„Wie gut ist die neue Sex-Pille für Frauen?“ (Bild, 20.08.2015)

Flibanserin ist ein Psychopharmakon, genauer ein 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-Typ-1A(5-HT1A)-Agonist und 5-HT2A-Antagonist. Es wurde von der Firma Boehringer Ingelheim (Deutschland) entwickelt und in drei randomisierten, placebokontrollierten Studien (PK-RCT) bei prämenopausalen Frauen mit Libidoreduktion und daraus resultierendem Leidensdruck [„hypoactive sexual desire disorder“ (HSDD)] untersucht. Nachdem die Eingabe bei der U.S. Food and Drug Administration (FDA) 2009 scheiterte, wurde das Produkt 2011 von Sprout Pharmaceuticals, Inc. (USA) aufgekauft. Einige zusätzliche Studien später wurde Flibanserin im August 2015 im dritten Anlauf von der FDA unter dem Namen Addyi® für die Indikation „acquired, generalized hypoactive sexual desire disorder (HSDD) in premenopausal women“ zugelassen [1].

Studien

Die drei primären 24-wöchigen Zulassungsstudien VIOLET [2], DAISY [3] und BEGONIA [4] wurden bei prämenopausalen Frauen mit HSDD durchgeführt. Studienendpunkte waren die Anzahl befriedigender sexueller Kontakte (elektronisches Tagebuch), Libido [Female Sexual Function Index (FSFI)] und Stressempfinden [Female Sexual Distress Scale-Revised (FSDS-R)]. Flibanserin wurde in verschiedenen Dosierungen (50 und 100 mg/Tag oral; [2, 3]) und nach variierenden Einnahmeschemata [3] gegen Placebo getestet. Alle Studien zeigten in den definierten Endpunkten eine signifikante Überlegenheit von Flibanserin (100 mg/Tag oral).

Die Sicherheit von Flibanserin (50 und 100 mg/Tag oral) wurde in der 52-wöchigen Open-label-Studie SUNFLOWER untersucht [5]. Mehr als 5 % der Teilnehmerinnen gaben unerwünschte Ereignisse an; hierzu zählten Somnolenz (15,8 %), Fatigue (7,6 %), Infekte der oberen Atemwege (7,1 %), Schwindel (6,9 %), Kopfschmerzen (6,6 %) und Übelkeit (6,3 %). Nach Absetzen von Flibanserin traten keine Entzugserscheinungen auf (ROSE-Studie [6]).

Die Wirksamkeit von Flibanserin (100 mg/Tag oral) bei natürlich postmenopausalen Frauen mit HSDD wurde in der 24-wöchigen PK-RCT SNOWDROP untersucht [7]. Die parallele Anwendung einer Hormonersatztherapie wurde gestattet, sofern diese seit mindestens 6 Monaten stabil und nicht wegen HSDD indiziert war. Flibanserin war auch bei postmenopausalen Frauen Placebo in allen (denselben) Endpunkten signifikant überlegen. Es traten 12 schwere unerwünschte Ereignisse ohne Bezug zum Prüfpräparat auf: 2 waren lebensbedrohlich, eines tödlich (Alkoholintoxikation).

Kommentar

Mit Flibanserin (100 mg/Tag oral) wurde zum ersten Mal ein Medikament zur Therapie von prämenopausalen Frauen mit HSDD von einer Zulassungsbehörde zugelassen.

Die Zukunft wird zeigen, wie groß der Markt für diese Indikation tatsächlich ist, ob Frauen bereit sind, langfristig ein Psychopharmakon zur Libidosteigerung einzunehmen und wenn ja wie das Nutzen-Risiko-Profil bei Langzeitanwendung aussieht. Momentan ist Flibanserin in Europa weder für die prä- noch für die postmenopausale Frau zugelassen.