unterscheidet sich mit Blick auf ihre sozialen Auswirkungen freilich durch nichts von der heterologen Insemination in vivo: Ist der Eingriff erfolgreich, kommt es in beiden Fällen zur Geburt eines Kindes, das nur von der Wunschmutter, nicht aber vom Wunschvater abstammt. Aus diesem Grund verletzt das Verbot der IVF mit (von dritter Seite) gespendetem Samen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Bundesverfassung (Art. 7 B-VG) ebenso wie das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 14 i. V. m. Art 8 EMRK).Footnote 14 Dieser Auffassung schloss sich nun auch der Gesetzgeber an. Das FMedRÄG 2015 erlaubt die Verwendung von Samen eines Spenders, soweit eine medizinische Indikation gegeben ist, ohne zu unterscheiden, ob dieser Samen für eine künstliche Insemination (in vivo) oder eine IVF Verwendung finden soll.Footnote 15 Es gilt aber der Subsidiaritätsgrundsatz: Eine IVF mit Spendersamen darf nur dann vorgenommen werden, wenn die Wunschmutter nicht empfangen und der Wunschvater aufgrund von impotentia generandi nicht zeugen kann. Bei einem lesbischen Paar ist allein entscheidend, ob die Schwangerschaft nur im Wege einer IVF oder schon durch künstliche Insemination (in vivo) herbeigeführt werden kann.

Dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot wird im FMedRÄG 2015 entsprochen

c) Heterologer Embryotransfer nach Eispende

Im Jahr 1992 hat der Gesetzgeber nicht nur die IVF mit (von dritter Seite) gespendetem Samen, sondern auch den heterologen Embryotransfer nach Eispende verboten. Gegen das Verbot des heterologen Embryotransfers nach Eispende sprechen im Kern die gleichen Argumente wie gegen das Verbot der IVF mit Spendersamen: Wenn es der Gesetzgeber im Fall steriler Männer nicht kategorisch verbietet, auf gespendeten Samen zurückzugreifen, dann führt das (ausnahmslose) Verbot des heterologen Embryotransfers nach Eispende zu einer eklatanten Diskriminierung jener Klasse von Frauen, die auf eine Eispende angewiesen sind, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Das Verbot des heterologen Embryotransfers nach Eispende ist daher – auch aufgrund massiver Kritik der BioethikkommissionFootnote 16 – durch das FMedRÄG 2015 aufgehoben worden.

Eizellen einer Spenderin dürfen allerdings nur dann verwendet werden, wenn die Rezipientin der Eizellen nicht fortpflanzungsfähig ist und bei Beginn der Behandlung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.Footnote 17 Die Spenderin muss eigenberechtigt sein. Nach Vollendung des 30. Lebensjahres dürfen sich Frauen als Eizellenspenderinnen nicht mehr zur Verfügung stellen.Footnote 18

Das Gesetz lässt die Frage offen, ob gespendete Eizellen auch von Frauen stammen dürfen, die selbst Patientinnen des Reproduktionsmediziners sind (sog. „egg-sharing“), oder ob Eizellen, die gespendet werden sollen, nur einer Frau entnommen werden dürfen, die, wie ein Samenspender, gar nicht den Wunsch hat, im Wege der Reproduktionsmedizin ein Kind zu bekommen. Da das FMedRÄG 2015 das „egg-sharing“ nicht verbietet, ist es wohl grundsätzlich erlaubt.

d) Präimplantationsdiagnostik

Nach der Stammfassung des FMedG dürfen Embryonen in vitro nur insoweit untersucht werden, „als dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist.“Footnote 19 Diese Norm wurde als kategorisches Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) interpretiert.Footnote 20 § 2a FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 erlaubt die PID nun in sehr engen Grenzen. Dieses diagnostische Verfahren darf in Österreich von Wunscheltern in Anspruch genommen werden, wenn „auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Elternteils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt“.Footnote 21 Eine „Erbkrankheit des Kindes“ i. S. dieser Gesetzesbestimmung liegt allerdings nur vor, wenn das Kind

  • während der Schwangerschaft oder nach der Geburt so schwer erkrankt, dass es nur durch intensivmedizinische Behandlungen oder sonst durch Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann, die einen hohen medizinischen oder pflegerischen Aufwand erfordern und die Lebensführung des Kindes stark beeinträchtigenFootnote 22 oder

  • schwerste Hirnschädigungen aufweistFootnote 23 oder

  • dauerhaft an nicht behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wirdFootnote 24

und darüber hinaus die Ursache dieser Krankheit nicht behandelt werden kann.

Vergleicht man die Regelung des § 2a Abs. 2 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 mit der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs wegen embryopathischer Indikation, so tun sich Wertungsinkongruenzen auf, deren Legitimität sehr fragwürdig ist. Ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund embryopathischer Indikation darf – bis zur Geburt – vorgenommen werden, wenn „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“ (§ 97 Abs. 1 Ziff. 2 Fall 2 StGB).Footnote 25 Hingegen erfasst die in § 2a Abs. 2 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 verankerte Definition des Begriffs „Erbkrankheit des Kindes“ bei Weitem nicht alle Fälle geistiger oder körperlicher Leiden, die zum Schwangerschaftsabbruch aufgrund embryopathischer Indikation berechtigen. Wunscheltern sind auch völlig frei zu entscheiden, ob sie eine Pränataldiagnose in vivo (PND) zur Feststellung einer embryopathischen Indikation vornehmen lassen wollen. Die Vornahme einer PND ist also nicht erst dann zulässig, wenn auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Wunschelternteiles für die Nachkommenschaft ein hohes Risiko einer Erbkrankheit besteht.

Italien wurde 2012 vom EGMR wegen Verletzung des Art. 8 EMRK verurteilt, weil die PID – bei gleichzeitigem Erlaubtsein der PND und des Schwangerschaftsabbruchs aufgrund embryopathischer Indikation – verboten war.Footnote 26 In casu ging es um die Gefahr, dass ein Kind, dessen Zeugung von den Beschwerdeführern geplant war, an Mukoviszidose erkranken könnte. Die Symptome dieser derzeit nicht heilbaren Stoffwechselstörung treten nicht schon nach der Geburt auf, sondern führen erst im Kindesalter zu körperlichen Beeinträchtigungen, die in ihrer Schwere zwar § 97 Abs. 1 Ziff. 2 Fall 2 StGB, wohl aber nicht § 2a Abs. 2 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 entsprechen. Es ist daher auch nach Verabschiedung des FMedRÄG 2015 mehr als fraglich, ob die unterschiedliche Behandlung von PID und PND i.V.m. der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aufgrund embryopathischer Indikation im Lichte des Art. 8 EMRK gerechtfertigt werden kann.

Verbotsvorschriften, die das FMedRÄG 2015 aufrechterhalten hat

a) Subsidiaritätsprinzip – Reproduktionsmedizinische Eingriffe als Ultima Ratio

Das FMedRÄG 2015 hat am Subsidiaritätsprinzip prinzipiell festgehalten. Künstliche Insemination (in vivo) und IVF dürfen grundsätzlich nur im Fall von medizinischer Indikation durchgeführt werden. Stehen nach dem Stand von medizinischer Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Behandlungen zur Auswahl, darf der Reproduktionsmediziner zunächst nur diejenige anwenden, „die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen.“Footnote 27

Neben der medizinischen Indikation i. e. S. (Zeugungsunfähigkeit des Mannes/Sterilität der Frau)Footnote 28 anerkennt das FMedG eine weitere Indikation für die Befruchtung in der Retorte bzw. die künstliche Insemination in vivo: die Unzumutbarkeit der koitalen Fortpflanzung wegen Bestehens einer „ernsten Gefahr der Übertragung einer schweren Infektionskrankheit“.Footnote 29 Durch diese Regelung, die durch eine Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2004 Anerkennung fand,Footnote 30 wurde es insbesondere HIV-infizierten Wunscheltern, die an sich fortpflanzungsfähig sind, ermöglicht, die Methoden der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch zu nehmen.Footnote 31

Das Subsidiaritätsprinzip wurde im Zuge der Umsetzung des Erkenntnisses des VfGH vom 10.12.2013Footnote 32 zugunsten von lesbischen Paaren mit Kinderwunsch, nicht hingegen zugunsten alleinstehender Frauen durchbrochen.Footnote 33 Eine weitere Durchbrechung erfuhr das Subsidiaritätsprinzip durch die Zulassung der PID.

b) Spenderremuneration, Vermittlung von Keimzellen und entwicklungsfähigen Zellen

Das FMedRÄG 2015 hat das Verbot, den Spender zu remunerieren, präzisiert: Selbst eine Aufwandsentschädigung gilt als verbotene Remuneration, „wenn und soweit [sie] über die nachgewiesenen Barauslagen, die im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung bei der Überlassung von Samen […] getätigt wurden, hinausgeht.“Footnote 34 Das Remunerationsverbot gilt auch für die Eizellspende. Die Kosten der Eizellentnahme und einer allfälligen Nachbehandlung der Spenderin sind vom Remunerationsverbot des § 16 Abs. 1 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 freilich nicht erfasst. Diese Kosten können folglich auf die Rezipientin der Eizelle überwälzt werden.

Neben der Vermittlung von Samen, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen verbietet das FMedG auch die „Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen.“Footnote 35

c) Heterologer Embryotransfer nach „Embryonenspende“

Zwar gestattet der Gesetzgeber die kumulative Anwendung von Eispende und Samenspende, wenn beides medizinisch indiziert ist (paradigmatisch: die Wunschmutter leidet an Gonadendysgenesie, der Wunschvater an impotentia generandi), die „Spende“ eines schon vorhandenen, weil im Zuge einer IVF planwidrig „übriggebliebenen“ Embryos an ein Paar, das mit einem „doppelten Handicap“ zu kämpfen hat, bleibt aber nach wie vor verboten. Die Unterscheidung zwischen einem noch nicht und einem schon vorhandenen Embryo ist freilich alles andere als nachvollziehbar und daher sachlich nicht zu rechtfertigen.Footnote 36 Das Verbot des heterologen Embryotransfer nach „Embryonenspende“ verstößt somit gegen den Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung (Art. 7 B-VG).

d) Das Einfrieren von Ei- und Samenzellen ohne medizinische Indikation

Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen „vorsorglich“ nur dann kryokonserviert werden, wenn „ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.“Footnote 37 Die Kryokonservierung von reproduktiven Zellen ist nach dieser Regelung nur erlaubt, wenn eine medizinische Indikation für die spätere Verwendung dieser Zellen vorliegt; etwa im Fall einer Krebserkrankung, die eine Strahlentherapie notwendig macht. Aus dieser Regelung folgt im Umkehrschluss das Verbot des sog. „social egg freezing“. Darunter versteht man das Einfrieren von Eizellen in jungen Jahren, um diese „jungen“ Eizellen für eine Wunschschwangerschaft in einem späteren Lebensabschnitt zur Verfügung zu haben. Es ist mehr als fragwürdig, ob sich das Verbot des sog. „social egg freezing“ noch als legitimer Eingriff in das von der Verfassung anerkannte Recht, die Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen,Footnote 38 begreifen lässt.Footnote 39 Ebenso fragwürdig ist das Verbot des vorsorglichen Einfrierens von Samenzellen ohne medizinische Indikation.

e) Leihmutterschaft

Aus dem Subsidiaritätsprinzip wird auch das Verbot der sog. Leihmutterschaft abgeleitet: Da Leihmütter fähig sein müssen, eine Schwangerschaft auszutragen, verstößt der Reproduktionsmediziner gegen § 2 Abs. 2 Ziff. 1 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015, wenn er einer Frau einen Embryo überträgt, der aus den Keimzellen der Wunscheltern entstanden ist („full surrogacy“). Dieses Verbot gilt allerdings nur in Österreich. Daher stellt sich die Frage nach dem familienrechtlichen Status von Kindern, die von einem Österreicher und einer Österreicherin abstammen, aber von einer ausländischen Leihmutter im Ausland ausgetragen und geboren worden sind. Müssen die österreichischen Behörden die Entscheidung einer ausländischen Behörde anerkennen, die das von einer ausländischen Leihmutter geborene Kind seinen genetischen Eltern zuweist? Der österreichische VfGH hatte schon vor Verabschiedung des FMedRÄG 2015 entschieden, dass die Leihmutterschaft ungeachtet des im FMedG verankerten Verbots „nicht mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar“ sei und dass ausländische Rechtsakte, die die Wunscheltern als Eltern im Rechtssinn des von einer Leihmutter geborenen Kindes ausweisen, grundsätzlich anerkennungsfähig seien.Footnote 40 Diese – im Einzelnen freilich heftig umstrittene – RechtsauffassungFootnote 41 deckt sich im Kern mit der Rechtsauffassung des deutschen Bundesgerichtshofs.Footnote 42

Einwilligung und Aufklärung der Wunscheltern und Keimzellenspender

a) Der Arzt muss die Wunscheltern spätestens vierzehn Tage vor Behandlungsbeginn „in einer für medizinische Laien verständlichen Sprache“ über diverse mit dem Eingriff verbundene Umstände aufklären und beraten. Der Inhalt dieses Aufklärungs- und Beratungsgesprächs wird vom Gesetzgeber in sieben Punkten sehr genau umrissen. Unter anderem ist der Arzt nunmehr ausdrücklich auch dazu verpflichtet, die Wunscheltern über „die mit dem Eingriff zusammenhängenden Kosten einschließlich zu erwartender Folgekosten“ aufzuklären.Footnote 43 Des Weiteren hat der Arzt sowohl den Wunscheltern als auch den Keimzellenspendern „eine psychologische Beratung oder eine psychotherapeutische Betreuung vorzuschlagen und sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, andere unabhängige Beratungseinrichtungen zu konsultieren.“Footnote 44

Keimzellenspender dürfen ihren Samen bzw. ihre Eizellen nur einer einzigen Krankenanstalt zur Verfügung stellen. Darauf müssen sie von der Krankenanstalt, der sie spenden, besonders hingewiesen werden.Footnote 45 Die Ratio dieser Bestimmung hängt mit § 14 Abs. 2 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 zusammen. Nach § 14 Abs. 2 FMedG i.d.F. FMedRÄG 2015 dürfen Keimzellenspenden für höchstens drei Wunschelternpaare verwendet werden.

b) Die Wunscheltern müssen vor Behandlungsbeginn von einem Notar eingehend über die abstammungsrechtlichen Folgen ihrer Zustimmung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung aufgeklärt werden. Bei verheirateten Wunscheltern gilt diese Regel allerdings nur bei Verwendung gespendeter Samen- oder Eizellen.Footnote 46 Im Kern geht es dabei um Zweierlei: Der Ehemann oder nichteheliche Lebensgefährte der Wunschmutter, der einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit Samen eines Spenders zustimmt, muss darüber aufgeklärt werden, dass er im Fall der Geburt eines Kindes an die Stelle des biologischen Vaters tritt und daher familien- und erbrechtlich so gestellt sein wird, als hätte er das Kind gezeugt.Footnote 47 Und die Wunschmutter, die dem Transfer eines aus einer gespendeten Eizelle gezeugten Embryos zustimmt, muss darüber aufgeklärt werden, dass sie – und nicht die Eizellspenderin – im Fall der Geburt eines Kindes von Rechts wegen die Mutter ist.Footnote 48

c) Diese abstammungsrechtlichen Folgen treten bei Verwendung gespendeten Samens allerdings nur ein, wenn der Wunschvater der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat.Footnote 49 Zum Zeitpunkt der künstlichen Insemination in vivo bzw. des Embryotransfers darf die Zustimmungserklärung der Wunscheltern nicht älter als zwei Jahre sein.Footnote 50 Sie darf von jedem Wunschelternteil bis zur Vornahme der künstlichen Insemination in vivo bzw. des Embryotransfers gegenüber dem Arzt ohne Angabe von Gründen formfrei widerrufen werden.Footnote 51

d) Die Krankenanstalt, die für die Durchführung einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit Spendersamen zugelassen ist, darf den Samen eines Spenders nur verwenden, wenn sich dieser schriftlich (§ 886 ABGB) damit einverstanden erklärt, dass jedem mit seinem Samen gezeugten Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahres auf Verlangen Einsicht in die Spenderdokumentation gewährt und daraus Auskunft erteilt wird.Footnote 52 Hat das Kind entsprechend Auskunft bekommen, kann es mit seinem leiblichen Vater in Kontakt treten. Abstammungsrechtlich bleibt es freilich auch dann, wenn es von diesem Recht Gebrauch macht, jenem Mann zugeordnet, der der Verwendung des gespendeten Samens in Notariatsaktsform zugestimmt hat.

Das soeben Gesagte gilt im Fall des heterologen Embryotransfers nach Eispende entsprechend: Eispenderin und Kind sind rechtlich nicht miteinander verwandt, das Kind hat aber ab Vollendung des 14. Lebensjahres das Recht, in Erfahrung zu bringen, wer seine genetische Mutter ist, und kann nach Erhalt der entsprechenden Information mit ihr in Kontakt treten.

Änderungen im IVF-Fonds-Gesetz 1999

In Österreich trägt der IVF-Fonds 70 % der Kosten der IVF (nicht aber der künstlichen Insemination in vivo), wenn diese in Vertragskrankenanstalten durchgeführt wird und die Behandlung aufgrund von Sterilität der Frau oder des Mannes indiziert ist.Footnote 53 Den Wunscheltern werden 70 % der Kosten von bis zu vier Versuchen ersetzt. Sofern einer dieser Versuche zu einer Schwangerschaft führt, besteht ab diesem Versuch ein Anspruch auf Kostentragung für vier weitere Versuche.Footnote 54 Anspruchsvoraussetzung ist unter anderem, dass zum Zeitpunkt des Beginns einer IVF die Wunschmutter das 40. Lebensjahr und der Wunschvater das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.Footnote 55 Diese Regelung gilt ab Inkrafttreten des FMedRÄG 2015 entsprechend für lesbische Paare mit Kinderwunsch, sofern die Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, an Sterilität leidet. Sie darf das 40., ihre eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.Footnote 56