Bei Oberschenkelfrakturen von Kindern und Jugendlichen hat die von Prevot eingeführte elastisch stabile intramedulläre Nagelung [3] zunehmend an Bedeutung gewonnen und stellt heute in den allermeisten Fällen das Verfahren der Wahl dar. Nachdem dieses Verfahren auch von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen aufgenommen und gelehrt wurde, hat sich der Begriff elastic stable intramedullary nail (ESIN) weltweit etabliert und wird heute in den meisten Fällen verwendet.

Prinzipiell lässt sich eine kindliche Oberschenkelfraktur natürlich auch konservativ mit Extension behandeln. Dazu ist jedoch eine stationäre Behandlung für die Dauer der Extension mit einigen wenigen Tagen zur anschließenden Mobilisation erforderlich, die angesichts der hervorragenden Ergebnisse der Nagelung, nach der die Kinder am 2. oder 3. Tag entlassen werden können, heute kaum noch durchgeführt wird.

Die Grenze zwischen konservativer und operativer Therapie verschiebt sich zu immer jüngeren Kindern, unser jüngster mit Nägeln versorgter Patient war 1½ Jahre.

Auch hinsichtlich des Frakturtyps wird die Indikation inzwischen weiter gestellt. Während anfänglich nur Querfrakturen mit Nägeln versorgt wurden (Abb. 1), stellen heute auch die nicht seltenen Spiralfrakturen eine gesicherte Indikation dar (Abb. 2). Die Revisionsrate beträgt in allen größeren Studien ca. 10 %. Jubel et al. [2] fanden bei 46 Nagelungen 4 Revisionen, in einer Studie von Nissar et al. [6] war 5-mal eine Revisionsoperation erforderlich (3-mal prominente Nägel, 2-mal Repositionsverlust).

Abb. 1
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Querfraktur, ideale Indikation, Längsstabilität direkt postoperativ, rechts Ausheilung

Abb. 2
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Spiralfraktur, eingeschränkte Längsstabilität postoperativ, rechts Ausheilung

Abb. 3
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Schrägfraktur mit Keil, eingeschränkte Längsstabilität, Verschlusskappen zur Erhöhung der Längsstabilität, rechts Ausheilung

Abb. 4
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Lange Schrägfraktur, Verkürzung bei Kontrolle nach einer Woche

Abb. 5
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Weiterer Verlauf des Falles in Abb. 4, Wiederherstellung der Länge mit temporärem Fix ex für 3 Wochen, Ausheilung

In einer französisch-amerikanischen Multicenterstudie [5] fanden sich bei 234 elastischen Nagelungen 90 % exzellente und zufriedenstellende Ergebnisse, 23 (10 %) wurden als schlecht eingestuft; 5-mal wegen Längendifferenz und 17-mal wegen inakzeptabler Angulation.

Im eigenen Krankengut war nach 42 ESINs 5-mal eine zusätzliche Operation erforderlich, einmal neue Pins wegen Angulation, einmal Platte wegen Angulation bei proximaler Fraktur, einmal Umstieg auf Erwachsenennagel bei 13-jährigem Mädchen und 2-mal die zusätzliche Montage eines Fixateurs externe bei Stückfrakturen, die sich bei der Röntgenkontrolle verkürzt zeigten.

Bemerkenswerterweise sind in der Literatur keinerlei Pseudarthrosen nach elastischer Nagelung bei Kindern beschrieben, auch im eigenen Krankengut trat keine Pseudarthrose auf.

Frakturen mit großem Biegungskeil stellen eine Grenzindikation dar, bei der besondere Vorsicht geboten ist. Auch bei dieser Indikation lassen sich gute Ergebnisse erzielen (Abb. 3), allerdings kann es zu Verkürzungen kommen. Wegen des weitaus höheren Komforts für die kleinen Patienten muss individuell abgewogen werden, wann noch eine Nagelung durchgeführt werden kann und wann besser mit einer Platte oder einem Fixateur externe stabilisiert wird. Wenn eine Nagelung durchgeführt wird, muss kurzfristig röntgenologisch kontrolliert und bei Tendenz zur Verkürzung (Abb. 4) zusätzlich ein Fixateur externe für 3–4 Wochen zur Sicherung der Länge appliziert werden (Abb. 5).

Üblicherweise erfolgt die elastisch stabile intramedulläre Nagelung retrograd, bei distalen Femurfrakturen ergeben sich Vorteile mit der antegraden Nagelung [4].

Bei Trümmerfrakturen und Frakturen, bei denen sich keinerlei Kontakt des proximalen mit dem distalen Hauptfragment erzielen lässt, sollte bei jüngeren Kindern mit dem Fixateur externe stabilisiert werden. Ab etwa 10 Jahren muss individuell zwischen Fixateur externe und Plattenosteosynthese wenn möglich minimal invasiv abgewogen werden. Bei bereits geschlossenen Epiphysenfugen ist die konventionelle Verriegelungsnagelung eine gute Option, für die neuerdings spezielle Adoleszentennägel zur Verfügung stehen.

Weitere Indikationen für den Fixateur externe sind offene Frakturen und polytraumatisierte Kinder.

Wachstumsstörungen

Nach jeder Fraktur kommt es zu einer gewissen Wachstumsstimulation. Das Ausmaß ist abhängig vom für die Frakturheilung notwendigen Remodelling, je stärker die Fehlstellung korrigiert werden muss, desto größer ist die Wachstumsstimulation [8].

Für die elastisch stabile intramedulläre Nagelung werden diese pathophysiologischen Zusammenhänge in Untersuchungen von Park et al. [7] bestätigt, die einen Zusammenhang zwischen dem Quotient aus Markhöhlendurchmesser und Außenabstand der Nägel mit der Wachstumsstimulation nachwiesen. 10 von 43 Kindern hatten eine Längenzunahme von über einem Zentimeter und ein Kind mit Schädelhirntrauma und extremer Kallusbildung eine Längenzunahme von 27 mm. Stabile Osteosynthesen, bei denen die Nägel die Markhöhle gut ausfüllten, zeigten signifikant weniger Längenzunahme.

Jubel et al. [2] fanden in einer Nachuntersuchung von 47 Kindern im Mittel 3 Jahre nach elastischer Nagelung eine Beinverlängerung von durchschnittlich 2,4 mm und kein Kind mit einer Beinverlängerung von mehr als 1,5 cm.

Die klinische Erfahrung zeigt und auch in der Literatur wird deutlich, dass eine Wachstumsstimulation mit klinischer Relevanz selten und auch nicht vorhersehbar ist.

In einer Dissertation an der Universität Ulm fand Busch [1] bei 57 durchschnittlich nach 13 Jahren nachuntersuchten Kindern eine durchschnittliche Beinverlängerung von 8,5 mm.

Die Häufigkeit von Verkürzungen hängt von der Indikationsstellung ab. Werden nur längsstabile Frakturen mit elastischen Nägeln versorgt und wird ab wesentlichem Biegungskeil die Indikation zum Fixateur oder zur Plattenosteosynthese gestellt, lassen sich Verkürzungen sicherlich vermeiden. Aber auch bei Frakturen mit Biegungskeil bieten elastische Nägel höheren Komfort für die Patienten, allerdings müssen solche Osteosynthesen dann streng kontrolliert und bei Tendenz zur Verkürzung mit einem Fixateur ausgeglichen und die Länge gesichert werden. Die Tragezeit eines Fixateurs kann aber je nach Alter auf 3–4 Wochen beschränkt werden.

Zusammenfassend kommen Längendifferenzen nach kindlichen Femurfrakturen vor, klinisch relevante Längenunterschiede sind jedoch selten. Zur Frage, wann Beinlängendifferenzen durch Absatzerhöhung ausgeglichen werden sollten, herrscht keine Einigkeit in der Literatur.

Empfehlenswert ist es, sich danach zu richten, ob die betroffenen Kinder die Längendifferenz als Beeinträchtigung empfinden und gegebenenfalls mit einer Absatzerhöhung besser zurechtkommen.

Bei Jugendlichen kann bei wesentlichen Beinlängendifferenzen eine Epiphysiodese der Gegenseite erwogen werden.

Fazit für die Praxis

Die elastisch stabile intramedulläre Nagelung (ESIN) ist heute bei der Mehrzahl der kindlichen Femurfrakturen das Verfahren der Wahl. Die Kinder können fast immer nach einem kurzen stationären Aufenthalt von 2–3 Tagen entlassen werden.

Quer- und Spiralfrakturen stellen eine gesicherte Indikation dar, Frakturen mit großem Biegungskeil sind Grenzindikationen, bei denen die Länge genauestens kontrolliert und gegebenenfalls zusätzlich mit einem temporären Fixateur gesichert werden muss.

Mehrfragment- und Trümmerfrakturen, bei denen kein für die Längsstabilität notwendiger Kontakt zwischen proximalem und distalem Hauptfragment erzielt werden kann, sind Indikationen für eine wenn möglich minimal invasive Plattenosteosynthese oder einen Fixateur externe. Hier muss je nach Lokalisation der Fraktur das für den Einzelfall am besten geeignete Verfahren gewählt werden.

Offene Frakturen und Oberschenkelfrakturen im Rahmen eines Polytraumas sind Indikationen für den Fixateur externe.