Ganzkörpercomputertomographie beim Schwerverletzten

Die Ganzkörper-CT („Polytrauma-CT“) stellt heute in Deutschland in der Diagnostik des schwerstverletzten Schockraumpatienten den Goldstandard dar. Die Schockraumzeiten konnten durch die Abschaffung der langwierigen konventionellen Röntgendiagnostik nachhaltig verkürzt werden [15, 21, 26]. Eine verbesserte Überlebensrate für Schwerstverletzte, die eine Diagnostik mit Ganzkörper-CT erhalten haben, konnte nachgewiesen werden [16, 17]. Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung zeigt Empfehlungen für die CT-Diagnostik bestimmter Körperregionen mit den beiden höchsten Empfehlungsgraden [9]. Und nicht zuletzt wird in der 2. Auflage des Weißbuchs der Schwerverletztenversorgung die CT als zentrale diagnostische Säule bereits ab der Stufe des lokalen TraumaZentrums DGU als unbedingt erforderlich angesehen [10].

Hat aber der Goldstandard selbst einen Goldstandard?

Wann sollte/muss die Polytrauma-CT durchgeführt werden, welche Indikationsrichtlinien existieren?

Inwieweit ist die Durchführung der Polytrauma-CT (Lagerung und radiologisches Protokoll) in Deutschland standardisiert? Können Verbesserungspotenziale gefunden werden?

Technischer Standard

Bis Ende der 1990er-Jahre waren CT-Scanner nur als 1‑ oder maximal 2‑Zeiler verfügbar. Aufgrund der hiermit maximal möglichen Scanstrecke und der Zeitdauer für den Scan war im Falle eines Schwer- oder Schwerstverletzten eine Abklärung z. B. des gesamten Körperstammes nicht möglich. Dies änderte sich mit der Einführung der 4‑Zeilen-Scanner und insbesondere Anfang der 2000er-Jahre, als 16-Zeiler erhältlich wurden. Mit 4‑Zeilen-Scannern ist wohl eine längere Scanstrecke möglich, Rekonstruktionen in sagittaler und koronarer Ebene zeigen aber – nach Meinung der Autoren – eine hohe Artefaktdichte bzw. eine diagnostisch beeinträchtigende Fehlerquote in den Berechnungen, sodass erst ab einem 16-Zeilen-Scanner eine Bildgebung mit guter diagnostischer Sicherheit in den Rekonstruktionen erreicht wird. Dies bezieht sich nicht nur auf den Ganzkörperscan, sondern auch auf Scans von Körperabschnitten. Insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und hier des Dens axis können bei CT-Scannern unterhalb von 16 Zeilen in den Rekonstruktionen Bilder entstehen, die eine Verletzung vermuten lassen könnten, die sich in einem höherzeiligen CT-Scanner nicht mehr nachvollziehen lassen.

Dementsprechend sollte die 16-Zeilen-CT den Minimalstandard für die Diagnostik darstellen, nicht nur für die Polytrauma-CT, sondern auch für Rekonstruktionen nach Scans einzelner Körperabschnitte, insbesondere bei Bildgebungen der HWS.

Die technische Entwicklung über 32-, 64-, 128-Zeiler bis hin zu 256-Zeilern schritt seit Beginn der 2000er-Jahre voran. Der wesentliche Vorteil potenterer Scanner ist die Zeitdauer des Scans und der damit verbundenen Minimierung von Bewegungsartefakten. Insbesondere im Bereich der Aorta ascendens fanden sich mit einem 16-Zeiler in der Klinik der Autoren Pulsationsartefakte, die nicht gesichert von einer Typ-A-Dissektion der Aorta zu unterscheiden waren und weiteren Untersuchungen zugeführt werden mussten – von EKG-getriggerten CT [13, 18] über (seltene) transthorakale Echokardiographien bis hin zu (sehr seltenen) transösophagealen Echokardiographien. Eine traumatische Typ-A-Dissektion zeigte sich nach Abschluss der Diagnostik in keinem der Fälle.

Mit dem den Autoren aktuell zur Verfügung stehenden 256-Zeilen-CT-Scanner zeigen sich deutlich geringere Pulsationsartefakte, die als ebensolche auch erkannt werden. EKG-getriggerte Scans mussten bisher bei diesem Scanner nicht mehr durchgeführt werden.

Indikation zur Polytraumacomputertomographie

Definitive Indikationen zur Polytrauma-CT existieren nur teilweise. Konsens sollte es beim intubierten Patienten nach adäquatem Trauma geben.

Ist es möglich, die Indikation zur Polytrauma-CT weiter zu schärfen? Gut definiert ist die Aufnahme eines Patienten über den Schockraum.

Indikation zur Schockraumaufnahme

Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung gibt klare Empfehlungen für eine Aufnahme eines Patienten über den Schockraum, die sich im Weißbuch Schwerverletztenversorgung wiederfinden [9, 10]: Störungen der Vitalparameter/offensichtliche Verletzungen (GoR [Grade of Recommendation] A), Unfallmechanismus/-konstellation (GoR B):

  • Störungen der Vitalparameter (GoR A):

    RR < 90, GCS (Glasgow Coma Scale) < 9, Atemstörung/Intubationspflicht;

  • Verletzungsmuster (GoR A):

    penetrierende oder Schussverletzungen an Rumpf oder Hals, Fraktur von >2 proximalen Knochen, instabiler Thorax, Beckenfrakturen, Amputation proximal Hände/Füße, Querschnitt, offenes Schädel-Hirn-Trauma (SHT), Verbrennung >20 % Körperoberfläche (KOF) ≥ Grad 2 b;

  • Unfallmechanismus (GoR B):

    Sturz >3 m Höhe, Verkehrsunfall mit Frontalaufprall mit Intrusion von mehr als 50–75 cm, Geschwindigkeitsänderung mit einem Delta >30 km/h, Fußgänger-/Zweiradkollision, Tod eines Insassen, Ejektion eines Insassen.

    Nach Meinung der Autoren entbehren die S3-Leitlinien und dementsprechend das Weißbuch noch mehrerer essenzieller Schockraumaufnahmeindikationen, auch wenn diese in der Literatur keine Level-1- oder Level-2-Evidenz aufgrund des geringen Vorkommens zeigen:

    • Großtierunfall: Der Tritt eines Pferdes, einer Kuh oder eines anderen Großtieres in den Bereich des Thorax, des Abdomens oder des Schädels indiziert eine Schockraumaufnahme auch bei Normalität des GCS und der Vitalparameter. Großtierunfälle führen immer wieder zu schwersten Verletzungen und zum Tode [6]. Im eigenen Haus – einem Überregionalen TraumaZentrum in einem ländlich geprägten Gebiet – wurde der Großtierunfall in die Schockraumindikationen aufgenommen [12].

    • Intrusion der Fahrgastzelle: In Studien der Verkehrsunfallforschung konnte nachgewiesen werden, dass neben der Geschwindigkeitsänderung im Unfallgeschehen (Delta V) insbesondere die Intrusion der Fahrgastzelle eine Verletzung impliziert. Bei mehr als 70 % aller schwerverletzten PKW-Insassen (MAIS ≥ 3) zeigte sich eine Intrusion der Fahrgastzelle [27].

    • Crush-Syndrom: Überrolltrauma, Verschüttungstrauma, Explosionstrauma – auch in diesen Fällen erscheint eine Schockraumaufnahme sinnvoll, um die Verletzungsschwere im Schockraum definitiv zu evaluieren und nicht durch eine Untertriage wertvolle Zeit zu verlieren.

Die S3-Leitlinie gibt weiter Empfehlungen zur CT-Diagnostik einzelner Körperregionen [9]:

  • 80. Eine Spiral-CT des Thorax mit Kontrastmittel (KT) sollte bei jedem Patienten mit klinischen bzw. anamnestischen Hinweisen auf ein schweres Thoraxtrauma durchgeführt werden. (GoR B)

  • 97. Die Mehrschicht-Spiral-CT (MSCT) hat eine hohe Sensitivität und die höchste Spezifität im Erkennen intraabomineller Verletzungen und soll deshalb nach Abdominaltrauma durchgeführt werden. (GoR A)

  • 103. Beim Polytrauma mit Verdacht auf Schädel-Hirn-Verletzung soll eine kraniale Computertomographie (CCT) durchgeführt werden. (GoR A)

  • 110. Im Rahmen der Diagnostik sollen eine Beckenübersichtsaufnahme und/oder eine CT durchgeführt werden. (GoR A)

  • 124. Für die Schockraumdiagnostik sollte bei Kreislaufstabilität je nach Ausstattung der aufnehmenden Klinik die Wirbelsäule abgeklärt werden: Vorzugsweise durch Multislice-Spiral-CT von Kopf bis Becken oder ersatzweise durch konventionelle Röntgendiagnostik der gesamten Wirbelsäule (a.p. und seitlich, Densziel). (GoR B)

  • 128. Bei sicheren oder unsicheren Frakturzeichen sollten Extremitätenbefunde in Abhängigkeit vom, Zustand des Patienten durch ein geeignetes radiologisches Verfahren (natives Röntgen in 2 Ebenen oder CT) abgeklärt werden. (GoR B)

  • 134. In Abhängigkeit vom Befund und Zustand des Patienten sollte eine konventionelle arterielle, digitale Subtraktionsangiographie (DSA), eine Duplexsonographie oder eine Angio-CT (CTA), durchgeführt werden. (GoR B)

Wenzl et al. [25] formulierten 2010 Indikationen zur Multislice-CT:

  • Hochrasanztrauma ggf. mit Einklemmung im Fahrzeug,

  • Sturz aus großer Höhe,

  • initiale Bewusstlosigkeit mit Intubationsflicht,

  • Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung mit neurologischen Ausfällen,

  • Schädel-Hirn-Trauma Grad II und höher,

  • Verdacht auf schweres Thorax-, Abdominal- oder Beckentrauma,

  • multiple Frakturen langer Röhrenknochen mit zusätzlicher Körperstammverletzung,

  • Kreislaufinstabilität.

Davies et al. [8] publizierten 2016 das „Manchester Trauma Imaging Protocol“, einen ausführlichen Algorithmus mit Scoringsystem für die Indikation zur Polytrauma-CT, der auf der Basis von 255 Patienten entwickelt wurde. Die Praktikabilität dieses Algorithmus in der Schockraumsituation muss sich noch erweisen.

Schlussfolgerung – Indikation zur Polytraumacomputertomographie

Sicher ist die Indikation zur Schockraumaufnahme nicht immer gleichbedeutend mit der Indikation zur Polytrauma-CT. Während bei den Empfehlungen der GoR A (Störungen der Vitalparameter und Verletzungsmuster) eine Polytrauma-CT indiziert erscheint, ist die Indikation beim stabilen, wachen Patienten, der aufgrund des Verletzungsmechanismus (GoR B) über den Schockraum aufgenommen wird, nicht geklärt. Die Indikationsstellung obliegt letztlich dem Schockraumteam. Hilfreich könnten die Arbeiten von Wenzl et al. [25] und insbesondere Davies et al. [8] sein. Beim stabilen und wachen Kind sollte eine sehr enge Indikationsstellung zur Ganzkörper-CT vorgenommen werden.

Pro und Kontra Polytraumacomputertomographie

Kontra

Die Strahlenexposition des Patienten durch den Ganzkörperscan ist nicht zu vernachlässigen. In der Studie von Davies et al. [8] betrug die mittlere Dosis 31 mSv. Verwendet wurden ein 16-Zeiler und ein 128-Zeiler, die sich in der Strahlenbelastung nicht signifikant unterschieden. Neuere Geräte und neuere Protokolle sollen die Strahlenbelastung deutlich senken können. Das Risiko für eine maligne Erkrankung durch die Strahlenexposition geben Davies et al. [8] im Mittel mit 1:683 an. In einem ähnlichen Rahmen bewegen sich Smith-Bindman et al. [23].

Pro

Andererseits weisen Huber-Wagner et al. [17] anhand des TraumaRegisters DGU nach, dass Schockraumpatienten einen signifikanten Überlebensvorteil haben, wenn diese eine Ganzkörper-CT erhalten. Darüber hinaus weist die Arbeitsgruppe in einer zweiten Veröffentlichung nach, dass die CT auch beim hämodynamisch instabilen Patienten einen Überlebensvorteil bietet [16]. Die „number needed to scan“ – die Anzahl von CTs, die durchgeführt werden müssen, um ein Leben statistisch zu retten – wird in der Arbeit im Mittel mit 35 Ganzkörper-CTs angegeben (bei instabilen Patienten 25 Scans, bei stabilen Patienten 53 Scans).

Auch wenn die Publikationen nicht direkt verglichen werden können, scheint der Nutzen durch die Polytrauma-CT höher als der Schaden.

Standard der Polytraumacomputertomographie

Wie bereits im Abschnitt technischer Standard beschrieben, existieren in Deutschland die unterschiedlichsten CT-Scanner unterschiedlichster Firmen und unterschiedlichster Zeilendichte. Darüber hinaus gibt es keine Festlegung auf ein bestimmtes Protokoll zur Durchführung der Ganzkörper-CT.

Lagerung des Patienten

Die häufigste Lagerung dürfte jene mit dem Kopf voran sein, da zunächst die CCT gefahren und hierauf der Stamm untersucht wird. Da die Arme des Patienten Artefakte verursachen, ist es beim CCT üblich, die Arme im Bereich des Stammes zu lagern. Bei der Untersuchung von Thorax und Abdomen werden teilweise die Arme vor der Kontrastmittelgabe über den Kopf umgelagert, um die Artefakte zu minimieren. Andererseits ist es möglich, die Arme neben dem Körper, überkreuzt vor Thorax/Abdomen oder aber gestreckt längs auf Thorax/Abdomen zu legen.

Durchführung der Computertomographie

Bei allen Scan-Varianten erfolgt zunächst die Durchführung einer nativen CCT zum Blutungsausschluss im Gehirn. Bei Scannern mit geringerer Zeilenanzahl ist die Gantry kippbar, was teilweise bei der nativen CCT durchgeführt wird.

Bei einer Protokollvariante wird nun direkt nativ die Halswirbelsäule mit erfasst, hierauf werden die Arme über den Kopf gelagert, das Kontrastmittel gegeben, und sodann werden Thorax und Abdomen/Becken mit Kontrastmittel (KM) dargestellt. Bei einer anderen Protokollvariante werden die Arme nicht umgelagert. Nach der nativen CCT wird das KM gegeben, und der Scan erfolgt entweder nochmals vom Schädel oder vom Circulus Willisii bis zum Becken.

Die Darstellung des Stammes erfolgt entweder in einem Scan oder aber mit einem „overlapping protocol“, bei dem zunächst der Thorax bis zur Leber, sodann Abdomen/Becken mit jeweils einem Scan dargestellt werden.

Auch bei den Kontrastmittelphasen bestehen verschiedenste Varianten: arteriell, spätarteriell, portalvenös, frühvenös, venös oder auch „Split Bolus“.

Beenen et al. [2] untersuchten die Bildqualität der verschiedenen KM-Gaben. Bei der Arbeit wurden bei den 3 untersuchten Gruppen (portalvenöse, spätarterielle und Split-Bolus-Variante) auch verschiedene Lagerungstechniken und Scanstrecken (2-mal ohne KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße, 1‑mal mit KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße) genutzt, sodass die Ergebnisse alleine durch die verschiedenen Lagerungen und Scanstrecken nicht direkt vergleichbar sind. Letztlich zeigt sich eine mehr als diagnostisch ausreichende Bildqualität in der spätarteriellen Gruppe mit KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße.

Die im Anschluss an die CT durchgeführten Rekonstruktionen sind ebenso von Haus zu Haus verschieden. Allen gemein ist eine sagittale Rekonstruktion der Wirbelsäule.

Schnittmenge der Polytraumacomputertomographie-Durchführung

Bei aller Unterschiedlichkeit sind in allen Varianten gleich:

  • natives CCT,

  • Darstellung der knöchernen Halswirbelsäule,

  • KM-Darstellung von Thorax, Abdomen und Becken.

Darstellung der hirnversorgenden Gefäße mit Kontrastmittel?

Der größte Unterschied bezieht sich dementsprechend auf die Darstellung der hirnversorgenden Gefäße mit KM. Wird eine CT mit nativer HWS gefahren, kann keine Aussage über diese getroffen werden.

In der Regel wird bei der nicht standardmäßigen Abklärung der Halsgefäße bei Verdacht auf eine Verletzung eine weitere Untersuchung durchgeführt. Hierbei konnte gezeigt werde, dass die CT-Angiographie eine ausreichende diagnostische Sicherheit bereits beim 16-Zeiler im Vergleich zur DSA bietet [24].

Der Verdacht auf eine Verletzung der Halsgefäße besteht primär bei einer Verletzung der HWS und bei Schädelbasisfrakturen, die den Canalis caroticus erreichen [7]. In der Literatur findet sich darüber hinaus ein Crescendo der Tracerdiagnosen für das Screening nach Verletzungen der hirnversorgenden Gefäße [3, 11, 20], dessen aktueller Höhepunkt eine Arbeit von Burlew [5] aus dem Jahr 2012 darstellen dürfte. Laut Burlew ist eine CTA der hirnversorgenden Gefäße indiziert bei:

Zeichen/Symptomen einer stumpfen Verletzung der hirnversorgenden Gefäße:

  • arterielle Blutung aus Hals/Nase Mund,

  • Systolikum am Hals bei Patienten <50 Jahre,

  • sich vergrößerndes Hämatom am Hals,

  • fokale Neurologie: TIA (Transitorische ischämische Attacke), Hemiparese, Vertebrobasilaris-Symptome, Horner-Syndrom,

  • neurologische Symptome ohne Erklärung durch CCT, Insult in der vorhergehenden Bildgebung;

Risikofaktoren für eine stumpfe Verletzung der hirnversorgenden Gefäße:

  • Hochrasanztrauma mit

    • Mittelgesichtsfraktur LeFort II oder III,

    • Mandibulafraktur,

  • komplexe Kalottenfraktur/Schädelbasisfraktur/Fraktur der okzipitalen Kondyle,

  • GCS < 6 (schweres SHT mit Verdacht auf diffuses axonales Trauma),

  • HWS-Verletzungen:

    • jegliche Fraktur an C1–C3,

    • alle Luxationsfrakturen,

    • jegliche Wirbelkörperfraktur,

  • Nahezuerhängen mit hypoxischem Hirnschaden,

  • Gurt- oder Prellmarke am Hals mit signifikanter Schwellung, Schmerz oder wechselnder Vigilanz,

  • SHT vergesellschaftet mit Thoraxtrauma,

  • Skalpierungsverletzung,

  • Verletzungen der thorakalen Gefäße,

  • stumpfe Herzwandruptur.

Inzidenz der Verletzungen der hirnversorgenden Gefäße

Die Inzidenz der Verletzung der hirnversorgenden Gefäße bei Traumapatienten scheint eine Rarität zu sein, betrachtet man Lehrbücher wie „Das Polytrauma“ von H.J. Oestern [22] oder die S3-Leitlinie oder das Weißbuch. Dies steht im Einklang mit der Literatur [3, 19, 20]. Eine Metaanalyse von Franz et al. [14] aus dem Jahr 2012 bestätigt die Einzelergebnisse. Die Inzidenz der angeführten Studien von Franz reicht von 0,18 % bis maximal 2,7 %.

Lediglich eine Studie von Borisch et al. [4] aus dem Jahr 2007 zeigte eine Inzidenz von 4,6 % in einer Analyse von Polytrauma-CT-Scans durch Radiologen. Die Studie wurde mit einem 16-Zeiler durchgeführt in einem Setting, bei dem bei allen Polytrauma-CTs standardmäßig die hirnversorgenden Gefäße abgebildet werden.

Inzidenz der Carotisdissektion beim schwerstverletzten Patienten (ISS ≥ 16) mit standardmäßiger Kontrastmitteldarstellung der hirnversorgenden Gefäße

Trotz der Fülle der Publikationen wurde bisher nicht untersucht, wie hoch die Inzidenz der Dissektionen der hirnversorgenden Gefäße bei schwerstverletzten Patienten mit einem ISS ≥ 16 bei standardmäßiger Kontrastmitteldarstellung derselbigen ist. In unserem Haus wurde diese Fragestellung im Rahmen einer Dissertation anhand der eigenen TraumaRegister-Daten erörtert [1]:

Material und Methoden

Es wurden monozentrische Auswertungen der Patienten am Universitätsklinikum Regensburg über den Zeitraum 01.09.2007 bis 31.12.2010 vorgenommen. Einschlusskriterium war ISS ≥ 16. Der Polytraumascan erfolgte bei allen Patienten mit standardmäßiger KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße. Als CT-Scanner kam in diesem Zeitraum ein 16-Zeiler zum Einsatz (Siemens SOMATOM Sensation).

Ergebnisse

In die Studie wurden 396 Patienten mit einem durchschnittlichen ISS von 32,6 (SD 13,8) und einem Durchschnittsalter von 38,8 Jahren (SD 20,7) eingeschlossen. Der Anteil der männlichen Patienten betrug 71,5 %.

In dieser Population fanden sich 26 Patienten mit Carotisdissektion, was einer Inzidenz von 6,6 % entsprach. Betrachtet man nur Patienten mit einem ISS ≥ 25, betrug die Inzidenz 9,1 %. Drei der 26 Patienten wiesen eine beidseitige Carotisdissektion auf. Vertebralisdissektionen fanden sich bei 1,5 % der Patienten (n = 6), von denen 4 mit einer Carotisdissektion vergesellschaftet waren.

Bei 60 % der Patienten mit Carotisdissektion (n = 16) wurde der ISS nicht durch diese Verletzung beeinflusst.

Der absolute Altersgipfel der Patienten mit Carotisdissektion (20 Jahre) entsprach dem Altersgipfel der eingeschlossenen Patienten. Bei einer Betrachtung nach Altersgruppen zeigte sich der Gipfel in der Gruppe der 26- bis 35-Jährigen (Tab. 1):

Tab. 1 Carotisdissektionen nach Altersgruppen

Im Geschlechtervergleich fanden sich unter den männlichen Schwerstverletzten 7,1 %, unter den weiblichen 6,4 % Carotisdissektionen. Die Häufigkeit der Carotisdissektionen bei Patienten mit ISS ≥ 16 nach Unfallart zeigt ein Maximum bei den schwerstverletzten Motorradfahrern mit einer Inzidenz von 10,0 % (Tab. 2):

Tab. 2 Carotisdissektionen nach Unfallart

Begleitverletzungen und Screening

Keine HWS-Verletzung zeigten 69 % der Patienten mit Carotisdissektionen (Tab. 3).

Tab. 3 Begleitverletzungen der 26 Patienten mit Carotisdissektionen

Nach den gängigen Screeningkriterien wären 53,8 % der Carotisdissektionen nicht erfasst worden.

Zusammenfassung

  • Die Inzidenz der Carotisdissektion bei Schwerstverletzten (ISS ≥ 16) lag in der eigenen Beobachtung (ISS ≥ 16) deutlich höher, als derzeit aus der Literatur ersichtlich.

  • Die Screeningkriterien – insbesondere das Kriterium HWS-Verletzung – zeigten keine ausreichende Sensitivität.

  • Eine Überprüfung der dargestellten Zahlen an einem größeren, statistisch belastbareren Patientenkollektiv ist notwendig.

  • Eine multizentrische Studie wird derzeit in Deutschland durchgeführt.

Schlussfolgerung – Kontrastmitteldarstellung der hirnversorgenden Gefäße beim Schwerstverletzten

Borisch et al. [4] zeigten 2007, dass eine standardmäßige KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße bereits mit einem 16-Zeiler einfach möglich ist. Im Jahr 2008 bestätigen Langner et al. [19] die Einfachheit der Durchführung ebenfalls mit einem 16-Zeiler. Die Arbeitsgruppe um Langner geht noch einen Schritt weiter und fragt: „Do we need an extra screening examination?“ – und beantwortet dies mit einem klaren „Nein“. Die Darstellung der hirnversorgenden Gefäße sollte laut Langner in der Standard-Ganzkörper-CT des Schwerstverletzten inkludiert sein.

In Zusammenschau mit den dargelegten Inzidenzdaten der Carotisdissektion beim Schwerstverletzten (ISS ≥ 16) ist daher nach Meinung der Autoren die standardmäßige Kontrastmitteldarstellung der hirnversorgenden Gefäße nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

Fazit für die Praxis

Nach Meinung der Autoren sollte eine Ganzkörper-CT im Rahmen der Schockraumdiagnostik („Polytrauma-CT“) folgende Punkte berücksichtigen:

  • Minimum 16-Zeilen CT-Scanner,

  • Lagerung der Arme diagonal über den Torso,

  • CCT nativ,

  • KM-Gabe,

  • Ganzkörper-CT mit KM-Darstellung der hirnversorgenden Gefäße (gesamter Schädel oder ab Circulus Willisii) bis zu den Trochanteren – bei Verdacht auf Verletzungen der unteren Extremitäten und der Möglichkeit einer längeren Scanstrecke Scan bis zur vollständigen Erfassung der Verletzungen.