Kapsel-Band-Verletzungen des oberen Sprunggelenks stehen an der Spitze der Verletzungsstatistiken, auch im Bereich der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger.

Obwohl nach der klinischen Untersuchung wissenschaftlich belegt oft eine hohe Unsicherheit bezüglich einer Bandschädigung besteht [9], erfolgt in der Praxis meist keine sonografische Abklärung. Im Ambulanzdienst der Kliniken fehlen Ressourcen bezüglich der personellen und technischen Ausrüstung, was die umgehende weitere Diagnostik auf fachärztlichem Standard verhindert. Für berufsgenossenschaftliche Verletzungen ergeben sich andererseits bürokratische Hürden durch die Verwaltungsebene der Unfallversicherungsträger, da die Wertigkeit der Sonografie in der Abklärung von OSG-Bandverletzungen (OSG: oberes Sprunggelenk) von ihnen in Frage gestellt wurde, allerdings ohne jegliche medizinisch-wissenschaftliche Begründung. In den Arbeitsanweisungen der Unfallversicherungsträger [3] wird die Sonografie bei Bandverletzungen an Sprung-, Knie- und Schultergelenk sogar explizit ausgeschlossen, während andererseits gehaltene Röntgenaufnahmen weiterhin als indiziert angesehen werden. Gegen MRT-Untersuchungen (MRT: Magnetresonanztomografie) bei dieser Indikation werden dagegen keine Einsprüche erhoben.

Was die Sonografie in der Abklärung fibularer Bandläsionen leisten kann, wird im Folgenden dargestellt.

Sonografische Abklärung fibularer Bandläsionen

Intraartikuläre Flüssigkeit im Sprunggelenk weist auf eine relevante Verletzung des Kapsel-Band-Apparats hin [10]. Dies ist im ventralen Longitudinalschnitt (LS) einfach darzustellen. Frische Blutergüsse sind echofrei bis echoarm und erst nach einigen Tagen echoreicher (Abb. 1). Nach Kapselzerreißung findet sich das Hämatom diffus subkutan. Der typische Unfallmechanismus über Plantarflexion-Supination-Inversion kann verschiedene Anteile der fibularen Kette [13, 14] erfassen, die alle klinisch wie sonografisch programmiert abzuklären sind (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Hämarthros im oberen Sprunggelenk. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 2
figure 2

Fibulare Kette [13, 14]. 1 Außenknöchel, 2 Lig. fibulotalare anterius (LFTA), 3 Lig. fibulocalcaneare (LFC), 4 Lig. tibiofibulare anterius (LTFA, vordere Syndesmose), 5 LCC-Gelenk (LCC: Lig. calcaneocuboidale), 6 Basis des Metatarsale (MT) V. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Außenknöchel

Im LS um den Außenknöchel kann dessen knöcherne Oberfläche auf Hämatome und Fissuren mit Unterbrechung der echogenen knöchernen Linie abgeklärt werden. Periostale Verletzungen kommen v. a. bei Kindern trotz negativen Röntgenbilds vor (Abb. 3, [29]).

Abb. 3
figure 3

Periostale Verletzung des Außenknöchels. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Lig. fibulotalare anterius (LFTA)

Das LFTA weist viele Anlagevarianten auf und verläuft nicht selten als gedoppelte Struktur, meist etwa parallel zur Fußsohle nach ventral zum Talus [12, 20].

Die posttraumatische Schwellung erleichtert als natürliche Vorlaufstrecke das Ankoppeln zwischen Schallkopf und Hautoberfläche und die Darstellung des Bandes. Dieses wird zunächst in allen Anteilen auf seine Durchgängigkeit kontrolliert, bevor seine Stabilität im Seitenvergleich überprüft wird.

Der Patient liegt in Rückenlage, die Kniegelenke mit einer Rolle unterlagert. Der Untersucher tastet den Außenknöchel und schiebt den Schallkopf zwischen Daumen und Zeigefinger der Tasthand (Abb. 4), sodass am linken Bildrand die gebogene echogene Linie des Außenknöchels erscheint. Um diesen Fixpunkt herum wird der Schallkopf radiär zum Talus gedreht, bis seine steile knöcherne Linie am Monitor erscheint. Beim Unverletzten stellt sich dazwischen das LFTA als dreieckige oder parallele echogene Struktur dar.

Kindliche Verletzungen zeigen einen proximalen knöchernen Bandausriss mit kleiner Schuppe und Schallschatten, was mitunter erst im Stresstest sichtbar wird (Abb. 5). Beim Erwachsenen reißt das LFTA distal aus. Oft ist erst nach leichter Druckentlastung des Schallkopfs zu erkennen, dass Hämarthros aus der Tiefe die vermeintlich intakte Bandanheftung am Talus umspült und dass das Band ausgerissen ist (positiver Dekompressionstest, Abb. 6, [7]). In derselben Untersuchungssituation kann der Untersucher durch nach unten gerichteten Druck auf den Unterschenkel einen Vorschub des Talus auslösen (Abb. 7), der bei stabiler talokalkanearer Bandverbindung durch Auseinanderweichen der knöchernen Referenzpunkte von Außenknöchel und Talus unter Sicht am Monitor und, immer im Seitenvergleich, eine messbare Instabilität nachweisen lässt (Abb. 8). Eine standardisierte Untersuchungsposition ist hierfür essenziell. Eine Arbeitsgruppe von DEGUM-Experten (DEGUM: Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V.) befasst sich derzeit mit deren exakter Definition.

Abb. 4
figure 4

Schallkopfposition zur Untersuchung des Lig. fibulotalare anterius. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 5
figure 5

Knöcherner Ausriss des Lig. fibulotalare anterius. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 6
figure 6

Dekompressionstest des Lig. fibulotalare anterius [7]. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 7
figure 7

Sonografischer Stresstest des Lig. fibulotalare anterius. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 8
figure 8

Messung der Instabilität des Lig. fibulotalare anterius. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Lig. fibulocalcaneare (LFC)

Das LFC verläuft vom Außenknöchel nach hinten unten tief unter den Peronäalsehnen und ist daher nativ nicht gut darstellbar. Im Varusstresstest kann seine Funktion jedoch gut überprüft werden (Abb. 9). Ein im Seitenvergleich vermehrtes Aufklappen des Subtalargelenks ist immer pathologisch (Abb. 10). Einblutungen in die peronäale Sehnenscheide weisen indirekt auf eine Verletzung des LFC hin, die häufig mit einem Einriss der tiefen Schicht des Retinaculum profundum peroneale einhergehen.

Abb. 9
figure 9

Stresstest des Lig. fibulocalcaneare. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 10
figure 10

Instabilität des Lig. fibulocalcaneare. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Syndesmosenband, Lig. tibiofibulare anterius (LTFA)

Das vordere Syndesmosenband verläuft von der Vorderfläche des Außenknöchels schräg nach proximal zur ventralen Tibiaoberfläche und sichert die tiobiofibulare Syndesmose. Liegt keine Unterbrechung vor, ist eine Instabilität der tibiofibularen Syndesmose höchst unwahrscheinlich. Jegliches Hämatom im Bandbereich (Abb. 11) deutet auf eine Verletzung der tibiofibularen Bandhaft hin, die dann dynamisch zu untersuchen ist. Die Stressuntersuchung erfolgt im tibiofibularen Transversalschnitt oberhalb des LTFA. Das OSG liegt in Spitzfußstellung, und der Untersucher führt den Fuß samt OSG unter Sicht auf den Monitor in maximale Inversion, Außenrotation und Dorsalextension und setzt somit die Syndesmose unter maximale Anspannung (Abb. 12). Bei Instabilität ist im Seitenvergleich eine Aufweitung des tibiofibularen Abstands (Abb. 13) zu beobachten.

Abb. 11
figure 11

Riss des Lig. tibiofibulare anterius. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 12
figure 12

Stabilitätstestung der Syndesmose. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Abb. 13
figure 13

Instabilität der Syndesmose. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Lig. calcaneocuboidale (LCC)

Nach dem LFTA ist in der Praxis am häufigsten das CC-Gelenk verletzt. Im LS werden zunächst ein lokales Hämatom, ein Hämarthros oder eine Diskontinuität des Bands abgeklärt. Das Band reißt meist proximal und oftmals knöchern ab (Abb. 14). Im Adduktionsstresstest lässt sich im Seitenvergleich der straff gesicherte CC-Gelenkspalt aufweiten.

Abb. 14
figure 14

CC-Gelenkläsion. (Mit freundl. Genehmigung von H. Gaulrapp)

Os metatarsale V

Der letzte Schritt der Abklärung der fibularen Strukturen erfolgt im LS über der Basis des Metatarsale V. Senkrechte Unterbrechungen der echogenen knöchernen Oberfläche sprechen für eine Fissur oder eine Fraktur. Knöcherne Ausrisse der kurzen Peronäalsehne können erfasst werden. Die wesentliche Differenzialdiagnose ist der flache, eher horizontal liegende Apophysensenker.

Diskussion

Verschiedene Gruppierungen entwarfen Algorithmen zur klinischen und bildgebenden Diagnostik fibularer Bandrupturen, unterschätzten dabei aber trotz der bereits publizierten Literatur den Stellenwert der Sonografie [25, 28]. Die sonografische Abklärung fibularer Bandverletzungen und der Sprunggelenkinstabilität wurde erstmals von Schricker et al. [27] dargestellt. Auch weitere deutsche Autoren publizierten Untersuchungstechniken [4, 5, 6, 8, 15, 18, 26, 30]. Milz et al. [23] erreichten im hochauflösenden Ultraschall bereits 1998 gegenüber dem Goldstandard MRT Übereinstimmungen bei Verletzung in 93 % sowie bei intaktem LFTA in 83 % der Fälle bzw. für das LTFA in 66 % bei MRT-gesicherter Verletzung und in 91 % für intakte Bänder. Neuere prospektive Untersuchungen zeigten sogar eine 100 %ige Übereinstimmung [19].

Mittels Sonografie und MRT können sowohl ein posttraumatischer Gelenkerguss [10] als auch die Lokalisation der LFTA-Bandverletzung gleichermaßen gut dargestellt werden [1, 24]. Oae et al. [24] und Hua et al. [17] erreichten sonografisch gegenüber dem Goldstandard Arthroskopie in 91 % der Fälle Richtigkeit, mittels MRT in 97 % [19]. Die Wertigkeit der Sonografie war sehr hoch (95 % Richtigkeit, 98 % Sensitivität, 92 % Spezifität, 94 % positiver Vorhersagewert, 97 % negativer Vorhersagewert; [17]). Retrospektiv zeigte sie im Vergleich zum Goldstandard MRT für das LFTA in 85 % der akuten Verletzungen und in 58 % der chronischen Läsionen Übereinstimmung, auch im Hinblick auf die Differenzierung kompletter und partieller Läsionen [2]. Teilstrukturen des Bands und die Ausdehnung der Bandverletzung sind sonografisch exakt abgrenzbar [1]. Für das LFC fanden sich deutlich geringere Übereinstimmungen von 67 bzw. 46 % [17]. Verletzungen des Lig. LFTA können mit dem MRT vergleichbarer Sicherheit sonografisch erkannt werden [21, 22]. Auch Begleitverletzungen wie osteochondrale Bandausrisse oder Frakturen der Basis des MT V konnten sonografisch detektiert werden [16]. Dieses Verfahren wird aus diesem Grund als zweite [11] (nach dem Röntgenbild) bildgebende Ergänzung der klinischen Untersuchung empfohlen.

Auf zwei Missstände ist an dieser Stelle hinzuweisen:

  1. 1.

    Obwohl eine Vielzahl an Publikationen die Relevanz einer sonografischen Stabilitätstestung des Sprunggelenks postuliert, konnte noch keine einheitliche standardisierte Untersuchungstechnik etabliert werden. Die Sonografie ist im Vergleich zur MRT deutlich mehr vom Geschick und der Erfahrung des Untersuchers abhängig. Allerdings ist sie die einzige bildgebende Technik, die beides beherrscht: die Nativdarstellung des LFTA und die Instabilitätstestung des OSG.Die Nativdiagnostik des betroffenen Bands kann eine Unterbrechung, einen Defekt oder ein vollständiges Fehlen desselben aufzeigen. Der hier dargestellte Dekompressionstest stellt eine praktische Hilfe zur verbesserten Darstellung eines Ausrisses dar. Eine Gelenkinstabilität lässt sich aber erst im Stresstest beweisen [13, 14, 15, 21, 30]. Eine invasive Leitungsanästhesie oder schmerzhafte instrumentelle Lagerung ist dafür nicht erforderlich. Derzeit werden hierzu von einer DEGUM-Expertenkommission Empfehlungen zur standardisierten Untersuchungstechnik erarbeitet.In der Zeitschrift Fuß und Sprunggelenk der beiden fußchirurgischen Gesellschaften wurden 2010 Leitlinien zu Diagnostik und Therapie der fibularen Bandläsion publiziert [25], die sich derzeit im Prozess der Aktualisierung befinden. Die Sonografie wird gleichauf mit der gehaltenen Röntgenaufnahme mit Level 2 bewertet, obwohl sich aus der Literatur für Letztere keine Empfehlungen für die Akutdiagnostik begründen lassen. Gehaltene Röntgenaufnahmen wiesen in allen gelisteten Studien eine geringere Richtigkeit auf [1, 15, 19, 30].

  2. 2.

    Die Arbeitsanweisungen der Unfallversicherungsträger fordern für die verunfallten Versicherten eine möglichst frühzeitige, wirksame (§ 6), erforderliche, zweckmäßige und wirtschaftliche (§ 8) Heilbehandlung ein. Die Erstversorgung erfordere eine verantwortliche Entscheidung in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht (§ 9). Die Strahlenschutzverordnung verbietet allerdings die Anwendung von Röntgenstrahlen, wenn die Diagnose mit anderen Mitteln möglich ist (§ 6). Die Sonografie ist daher geboten. Administrative Einschränkungen sind aus ärztlicher Sicht abzulehnen. Zu fordern ist die seitenvergleichende sonografische Stabilitätstestung nach Verletzung und nach Ausheilung. Kontrollen innerhalb dieses meist 6 Wochen langen Zeitraums sind nur selten notwendig, z. B. bei Zunahme der Schwellung oder zur Erleichterung einer Gelenkpunktion. Der Untersucher muss ausreichend ausgebildet und die Dokumentation der Untersuchung nachvollziehbar sein.

Fazit für die Praxis

  • Mit der Sonografie steht nach fibularer Bandverletzung ein unmittelbar einsetzbares diagnostisches Instrument zur Verfügung, welches ohne Strahlenbelastung, ohne invasive Technik und ohne schmerzhafte instrumentelle Testung für die weitere Prognose wichtige Befunde liefern kann.

  • Dazu gehören ein Hämarthros als klares Zeichen für eine Kapsel-Band-Verletzung, Aussagen zur Kontinuität des Bandes sowie insbesondere zum Vorliegen und zum Ausmaß einer Instabilität.

  • Die Befunde sind vom klinischen Untersucher für die relevanten Kapsel-Band-Strukturen in speziellen Stabilitätstests unter Sicht am Monitor selbst zu erheben.

  • Die vorliegende Verletzung kann hinsichtlich Art (welches Band ist betroffen?) und Ausmaß der Instabilität primär ausdiagnostiziert und der bestmöglichen Behandlung zugeführt werden.