Die gerade vollzogene Zusammenlegung der klassischen Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie in Österreich stellt insbesondere hinsichtlich der Polytraumaversorgung eine große Herausforderung dar. Daher sollen die Ausbildungs- und Versorgungsstruktur in Österreich in der Vergangenheit und deren Änderung in der nahen Zukunft vorgestellt werden.

Situation der Unfallchirurgie in Österreich in der Vergangenheit

In Österreich wie auch in Ungarn gab es bis in das Jahr 2015 die direkte Ausbildung zum Unfallchirurgen, ohne dass zuvor eine allgemeinchirurgische Basisausbildung durchlaufen werden musste. Das Fach Unfallchirurgie definierte sich von jeher im Selbstverständnis als zuständig für unfallbedingte Läsionen des gesamten Körpers in jedem Lebensalter [1]. Als Mittgründer des Faches Unfallchirurgie kommt hier Lorenz Böhler eine entscheidende gestaltende Funktion zu. Dessen systematische Analyse der Behandlung von Traumapatienten in spezialisierten Einrichtungen ergab eine nachweisliche Kostenreduktion für die Rentenversicherung und führte im Jahr 1925 zur Gründung des ersten Unfallkrankenhauses in Wien. Die Unfallchirurgie in Österreich weist nach wie vor ein breites Spektrum auf und behandelt über die Frakturversorgung hinaus auch Verbrennungspatienten und führt mikrovaskuläre Eingriffe durch. Die Präsenz des Unfallchirurgen in der Allgemeinchirurgie in der Traumaversorgung erklärt sich auch durch nachweisbare Erfolge anhand systematischer Nachuntersuchungen [2].

Die Ausbildungsordnung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trug dem insofern Rechnung, als dass neben einer 3‑jährigen Basisausbildung im Fach Unfallchirurgie auch eine 24-monatige Rotation in der Viszeralchirurgie vorgesehen war. Dementsprechend wurde in der Organisationsstruktur der unfallchirurgischen Kliniken von wenigen dienstführenden Oberärzten eine Versorgungskompetenz für alle Aspekte des Traumas erwartet. Im Unfallkrankenhaus Linz wurden über 8 Jahre (1992–1999) 29.164 operative Eingriffe durchgeführt: 150 dieser Eingriffe waren abdominalchirurgischer Art. Dies entspricht einer Quote von 1 % aller Eingriffe und ergibt im Mittel 18,5 Eingriffe pro Jahr. Bei genauer Betrachtung fällt jedoch auf, dass entgegen dem allgemeinen Selbstverständnis bereits ab 1996 zunehmend hausexterne Viszeralchirurgen zur Versorgung hinzugezogen wurden.

Im Zuge der weiteren Spezialisierung aller operativen Fächer wurde in Österreich die Ausbildungsordnung geändert. Im Wesentlichen wurde die Gegenfachausbildung in der Allgemeinchirurgie auf 15 Monate reduziert und das Fach Neurochirurgie für 6 Monate eingeführt. In Österreich wurde 2012 ein Strukturplan Gesundheit erstellt, der die Organisation der Kliniken in lokale und überregionale Traumanetzwerke gliedert. In diesem Rahmen führte die Österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie eine Umfrage zur Versorgung des abdominellen Traumas in der Unfallchirurgie durch. Diese ergab zusammenfassend einen interdisziplinären Versorgungsansatz. Unfallchirurg, Viszeralchirurg und Anästhesist sind in fast allen Häusern im Schockraum anwesend.

Situation der Unfallchirurgie in Österreich in der Zukunft

Die österreichischen Gesellschaften für Unfallchirurgie und Orthopädie beschlossen im Jahr 2015 eine Zusammenlegung der Fächer in einer gemeinsamen Facharztausbildung. Nach dem Studium wurde darüber hinaus eine 9‑monatige Common-trunk-Ausbildung zum Erreichen der Approbation eingeführt. Diese kann auf die Ausbildungszeit für den neuen Orthopäden und Unfallchirurgen angerechnet werden. Die spezielle Fachausbildung erfolgt über jeweils 32 Monate in den Gebieten der klassischen Orthopädie und Unfallchirurgie. Die ehemals vorhandene breite Kompetenz der Allgemeinchirurgie in der Unfallchirurgie hat sich über die Jahre langsam und deutlich verringert. Die Strukturänderungen der jüngsten Vergangenheit werden dies noch beschleunigen und für die Zukunft festschreiben.