Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII

Nicht jeder Unfall und auch nicht jeder Patient in Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen ist gesetzlich unfallversichert. Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht nur unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII. Danach genießen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz Personen, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten.

Gesetzeszweck

Gesetzeszweck ist der Schutz vor Unfällen infolge von Gefahren, die entstehen, weil sich die Patienten in ein Krankenhaus, eine Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung begeben müssen, wo sie überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause.Footnote 1 § 107 SGB V grenzt durch die Definition der Begriffe „Krankenhaus“ und „Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung“ die Einrichtungsarten voneinander ab. Für die Frage des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes ist es nicht relevant, in welche dieser Einrichtungen sich Patienten begeben müssen. Es kommt darauf an, ob Patienten, die auf Kosten der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse eine (teil)stationäre Behandlung oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten und dass sich der Unfall im Rahmen dieser (teil)stationären Behandlung oder im Zuge der Erbringung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ereignet. Die Versicherten sollen auf diese Weise gegen Unfallrisiken und drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der mitzuwirken sie verpflichtet sind (§§ 60 ff SGB I), geschützt werden.Footnote 2 Allgemeine Risiken der ärztlichen Behandlung oder der Behandlung durch ärztliche Hilfspersonen werden dagegen nicht vom Unfallversicherungsschutz nach dieser Vorschrift erfasst.Footnote 3 Unfälle, die allein wesentlich durch einen Behandlungsfehler eines Arztes oder ärztliche Hilfspersonen wie Therapeuten, Schwestern oder Pfleger verursacht werden, sind keine versicherten Unfälle.Footnote 4 Dieses Behandlungsrisiko ist traditionell im Rahmen des verschuldensabhängigen Arzthaftungsrechts im Zivilrecht angesiedelt.Footnote 5

Voraussetzungen des Versicherungsschutzes

Auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse

Voraussetzung des Versicherungsschutzes ist, dass die Maßnahmen auf Kosten „einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse“ erfolgen.

  • Nach dem Sprachgebrauch des SGB V handelt es sich bei den in § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII genannten „Krankenkassen“ nur um die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 4 SGB V, also z. B. die Allgemeinen Ortskrankenkassen und Betriebskrankenkassen etc., jedoch nicht um private Krankenversicherungen.

  • Bei den „Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung“ handelt es sich nach dem Sprachgebrauch des § 125 SGB VI nur um die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die „Deutsche Rentenversicherung“ in ihrer jeweiligen regionalen Zuständigkeit.

  • Nach § 49 des Gesetzes über eine Altershilfe der Landwirte (GAL) ist Träger der Alterssicherung der Landwirte die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, die in Angelegenheiten der Alterssicherung der Landwirte und bei Durchführung ihrer Aufgaben nach dem GAL die Bezeichnung „landwirtschaftliche Alterskasse“ führt.

Eine weitere Voraussetzung des Versicherungsschutzes ist, dass die Behandlung oder der Erhalt von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation „auf Kosten“ eines der in § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII genannten Leistungsträger erfolgt. Das ist dann der Fall, wenn die (teil)stationäre Behandlung bzw. die Leistung zur medizinischen Rehabilitation als Sachleistung im Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erbracht wird und einer der genannten Leistungsträger im konkreten Einzelfall als Träger der Behandlung erscheint.Footnote 6 Schwierigkeiten kann im Einzelfall die Frage bereiten, ob eine Behandlung auch dann „auf Kosten“ einer Krankenkasse (oder eines anderen in Abs. 1 Nr. 15a genannten Leistungsträgers) erfolgt, wenn die Leistung nicht als reine Sachleistung gewährt wird.Footnote 7 Es ist aber anerkannt, dass in diesen Fällen eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V der Sachleistung nach § 2 Abs. 2 SGB V gleichgestellt werden kann, so dass die Patienten auch bei der Wahl einer Kostenerstattung anstelle einer Sachleistung die Behandlung „auf Kosten“ der Krankenkasse erhalten.Footnote 8 Versicherungsschutz besteht auch in den Fällen, in denen der Betroffene neben der von der Krankenkasse oder den anderen genannten Trägern gewährten Maßnahme Wahlleistungen z. B. einer privaten Zusatzversicherung, wie z. B. die Unterbringung in einem Einbettzimmer, in Anspruch nimmt.Footnote 9

Behandlungen oder Maßnahmen, deren Kosten von anderen als den in § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII genannten Sozialleistungsträgern getragen werden, sind nicht versichert.

So besteht z. B. kein Unfallversicherungsschutz für privat KrankenversicherteFootnote 10 und auch nicht für Patienten die auf Kosten des Sozial- oder Versorgungsamtes (teil)stationäre Behandlung oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten. Auch für Asylbewerber, die im Rahmen des § 4 Asylbewerberleistungsgesetzes auf Kosten der Sozialhilfeträger behandelt werden, besteht kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII.

Erhalt von (teil)stationärer Behandlung oder von (teil)stationären oder ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Erfasst vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sind Personen, die entweder (teil)stationäre Behandlung oder (teil)stationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten.

Stationäre oder teilstationäre Behandlung

Stationäre oder teilstationäre Behandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII meint stationäre und teilstationäre Behandlung nach § 33 Abs. 1 SGB VII, die nach § 33 Abs. 2 SGB VII in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen erbracht wird, womit die Einrichtungen im Sinne von § 107 SGB V gemeint sind. Bei stationärer Behandlung erfolgt eine Unterbringung mit Unterkunft und Verpflegung. Die teilstationäre Behandlung liegt in Abgrenzung dazu vor, wenn keine ununterbrochene bzw. umfassende Behandlung und Verpflegung notwendig sind.Footnote 11 Hauptanwendungsfall der teilstationären Behandlung ist die psychiatrische Behandlung in sog. Tages- und Nachtkliniken.

Zwar umfasst das Leistungsspektrum der „Krankenhausbehandlung“ nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V die stationäre und teilstationäre Behandlung sowie vor- und nachstationäre sowie ambulante Krankenhausbehandlung im Sinne der §§ 115a und 115b SGB V. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII sind jedoch vom Versicherungsschutz nur die stationäre und teilstationäre Krankenhausbehandlung umfasst.

Nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind z. B.

  • die vor- und nachstationäre Behandlung sowie die ambulante Behandlung, weil diese keine umfassende (teil)stationäre Heilbehandlungsform enthalten und ohne Unterkunft und Verpflegung erbracht werden;

  • die Entbindung eines Kindes – mit anschließendem stationärem Aufenthalt der Wöchnerin mit dem Säugling –, weil die Entbindung grundsätzlich keine Heilbehandlung erfordert. Versicherungsschutz besteht allerdings, wenn die stationäre Krankenhausaufnahme und Behandlung medizinisch veranlasst sind, z. B. infolge eines Kaiserschnitts oder notwendiger BluttransfusionFootnote 12;

  • eine Hospizleistung nach § 39a SGB V oder die Unterbringung von Personen, denen lediglich Pflege gewährt wird. Pflegebedürftige (nicht akut erkrankte) Personen sind nicht erfasst, weil in diesen Fällen – wie auch bei stationären oder teilstationären Hospizleistungen – keine medizinisch geprägte Rehabilitation stattfindet und die erforderlichen Pflegemaßnahmen regelmäßig nur dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen, aber nicht Teil einer ärztlichen Behandlung sind. Bei psychiatrischen Anstalten kommt es darauf an, ob die Betreuung zum Zwecke der medizinischen Rehabilitation oder zum Zwecke der Verwahrung erfolgt.Footnote 13

Der stationären oder teilstationären Behandlung gleichgestellt sind stationäre, teilstationäre oder ambulante „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB V, § 15 Abs. 2 SGB VI oder § 10 ALG. Nicht zur ambulanten medizinischen Rehabilitation gehört die rein kurative ambulante Akutversorgung.

Stationäre und teilstationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

Nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zählt z. B. die (teil)stationäre medizinische Rehabilitation in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung – § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V i. V. m. § 20 Abs. 2a SGB IX – zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII genannten (teil)stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Für die gesetzliche Rentenversicherung beschreibt § 15 Abs. 2 SGB VI den Leistungsrahmen für stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erbringen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern (§ 9 Abs. 1 SGB VI). Diese Leistungen werden v. a. stationär in Kur- bzw. Spezialeinrichtungen erbracht. Die Definition des Begriffs der Einrichtung in § 107 Abs. 2 SGB V kann auch zur Einordnung der in § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI genannten Einrichtungen herangezogen werden.Footnote 14

Ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

„Ambulante“ Maßnahmen sind nur dann versichert, wenn es sich um ambulante „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ handelt. Ambulante medizinische Rehabilitation liegt nur vor, wenn die Maßnahmen – ebenso wie bei der (teil)stationären medizinischen Rehabilitation – interdisziplinär, komplex und ganzheitlich ausgerichtet sind. Das heißt, sie müssen berufliche und soziale Elemente umfassen und ärztliche, pflegerische, physio- und ergotherapeutische Leistungen zur Versorgung und Bewältigung der Krankheitsfolgen miteinander verzahnenFootnote 15, wie dies z. B. bei der erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) oder der arbeitsplatzbezogenen muskuloskeletalen Rehabilitation (ABMR) der Fall ist. Darüber hinaus müssen sämtliche Maßnahmen der ambulanten medizinischen Rehabilitation in jedem Einzelfall von der Krankenkasse bzw. dem Rentenversicherungsträger oder der landwirtschaftlichen Alterskasse sowohl gegenüber den Betroffenen als auch gegenüber der Einrichtung bewilligt werden. Diese Bewilligung kann auch im Nachhinein erfolgen.

Die rein kurative Akutversorgung eines Patienten gehört nicht zur ambulanten medizinischen Rehabilitation.

Umfang des Versicherungsschutzes

Die versicherte Tätigkeit umfasst das Entgegennehmen der Behandlung sowie die Handlungen, die versicherte Patienten vornehmen, um die Behandlung entweder zu erhalten oder an ihrer Durchführung mitzuwirken (z. B. Aufstehen, Hinlegen, Umdrehen, Wege von und zur Behandlung), soweit sie sich dabei im Rahmen der ärztlichen Anordnung halten.Footnote 16 Zu den versicherten Tätigkeiten gehören danach alle Tätigkeiten, die dem Zweck der Heilbehandlung dienen, wie z. B. die Übungen im Zuge einer ärztlich angeordneten Krankengymnastik, medizinisch verordnete Bäder, Massagen oder arbeitstherapeutische Maßnahmen etc. Versichert sind auch die Wege zur Maßnahme, also zum oder vom Krankenhaus bzw. der Rehabilitationseinrichtung. In der Zeit von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr – also in der Zeit, in der üblicherweise auch Behandlungen stattfinden – sind auch alle Wege auf dem Klinikgelände versichert. Es sei denn, die Bewegung des Patienten war nach ärztlicher Auffassung kontraindiziert.

Wie oben schon dargestellt, sind von der Versicherung nicht umfasst Unfälle, die allein wesentlich durch einen Behandlungsfehler eines Arztes oder ärztliche Hilfspersonen wie Therapeuten, Schwestern oder Pfleger verursacht werden.

Zuständiger Versicherungsträger

Die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII versicherten Patienten richtet sich nach dem Rehabilitationsträger, unabhängig davon, in welcher Einrichtung die Maßnahmen durchgeführt werden (§ 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII). Zuständig ist der Unfallversicherungsträger des Rehabilitationsträgers, der die Behandlung/Rehabilitation veranlasst hat und die Kosten der Maßnahme trägt. Die VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft) ist zuständig, wenn der Rehabilitationsträger der VBG angehört, wie dies z. B. für die AOK, Techniker Krankenkasse, DAK, Innungskrankenkassen oder die Deutsche Rentenversicherung Bund der Fall ist.

Gesetzlich besonders geregelt ist im Übrigen die Zuständigkeit für die Betriebskrankenkassen der Dienstbetriebe des Bundes, die in die Zuständigkeit der Unfallversicherung Bund und Bahn fallen (§ 125 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII).

Für die „landwirtschaftliche Alterskasse“ hat der Gesetzgeber bestimmt, dass diese in die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft fällt (§ 123 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII).

Fazit für die Praxis

  • Patienten in Krankenhäusern, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen stehen nur dann unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz, wenn sie dort auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse (teil-)stationäre Behandlung oder (teil-)stationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten.

  • Kein Unfallversicherungsschutz besteht für: (1) privat Krankenversicherte, (2) für Patienten deren Behandlung auf Kosten des Sozial- oder Versorgungsamtes erfolgt, (3) für Asylbewerber, die im Rahmen des § 4 Asylbewerberleistungsgesetzes auf Kosten der Sozialhilfeträger behandelt werden.

  • Bei Patientenunfällen gilt das Durchgangsarztverfahren (D-Arzt-Verfahren). Die Patienten sind dem D‑Arzt vorzustellen.

  • Patientenunfälle sind dem Unfallversicherungsträger mit einer Unfallanzeige zu melden.

  • Zuständig ist der Unfallversicherungsträger des Rehabilitationsträgers, der die Behandlung/Rehabilitation veranlasst hat und die Kosten der Maßnahme trägt.

  • Die VBG ist zuständig, wenn der Rehabilitationsträger der VBG angehört, wie dies z. B. für die AOK, Techniker Krankenkasse, DAK, Innungskrankenkassen oder die Deutsche Rentenversicherung Bund der Fall ist.

  • Hinweise und Informationen mit den wichtigsten Fragen zu Unfällen von Patienten finden sich auch im „Informationsblatt für medizinisches Personal und den Sozialdienst zu Unfällen in Krankenhäusern und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen“ unter www.vbg.de.