Hormone und Umwelt oder wie sich die hormonelle Situation der Frau und Faktoren der Umgebung gegenseitig beeinflussen – das ist Thema dieser Ausgabe von Gynäkologische Endokrinologie. Es gibt wenige Bereiche, in denen sich so hartnäckig Mythen und Halbwissen halten, wie auf diesem Gebiet. Es sei nur an die Lawine von Presseartikeln erinnert, die durch eine Publikation der Arbeitsgruppe von Niels Skakkebaek ausgelöst wurde. Die Autoren berichteten 1992 im British Medical Journal über die konstante Abnahme der männlichen Fruchtbarkeit in den letzten 50 Jahren. Schnell herrschte die öffentliche Meinung, dass daran Umweltfaktoren im Wesentlichen schuld sein müssten. Die Umwelt als Ursache aller denkbaren hormonellen Störungen finden Sie ständig im Fokus. Wir wollten deshalb in dieser Ausgabe gezielt einigen einzelnen Aspekten nachgehen, wie sich Umwelteinflüsse durchaus auch im weitesten Sinne auf Hormone und Fortpflanzung auswirken.

Dafür haben wir nicht nur Autoren aus unserem eigenen gynäkologischen Fach gewonnen, sondern gehen interdisziplinär weit darüber hinaus. Neben der Gynäkologie haben auch Experten aus Pharmakologie, Toxikologie und internistischer Endokrinologie zu diesem Leitthema beigetragen.

S.Vogl aus der Arbeitsgruppe von Prof. Chahoud am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Berliner Charité beginnt mit einer umfassenden Darstellung endokriner Disruptoren. Darunter verstehen wir Umweltsubstanzen mit einer potenziell hormonellen Aktivität, die das Hormonsystem verändern und die Gesundheit schädigen können, wenn sie in einer wirksamen Dosis vom Körper aufgenommen werden.

Rauchen ist eine der für das Endokrinium schädlichsten Noxen überhaupt

Aber nicht nur von endokrinen Disruptoren gehen Umwelteinflüsse aus. Gerade Rauchen ist eine der für das Endokrinium schädlichsten Noxen überhaupt. A.O. Mueck aus Tübingen erklärt ausführlich, wie Rauchen die Wirkung körpereigener, aber auch zugeführter Östrogene verringert und welche Auswirkungen dies beispielsweise in Hormonmangelsituationen haben kann.

Einem spannenden Aspekt gehen S. Reger-Tan u. D. Führer-Sakel aus Essen nach. Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) gehört mit einer Prävalenz von 6–20 % zu den häufigsten hormonellen Störungen von Frauen im reproduktionsfähigen Alter. Die Autoren zeigen, wie bereits pränatale Faktoren die Entstehung eines PCOS fördern und wie Umweltfaktoren, z. B. Bisphenol A, den Hyperandrogenismus zusätzlich verstärken können.

Wir schließen den Bogen mit einer detaillierten Beschreibung einzelner Stoffe, die das Endokrinium tief greifend belasten und die für die Beratung in der Gynäkologie wichtig sind. R.M. Popovici aus München geht hier u. a. auf Pestizide, Kunststoffe, polyfluorierte Alkylverbindungen, Alkylphenole, Bisphenol A und Phthalate ein.

Unser Wissen zu schädigenden Umwelteinflüssen auf das Endokrinium wächst rasant. Dennoch sind die genauen Langzeitfolgen noch ebenso unklar wie etwa auch die Einflüsse auf die pränatale Entwicklung. Wir hoffen, dass Sie mit der Lektüre der vorliegenden Ausgabe Ihr Hintergrundwissen erweitern können. Dafür haben wir interessante Aspekte des derzeitigen State of the Art zusammengestellt. Auch für die Beantwortung von Patientenfragen und für die Beratung finden Sie hier gut umsetzbare Informationen.

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T. Strowitzki

FormalPara Interessenkonflikt

T. Strowitzki gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.