Die Häufigkeit, eine vordere Kreuzbandruptur im professionellen Fußball zu erleiden, ist mit 0,34-mal pro 1000 h Wettkampfsport und 0,017 pro 1000 h Training im Fußballsport beschrieben [1]. Auch wenn es somit eine sehr viel seltenere Verletzung als z. B. eine Muskelverletzung ist (1,2/1000 Trainingsstunden und 4,77/1000 Wettkampfstunden) [2], so sind die Behandlungs- und Entschädigungskosten im bezahlten Sport erheblich größer und machen etwa 25 % aller Entschädigungsleistungen aus [3].

Kreuzbandrupturen sind darüber hinaus mit hohen Gefahren von Folgeverletzungen sowie kontralateralen Rupturen oder Rerupturen assoziiert. Die Häufigkeiten werden mit bis zu 49 % beschrieben [4].

Die bisherige ärztliche Empfehlung, den Sport nach abgeschlossener Rehabilitation wieder aufzunehmen, erfolgte primär anhand von zeitlichen Vorgaben, Stabilitätsprüfungen oder durch bildgebende Verfahren [5]. Im Rahmen dieser Studie wurden verschiedene funktionelle Tests zusammengestellt, die diverse Anforderungen an einen Sportler repräsentieren sollen und so seine Leistungsfähigkeit objektiviert darstellen. Verbliebene Defizite im Vergleich zur nicht verletzten Körperhälfte oder der Leistungsfähigkeit eines Vergleichskollektives wurden so identifiziert.

Eingangskriterium zur Teilnahme an der Untersuchung war die Absicht des Sportlers, wieder Wettkampfsport zu betreiben, sowie ein initial durchgeführter negativer Pivot-Shift-Test, ein negativer Lachmann-Test und eine KT-1000-Messung mit einer Größendifferenz von unter 5 mm im Seitenvergleich.

Die Untersuchung bestand aus einer Abfolge von leistungsphysiologischen Tests, die in nachstehender Reihenfolge durchgeführt wurden:

  1. 1.

    Functional Movement Screen – qualitative Beurteilung von 7 funktionellen Übungen zur Beurteilung von Kraft, Koordinationsfähigkeit und Stabilität der oberen und unteren Extremität und des Rumpfes;

  2. 2.

    Sprungtests im nicht ermüdeten Zustand – uni- und bilaterale Drop-Jumps, Counter-Movement-Jumps, Tapping-Tests und Single-Leg-Hop-For-Distance-Jumps auf der Kraftmessplatte;

  3. 3.

    Antrittsprints – Messung der Antrittsgeschwindigkeit und der Schrittlänge rechts und links durch einen geradlinigen Beschleunigungslauf;

  4. 4.

    Agilitätstests – Modified-Agility-T-Test als quantitativer Test sowie qualitative Beurteilung der Entschleunigungsbewegung;

  5. 5.

    Bewegungsqualitätstests – Beurteilung von Drop-Jumps und Sprüngen über ein modifiziertes Landing-Error-Scoring-System und Qualitätsbeurteilungen bei der Durchführung der einbeinigen Kniebeuge;

  6. 6.

    isometrische Messung – Maximalkraftmessung bei 90° Hüft- und Kniegelenkbeugung;

  7. 7.

    isokinetische Messung – Maximalkraftmessung beider unterer Extremitäten.

Nach erfolgter Ermüdungsprovokation durch einen spirometrisch kontrollierten Rampentest auf dem Laufband erfolgte die Wiederholung der eingangs durchgeführten Sprungtests:

  1. 8.

    Spiroergometrie – Rampentest auf dem Laufband bis zur erreichten Erschöpfung;

  2. 9.

    Sprungtests im ermüdeten Zustand – uni- und bilaterale Drop-Jumps, Counter-Movement-Jumps, Tapping-Tests und Single-Leg-Hop-For-Distance-Jumps auf der Kraftmessplatte.

Außerdem erfolgte durch Aushändigung des Tampa Scale for Kinesiophobia (TAP) die standardisierte Befragung der Probanden nach verbliebenen Ängsten vor der Wiederaufnahme des Sportes und einer erneuten Verletzung.

Sportler, die noch verbliebene Defizite in den Tests zeigten, erhielten Trainingsprogramme mit spezifischen Übungen zur Verbesserung dieser Leistung. Nach einem vom Untersucher bestimmten Zeitabstand erfolgte dann die Retestung.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 86 Probanden (49 Männer und 37 Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 22,5 ± 2,1 Jahren an der Untersuchung teil. Die teilnehmenden Männer waren in absteigender Reihenfolge Fußballer, Handballer oder Hockeyspieler, die Frauen Handballerinnen, Basketballerinnen oder Skifahrerinnen. Die Testung erfolgte im Durchschnitt 193 Tage nach erfolgter Kreuzbandersatzplastik (entsprechend 6,5 ± 1,44 Monaten bei einer Varianz von 3 bis 12 Monaten).

Eine Return-to-Competition-Empfehlung wurde nach 6 Monaten lediglich bei 17,4 % (n = 15) der Probanden ausgesprochen. Es wurden geringe Unterschiede hinsichtlich der genutzten Transplantate sowie des Geschlechtes der Probanden beobachtet, aufgrund der geringen Fallzahl allerdings nicht weiter betrachtet.

Neun Monate nach Ersatzplastik erfolgte die Empfehlung bereits bei 45,3 % (n = 39) der Probanden, und nach 1 Jahr mit Abschluss der Untersuchung waren es 58,1 % (n = 50) der Probanden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Entwicklung der Return-to-Competition-Empfehlungen im Studienzeitraum in Prozent

Die größten Defizite wurden bei der Durchführung von Sprungtests auf der Kraftmessplatte festgestellt. Diese Defizite waren damit der häufigste Grund zunächst keine Return-to-Competition-Empfehlung auszusprechen (n = 39). Die Defizite lagen insbesondere in zu geringen Reaktivkraftindizes, der Kumulation aus Bodenkontaktzeit und Sprunghöhe bei Drop-Jumps-Tests (Abb. 2). In vielen Fällen war die Bewegungsqualität bei einbeiniger Landung eines Drop-Jump-Sprunges oder eines Single-Hop-For-Distance-Sprunges beeinträchtigt. Diese mangelnde Bewegungsqualität war auf zu große Hüftbeuge- und Kniegelenkbeugewinkel oder zu stark valgisierende Kniegelenke in der Landephase zurückzuführen.

Abb. 2
figure 2

Messung der Reaktivkraftindizes auf der Kraftmessplatte bei ungenügender Leistungsfähigkeit (a max. Power 10,91 W/kg) und guter Leistungsfähigkeit (b max. Power 21,09 W/kg)

Unzureichende Ergebnisse beim Functional Movement Screen (Grenzwert = 14 Punkte), bei der spiroergometrischen Untersuchung oder bei der Befragung den Tampa Scale of Kinesiophobia (Grenzwert = 37 Punkte) lagen nicht vor. Alle anderen Tests waren einzeln oder in der Kombination Grund, die Return-to-Competition-Empfehlung nicht auszusprechen.

Defizite bei den Sprungtests waren in zwei Dritteln der Fälle mit nicht ausreichender Bewegungsqualität bei einbeinigen Kniebeugen assoziiert (n = 23). Entweder konnte keine sichere 90°-Beugung im Kniegelenk erreicht werden, oder es ergaben sich Abweichung auf Knie-, Hüft oder Schulterebene (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Einbeinige Kniebeuge mit Valgusabweichung in der Kniegelenkebene

Alle Probanden nahmen nach erteilter Return-to-Competition-Empfehlung wieder regelmäßig an ihrem Wettkampfsport teil. Sie wurden nach der Kreuzbandersatzoperation insgesamt über einen Zeitraum von 1 Jahr beobachtet. Sämtliche Verletzungen wurden prospektiv erfasst. Dabei ist kritisch anzumerken, dass der Beobachtungszeitraum zwischen der Return-to-Competition-Empfehlung und Ende der Untersuchung, 12 Monate nach Kreuzbandersatzplastik, zwischen 1 Monat und 8 Monaten stark variierte.

Als Folgeverletzung nach Wiederaufnahme des Wettkampfsportes wurden eine Kreuzbandreruptur und eine Ruptur der kontralateralen Seite beobachtet; 4 % der Probanden erlitten behandlungsbedürftige Ansatztendinosen der Achillessehne (n = 2) und 6 % der Patellarsehne (n = 3); 8 % erlitten Muskelverletzungen in der dorsalen Oberschenkelmuskulatur (n = 4) oder 2 % der Hüftadduktoren (n = 1), die ausnahmslos erstgradig waren. Andere Verletzungen wurden nicht beobachtet.

Diskussion

Wann ein Sportler nach einer Kreuzbandruptur wieder am Wettkampfbetrieb teilnehmen kann, ist von vielen Faktoren abhängig. Eine rein zeitliche Beurteilung ist bei großer Varianz der Rehabilitationsergebnisse nicht empfehlenswert und mit einer hohen Rate an Folgeverletzungen verbunden.

Betrachtet man die notwendigen funktionellen Leistungsansprüche an einen Wettkampfsportler, so sind diese aufgrund der Vielseitigkeit nur schwer durch einzelne Tests abzubilden. Daher bedarf es einer umfangreichen Leistungsdiagnostik, um möglichst sportartnah ggf. noch verbliebene Defizite objektiviert aufzuzeigen.

Die durchgeführte Untersuchung konnte darstellen, dass bei vielen Sportlern trotz der Absicht, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen, v. a. im Bereich der Reaktivkraft noch erhebliche Leistungsdefizite bestehen. Durch die Messung von Sprungverhalten auf einer Kraftmessplatte konnte demonstriert werden, dass die aus Sicht der Autoren für notwendig erachtete Kraft und Geschwindigkeit auf der verletzten Seite meistens nicht erreicht wird. Als Grenzwert wurde ein Unterschied des Reaktivkraftindex von 15 % im Seitenvergleich definiert. Nur 68,8 % (n = 55) der Patienten erreichten zum Zeitpunkt der primären Leistungsüberprüfung diese Werte.

Die Ergebnisse der Reaktivkraftmessung korrelierten eng mit den Ergebnissen der Bewegungsqualitätsmessung. Etwa zwei Drittel (n = 21) der Patienten zeigten hier Schwächen und erreichten nicht die erforderlichen Knie- und Hüftbeugewinkel bei einbeinigen Sprüngen von einem 30 cm hohen Kasten in die Tiefe (einbeiniger Drop-Jump; Abb. 4). Außerdem konnten einbeinige Kniebeugen bis zur 90°-Beugung im Kniegelenk nicht achsgerecht durchgeführt werden, da die Probanden entweder auf Kniegelenk-, Hüft- oder Schulterebene seitlich abwichen.

Abb. 4
figure 4

Kniegelenk- und Hüftgelenkbeugewinkel bei der einbeinigen Landung eines Drop-Jumps bei unzureichender Beugung im Kniegelenk

Trotz qualitativ guter Ausführung der Sprünge wurden unzureichende Reaktivkraftwerte gemessen.

Umgekehrt wurde bei keinem Probanden mit ausreichenden Reaktivkraftwerten eine qualitativ unzureichende Bewegungsqualität bei den Sprüngen oder der einbeinigen Kniebeuge gesehen. Es lässt sich daher vermuten, dass der geforderte Reaktivkraftindex nur bei ausreichender Bewegungsqualität zu erzielen ist.

Bei Sprungtests im ermüdeten Zustand wurde diese Beobachtung sowohl durch einen zu erwartenden allgemeinen Leistungsabfall beider Extremitäten als auch durch eine Zunahme der gemessenen Differenzen zwischen gesunder und verletzter Extremität noch deutlicher (45,3 %, n = 39 erreichten die geforderte Leistungsfähigkeit nicht). Die Leistungsdefizite verstärkten sich bei Sprüngen in der Ebene und auch in die Tiefe bei ebenso abnehmender Bewegungsqualität. Es lässt sich daher schlussfolgern, dass die ehemals verletzte Extremität im Vergleich zur unverletzten Seite zusätzlich schneller ermüdet und es zu einem größeren Leistungsabfall als auf der gesunden Seite kommt.

Die Rehabilitationsergebnisse zeigen ebenfalls eine große zeitliche und qualitative Varianz. Vor allem im Profisport konnten bereits nach 14 Wochen Leistungsniveaus erreicht werden, bei denen kaum Unterschiede zwischen der verletzten Extremität und kontralateralen Seite vorlagen. Auch im Vergleich zur Leistungsfähigkeit mit gesunden Probanden lagen die erzielten Werte im durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Bereich.

Die überwiegende Anzahl der Sportler erreichte dieses Leistungsniveau allerdings erst zwischen dem neunten oder zwölften Monat oder gar nicht bis zum Abschluss der Untersuchung (41,9 %). Im Ergebnis sind daher ausschließlich zeitliche Empfehlungen zur Wiederaufnahme des Wettkampfsportes nicht ausreichend und möglicherweise mit einer hohen Folgeverletzungsrate assoziiert.

Die Folgeverletzungsrate blieb bei den Probanden dieser Studie deutlich unterhalb des beschriebenen Durchschnittes. Sowohl die Rerupturrate als auch die Häufigkeit von Folge- oder Begleitverletzungen wie Muskelverletzungen oder Tendinosen der knie- und sprunggelenknahen Sehnen blieben unterdurchschnittlich.

Kritisch ist dabei anzumerken, dass die Patienten abhängig von ihrer Return-to-Competition-Empfehlung unterschiedlich lange beobachtet wurden und das Follow-up zwischen 1 und 8 Monaten lag. Die Vermutung sollte daher in Folgeuntersuchungen anhand von größeren Fallzahlen bei längerem Follow-up betrachtet werden.

Eine an den Anforderungen des Sportlers orientierte Leistungsdiagnostik kann dabei helfen, die vorhandene Leistungsfähigkeit zeitlich unabhängig zu objektivieren und Trainings- und Rehabilitationsdefizite aufzuzeigen. Diese Defizite wiederum stellen ein erhöhtes Verletzungsrisiko dar, das durch spezifisches Training ausgeglichen werden kann. Bereits nach wenigen Monaten lässt sich grundsätzlich die nach Auffassung der Autoren erforderliche Leistungsfähigkeit zur Erteilung der Return-to-Competition-Empfehlung erzielen. Die an der Untersuchung teilnehmenden Probanden benötigten im Durchschnitt aber deutlich länger als 9 Monate, um das Return-to-Competition-Niveau zu erreichen, und waren teilweise auch nach über 1 Jahr nicht in der Lage, die geforderten Leistungen abzurufen.

Fazit für die Praxis

  • Die erforderliche Leistungsfähigkeit zum Return-to-Competition-Zeitpunkt nach Kreuzbandruptur kann über die üblichen klinischen Stabilitätsuntersuchungen hinaus durch leistungsphysiologische Tests überprüft werden.

  • Die Kombination von Kraft-, Koordinations-, Agilitäts-, Geschwindigkeits- und psychologischen Tests kann die funktionelle Leistungsfähigkeit bestätigen oder verbliebene Defizite identifizieren.

  • Risikofaktoren für Re- oder Begleitverletzungen werden so aufgezeigt, und entsprechende Präventions- und Trainingsprogramme können aus den Ergebnissen abgeleitet werden.