Verbrennungen im Kindesalter imponieren häufig als dramatische Unfälle und stellen die Behandler vor besondere Herausforderungen. Sie können eine lebenslange Stigmatisierung durch Narbenbildung hinterlassen, die evtl. mehrfache Korrekturoperationen bis ins Erwachsenenalter nach sich zieht. Um ein optimales Therapieziel ohne dauerhafte psychische Traumatisierung und ohne ästhetische bzw. funktionelle Langzeitfolgen zu erreichen, sollte jede Behandlung von thermisch verletzten Kindern in Kliniken durchgeführt werden, die über eine Expertise in der Behandlung von Kindern jeden Alters verfügen.

Epidemiologie kindlicher Verbrennungen

Verbrennungen nehmen in der Gesamtstatistik kindlicher Unfälle einen vorderen Platz ein. In Deutschland verbrennen sich jährlich mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren so schwer, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Etwa 6000 von ihnen müssen im Krankenhaus stationär aufgenommen werden, davon im Jahr 2013 etwa 1900 in Spezialkliniken für schwerbrandverletzte Kinder [10]. Bei etwa 2/3 der Verletzten handelt es sich um Kleinkinder unter 4 Jahren. Das bedeutet, Säuglinge und Kleinkinder sind eine Hochrisikogruppe für Verbrennungen. In dieser Altersgruppe ereignet sich der Unfall fast immer im häuslichen Milieu und zumeist im Beisein von Eltern oder Bezugspersonen.

Ursachen

Akzidentelle Verbrennungen

Dominierend mit einem prozentualen Anteil von 60–85 % sind Verbrühungen mit heißen Flüssigkeiten, verursacht z. B. durch Herabziehen von Töpfen mit heißem Wasser und noch viel häufiger durch Herabziehen von Wasserkochern am in Reichweite des Kindes hängenden Kabel oder durch umstürzende Tassen und Kannen mit heißem Tee oder Kaffee [8]. Eine einzige Tasse mit heißem Tee z. B. kann bei einem Kleinkind schon eine lebensgefährliche Verbrennung von bis zu 30 % der Körperoberfläche verursachen [10]. Ebenfalls relativ häufig sind Verbrennungen durch das Übergießen der heißen Flüssigkeit beim Inhalieren (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Latzverbrühung durch Übergießen mit heißem Wasser, b Verbrühung durch Übergießen der Flüssigkeit beim Inhalieren

Einen weiteren Häufigkeitsgipfel bestimmter Verbrennungen in der Altersgruppe der Kleinkinder stellen die Kontaktverbrennungen der Hände dar, die durch Berühren heißer Backofentüren, Herdplatten oder Kaminöfen verursacht werden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Kontaktverbrennung durch Berühren einer Ofentür

Je älter die Kinder sind, umso mehr verlagert sich die thermische Verletzung von der Verbrühung zur Verbrennung. Bei den Schulkindern stehen Verbrennungen durch Spiel mit Feuer, unsachgemäßen Gebrauch von Brandbeschleunigern und Feuerwerkskörpern im Vordergrund (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Verbrennung durch Verpuffung nach Experimentieren mit Schwarzpulver

Jedes Jahr wiederkehrend werden Verbrennungen durch Spiritusverpuffung beim Grillen gesehen. Oft sind Erwachsene die Verursacher, die ungeduldig mit langem Arm Spiritus auf die Glut gießen. Das daneben stehende Kind wird von der meterhohen Stichflamme erfasst und in Flammen gesetzt.

Kindesmisshandlung (nichtakzidentelle Verbrennung)

Bei allen Verbrühungen und Verbrennungen im Kindesalter muss bei der Aufnahme der Unfallanamnese immer auch an die Möglichkeit einer Kindesmisshandlung (nichtakzidentelle Verletzungen) gedacht werden.

In Deutschland werden pro Jahr etwa 200.000 Kinder misshandelt [7]. Ungefähr 10 % aller Verbrennungen bei Kindern sollen Folge einer Misshandlung sein. Wie aber kann eine solche erkannt werden? Typische bzw. verdächtige Hinweise auf eine aktive Misshandlung sind, bezogen auf Verbrennungen bei Kindern, u. a. [6, 7]:

  • Die Anamnese bzw. der behauptete Geschehensablauf ist für den vorliegenden Verletzungsbefund nicht plausibel oder variiert.

  • Es finden sich weitere Verletzungen zusätzlich zu denjenigen, die zur Vorstellung des Kindes führten.

  • Der Entwicklungsstand des Kindes passt nicht zum geschilderten Unfallmechanismus.

  • Psychische Auffälligkeiten

  • Zeichen seelischer oder körperlicher Vernachlässigung

  • Der Arztbesuch erfolgt mit deutlicher zeitlicher Verzögerung.

Auffällige Lokalbefunde sind:

  • Eintauchverletzungen (Abb. 4), oft symmetrisch an den Extremitäten mit gleichmäßiger Verbrennungstiefe und

  • ungewöhnliche Verteilung der Verbrennungen, z. B. am Handrücken, an der Fußsohle, am Rücken oder am Gesäß (Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Eintauchverbrennung bei Misshandlung mit gleichmäßiger Tiefe

Abb. 5
figure 5

Kontaktverbrennung bei Misshandlung durch ein Bügeleisen

Erstmaßnahmen nach einer Verbrennung

Mit den Erstmaßnahmen soll unmittelbar nach dem Unfall – schon von den Eltern des Kindes – begonnen werden. Nachdem das Kind – wenn nötig – aus der Gefahrenzone entfernt wurde, sollte v. a. bei Verbrühungen die mit der heißen Flüssigkeit getränkte Kleidung so schnell wie möglich entfernt werden. Die anschließende Kühlung der betroffenen Areale geriet in letzter Zeit in die Diskussion.

Neue Empfehlungen zur Kühlung

Bislang lautete die Empfehlung, die Verbrennung zu kühlen, einerseits zur Schmerzbekämpfung, andererseits zur Abkühlung des Gewebes, Abschwellung des Wundödems und Verhinderung des sog. Nachbrennens. Neuere Untersuchungen ergaben, dass diese Wirkungen nur innerhalb der ersten Sekunden nach dem Trauma durch Kühlung zu erreichen sind [2]. Ganz im Gegenteil kommt es bei zu langer und zu kalter Kühlung zu einer hypothermiebedingten Vasokonstriktion und damit zu einem Nachtiefen der Verbrennung, d. h. zu einer Zunahme des Verbrennungsausmaßes. Dies wird ersichtlich, wenn man sich den Aufbau einer Verbrennungswunde vor Augen hält:

Histomorphologisch lassen sich bei Verbrennungen 3 Zonen unterscheiden, die sog. Verbrennungszonen nach Jackson ([14], Abb. 6):

Abb. 6
figure 6

Verbrennungszonen nach Jackson [14]. (Mit freundl. Genehmigung von Thieme)

Koagulations- oder Nekrosezone

Sie stellt den Kern der thermischen Schädigung dar, mit Zerstörung der Zellstrukturen aufgrund der Denaturierung von Eiweißen.

Stasezone

In ihr sind die Zellfunktionen beeinträchtig. Die Zellstrukturen sind zwar nicht dauerhaft zerstört, aber die Durchblutung (Kapillarperfusion) ist eingeschränkt, und es besteht eine Tendenz zur dauerhaften Schädigung durch pathologische Immunvorgänge (Mediatorenausschüttung) und Sauerstoffmangel (Ischämie).

Kommt es also im Bereich der Stasezone zu einer Vasokonstriktion (z. B. bei Kühlung), gehen infolge des Sauerstoffmangels die eigentlich noch regenerationsfähigen Zellen zugrunde und vergrößern die Nekrosezone, d. h. vertiefen die Verbrennung.

Hyperämiezone

Sie ist von der thermischen Schädigung nicht direkt betroffen, sondern Teil des lokalen Kompensationsmechanismus mit verstärkter Durchblutung (Hyperämie) zum Abtransport der Wärme.

Ein weiterer Nachteil der Kaltwasserbehandlung ist die Gefahr der Auskühlung des Kindes [11]. Denn Säuglinge und Kleinkinder sind aufgrund ihres erhöhten Oberflächen-Volumen-Verhältnisses, ihres weniger isolierenden Fetts und ihrer geringeren Muskelmasse besonders anfällig für Hypothermie. Durch die Kaltwasserbehandlungen kommt es nicht selten zu schweren Unterkühlungen mit gravierenden negativen Folgen für den weiteren Krankheitsverlauf. Neben der Zunahme des Verbrennungsschadens kommt es zur Immunsuppression mit verzögerter Wundheilung und Sepsisgefahr, zu Herzrhythmusstörungen (das Myokard wird durch Hypothermie anfälliger für Veränderungen in den Elektrolytkonzentrationen) und beim analgosedierten Kind zum Abfall des Herzzeitvolumens (HZV). Außerdem können Gerinnungsstörungen auftreten.

Die Kühlung einer Verbrennungswunde sollte daher – wenn überhaupt – auf kleine Areale beschränkt sein, nicht länger als 10 min bzw. als bis zum Eintreffen des Notarztes dauern, und das Wasser sollte eine Temperatur von mindestens 20 ° haben [4, 11]. Anschließend sollten die verbrannten Areale mit z. B. einer sterilen Metallinefolie bedeckt werden, darüber kommt eine trockene warme Decke, die das ganze Kind einhüllen sollte, um es vor Unterkühlung zu schützen.

In der Klinik muss dann weiter darauf geachtet werden, dass das Kind nicht auskühlt. Auch in einem gut vorgeheizten OP (Operationssaal) kann dies sehr schnell der Fall sein, und zwar durch Verdunstungskälte über die feuchten Wundflächen. Die Kinder müssen daher immer gut zugedeckt sein, und die chirurgische Erstversorgung sollte zügig vor sich gehen.

Schmerztherapie – oft nicht ausreichend

Eine weitere, sehr wichtige Erstmaßnahme ist die Schmerzbekämpfung.

Verbrennungen sind bekanntlich extrem schmerzhaft [5]. Die Schmerzintensität verhält sich umgekehrt zur Verbrennungstiefe. Vor allem großflächige zweitgradige Verbrennungen verursachen stärkste Schmerzen. Hier wird selbst ein leichter Luftzug als Schmerz empfunden.

Eine suffiziente Schmerztherapie ist auch zur Vermeidung von Hautperfusionsstörungen durch eine sympathikoadrenerge Vasokonstriktion extrem wichtig und trägt daher auch zur Vermeidung des Nachtiefens der Verbrennung bei. Idealerweise sollten dem Kind vom erstbehandelnden Notarzt ein i.v. Zugang gelegt werden und über diesen z. B. S-Ketamin 0,25–1 mg/kgKG (KG: Körpergewicht) plus Midazolam 0,05–0,1 mg/kgKG verabreicht werden. Gelingt die Anlage eines i.v. Zugangs nicht, kann man bei Verbrennungen unter 10 % der Körperoberfläche die Medikamente auch rektal verabreichen; auch z. B. S-Ketamin (10 mg/kgKG) lässt sich auf diese Weise applizieren, die Wirkung tritt nach etwa 10–30 min ein. Auch die nasale Applikation (i.n.) von S-Ketamin plus evtl. Midazolam über einen speziellen Sprühapplikator bewährte sich (Abb. 7). Hier ist der Wirkungseintritt nach etwa 2–5 min zu erwarten.

Abb. 7
figure 7

Empfehlung zur Analgetikagabe

Präklinische Infusionstherapie/Bedeutung des präklinisch angelegten i.v. Zugangs

Bei großflächigen Verbrennungen ab 10 % Körperoberfläche und einer zu erwartenden Transportzeit über 30 min muss ein Zugang gelegt werden, notfalls intraossär zur sofortigen Flüssigkeitsbehandlung.

Schon bei einer mittelschweren Verbrennung [ab 10 % KOF (Körperoberfläche)] kann das intravasale Volumendefizit infolge generalisierter Ödembildung nach 1 h bereits 20–30 % des zirkulierenden Blutvolumens betragen [4], d. h. es besteht Schockgefahr. Bei kurzen Transportwegen in die Klinik sollte jedoch nicht mit einem Hyperinfusionsschema begonnen werden, da grobe Fehleinschätzungen von Patientengewicht und insbesondere der Verbrennungsausdehnung v. a. bei Kindern häufig sind und die Gefahr der Überwässerung besteht. Als initiales Infusionsschema bis zur Klinikbehandlung bewährte sich die Gabe von [12]:

Ringer-Azetatlösung 10 ml/kgKG/h.

Es sollte initial keine systemische Behandlung mit Antibiotika oder Kortison durchgeführt werden.

Zuweisungskriterien für ein Brandverletztenzentrum

Der Notarzt entscheidet, wo die Behandlung des brandverletzten Kindes durchgeführt wird. Entscheidend dafür sind die Tiefe und die Ausdehnung der Verbrennung.

Nach den aktuellen Leitlinien [4] sind u. a. verbindliche Kriterien für die Einweisung brandverletzter Kinder in ein Verbrennungszentrum festgelegt: Danach sind alle brandverletzten Kinder mit zweitgradigen Verbrennungen über 10 % und alle drittgradigen Verbrennungen über 5 % KOF, Kinder mit Inhalations- oder Elektrotrauma und mit Verbrennungen an Lokalisationen wie Gesicht, Hände, Füße, Genitale, Achselhöhle und Bereichen über großen Gelenken stationär in einem Zentrum für Brandverletzte zu behandeln, außerdem alle Kinder, bei denen nach einer Verbrennung der Verdacht auf Misshandlung besteht.

Es gibt in Deutschland 19 Zentren für schwerbrandverletzte Kinder mit 46 Intensivbetten (Stand 2013).

In einem Brandverletztenzentrum liegen die räumlichen und personellen Voraussetzungen vor, um die Behandlung fach- und kindgerecht durchzuführen, damit die physische und psychische Traumatisierung möglichst gering sind.

Beurteilung der Schwere einer Verbrennung

Um die Schwere einer Brandverletzung beurteilen zu können, muss man deren Tiefe und die Flächenausdehnung bestimmen.

Tiefe der Verbrennung

Wir unterscheiden 4 Verbrennungstiefen [4]:

Grad 1

Er betrifft nur die Epidermis und ist gekennzeichnet durch eine Hautrötung und mäßige Schmerzen. Typisches Beispiel ist Sonnenbrand. Die Schmerzen klingen nach 48–72 h ab.

Grad 2a

Hier sind Epidermis und oberflächliche Anteile der Dermis betroffen. Charakteristisch sind Blasenbildung und roter Untergrund sowie starke Schmerzen. Verbrennungen 2. Grades heilen in der Regel nach 7 bis 14 Tagen ohne Narbenbildung ab.

Grad 2b

Er betrifft die Epidermis und tiefere Schichten der Dermis. Haarfollikel und Drüsenanhangsgebilde bleiben erhalten. Die Schmerzen können etwas weniger ausgeprägt sein, weil weniger intakte Nervenendigungen vorhanden sind. Spontane Heilung ist noch möglich, allerdings sehr langsam und meist mit Narbenbildung. Flüssigkeitsverluste und metabolische Veränderungen sind ähnlich wie bei drittgradigen Verbrennungen.

Grad 3

Hier sind Epidermis und Dermis inklusive Anhangsgebilde vollständig zerstört. Das Gewebe ist nach der Reinigung weiß bis bräunlich, es bestehen fast keine Schmerzen, da alle Nervenendigungen zerstört sind. Spontane Reepithelisierung ist nicht mehr möglich. Heilung kann nur durch Narbenbildung mit Kontrakturen oder Hauttransplantation erfolgen.

Grad 4

Hierbei handelt es sich um eine Verkohlung.

Verbrennungsausdehnung

Sie wird immer in Prozent der gesamten Körperoberfläche (% VKOF) angegeben. Bei Erwachsenen und Kindern über 15 Jahren kann man zur Berechnung der Ausdehnung die sog. Neuner-Regel anwenden. Dabei werden der Kopf und je ein Arm mit 9 % berechnet, jeweils ein Bein, Brust und Rücken mit 18 %.

Für Säuglinge und Kinder gibt es altersspezifische Schemata (Lund-Browder-Schema), da sich die Proportionen Kopf: Rumpf: Extremitäten mit dem Wachstum verändern. Als einfache anwendbare Regel gilt: Die Handfläche des Patienten (Handgelenk bis Fingerspitzen) entspricht ungefähr 1 % seiner Körperoberfläche (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Einschätzung der verbrannten Fläche in % der Körperoberfläche: Handflächenregel. (Aus [3])

Volumentherapie in der Klinik

Das Hauptproblem in der Akut- oder Schockphase in den ersten 24 h ist das Verbrennungsödem, das durch eine Permeabilitätserhöhung der Kapillaren entsteht und zum Austritt von Wasser, Elektrolyten und Proteinen in das Interstitium führt [1, 13]. Dieser Flüssigkeitsverlust in das Gewebe (Kapillarleck) steigt mit zunehmender Größe der Brandverletzung massiv an und erreicht sein Maximum nach etwa 8 h (Abb. 9). Üblicherweise erholt sich das Kapillarsystem nach 18–24 h, wenn die Volumenersatztherapie erfolgreich war.

Abb. 9
figure 9

Ödem nach Verbrennung durch Kapillarleck

Es existieren verschiedene Formeln für die Berechnung der Volumenersatztherapie bei Kindern. Alle stellen jedoch nur eine Richtlinie für die zu infundierende Flüssigkeitsmenge dar. Die genaue Menge muss gemäß dem klinischen Bedarf titriert werden. Zur Beurteilung der korrekten Volumentherapie sind im Wesentlichen 2 Messgrößen zu erheben:

  • die Urinausscheidung, die 1–1,5 ml/kgKG/h betragen sollte, und

  • die Messung des Herzzeitvolumens (normal 2,5,–3 l/min/m2 KOF).

Chirurgische Therapie

Die chirurgischen Maßnahmen nach Eintreffen in der Klinik sind im Folgenden dargestellt.

Erstversorgung

Die chirurgische Erstversorgung wird wegen der starken Schmerzen immer in Narkose durchgeführt! Die verbrannten Areale werden debridiert, wobei Blasen und Blasenreste abgetragen werden. Jetzt kann eine erste Einschätzung der Verbrennungstiefe vorgenommen und in ein Schema eingezeichnet werden. Die Wunden werden anschließend desinfiziert. Bei Kindern versuchen wir, auf jodhaltige Lösungen zu verzichten, da die Jodresorption über die Wundflächen schnell zur Schilddrüsensuppression führen kann. Bei zirkulären Verbrennungen muss ggf. eine Escharotomie (Abb. 10), eine Spaltung des Verbrennungsschorfs, manchmal auch eine Fasziotomie durchgeführt werden, um Durchblutungsstörungen oder eine Behinderung der Atmung zu vermeiden. Die Wunden werden anschließend, je nach Lokalisation und Verbrennungstiefe, mit einer Wundauflage bedeckt.

Abb. 10
figure 10

Escharotomie

Alle Verbrennungen sollten aufgrund des Flüssigkeitsverlusts und der Infektionsgefahr in geschlossenen Verbänden behandelt werden [9]. Eine ideale Wundauflage für überwiegend oberflächlich zweitgradige Verbrennungen ist Suprathel® F, ein resorbierbarer Epithelersatz auf Polylaktidbasis, der nach ausreichendem primärem Bürstendébridement auf die Wunde aufgebracht wird und sich mit dieser verbindet. Darauf werden eine Trennschicht aus Fettgaze appliziert und ein saugender Sekundärverband aus Kompressen angelegt. Der Epithelersatz wird nach dem Aufbringen transparent, somit kann die Wunde jederzeit begutachtet werden. Der Verband schafft ein günstiges Wundmilieu durch pH-Verschiebung in den sauren Bereich und beschleunigt auf diese Weise die Wundheilung. Gewechselt werden muss lediglich der Sekundärverband aus Kompressen, was schmerzlos ist und auf der Station oder ambulant erfolgen kann (Abb. 11). Die Wunde ist nach etwa 8 Tagen epithelisiert, und der Verband kann wie eine schuppende Haut abgezogen werden. Bei tiefer verbrannten Arealen kann er länger belassen werden, entweder bis er resorbiert wurde oder bis die Verbrennung geheilt ist.

Abb. 11
figure 11

Temporäre Wunddeckung durch resorbierbaren Epithelersatz Suprathel®, a Applikation, b Fettgaze schützt vor Verkleben mit dem c Sekundärverband, d nach Ablösen des Suprathel®

Bei drittgradigen Verbrennungen ist die Tiefenausdehnung spätestens am 3. Tag klar. Bei diesen Verletzungen führen wir vorzugsweise die Frühnekrektomie durch, d. h innerhalb der ersten 4 Tage. Die Spalthauttransplantation schließt sich unmittelbar an. Bedingung für dieses Vorgehen ist, dass das Ödem ausgeschwemmt und der Patient kreislaufstabil ist. Wir verwenden vorzugsweise Spalthaut vom behaarten Kopf des Patienten. Die Oberfläche der Kopfhaut ist bei Kindern verhältnismäßig groß, die Entnahme ist durch die harte Schädeldecke als Untergrund gleichmäßig möglich, die Entnahmestellen sind später unter den nachgewachsenen Haaren nicht sichtbar und sie heilen schnell ab, sodass nach etwa 10 bis 12 Tagen bei Bedarf erneut Spalthaut entnommen werden kann (Abb. 12).

Abb. 12
figure 12

Spalthautentnahme vom behaarten Kopf, nach Abheilen Nachwachsen der Haare

Deckung großflächiger Verbrennungen

Bei großflächigen Verbrennungen über 60 % KOF ist die limitierte Verfügbarkeit körpereigener Haut zur zeitgerechten Wunddeckung eines der größten chirurgischen Probleme. Dieses wurde in den 1970er Jahren mit der Entwicklung der Keratinozytenkulturen gelöst. Mit diesem Verfahren kann innerhalb von 2 bis 3 Wochen aus einer einzigen Hautbiopsie von 2 cm × 3 cm Größe die gesamte Körperoberfläche eines Erwachsenen gedeckt werden (Abb. 13).

In den 1980er Jahren wurde in den USA eine neue Matrix für die primäre permanente Wunddeckung bei großflächigen Verbrennungen entwickelt. Es handelt sich um INTEGRA® Artificial Skin, einen biologischen Hautersatz, bestehend aus einer 2-schichtigen, d. h. einer dermalen und einer epidermalen, Membran. Nach Einheilung dieser Matrix nach etwa 3 Wochen entsteht eine Neodermis, eine neue Lederhaut, auf die dann Spalthaut transplantiert werden kann (Abb. 14). Die Vorteile des Verfahrens liegen auf der Hand: Sehr große verbrannte Areale können früh exzidiert und permanent gedeckt werden. Außerdem wird durch den Aufbau einer neuen Lederhaut ein elastischer Untergrund geschaffen, auf den Spalthaut transplantiert wird, mit dem Resultat einer glatten, narbenarmen, geschmeidigen und kosmetisch ansprechenden Haut. Diese Technologie stellt zwar noch nicht den idealen Hautersatz dar, aber gerade für brandverletzte Kinder ist dieses Verfahren ein unschätzbarer Fortschritt, da harte und schrumpfende Narben naturgemäß das Wachstum und die natürliche Veränderung der Körperform behindern.

Abb. 13
figure 13

Keratinozyten-Sheets nach 3 Wochen Anzüchtung im Labor

Abb. 14
figure 14

Transplantation von Integra® Artificial Skin auf die Wunde zur Bildung einer Neodermis

Nachbehandlung

Nach erfolgter Einheilung der Spalthaut schließt sich lückenlos die Nachbehandlung an, um hypertrophe Narbenbildung und Narbenkontrakturen zu vermeiden und ein möglichst ansprechendes kosmetisches Ergebnis der Narben zu erzielen. Die Kinder werden oft jahrelang bis zum Abschluss des Wachstums in unserer Nachsorgesprechstunde betreut.

Bei allen Kindern mit Narbenbildung werden Kompressionsanzüge maßangefertigt (Abb. 15). Diese sollen möglichst 24 h täglich getragen werden und einen kontinuierlichen Druck auf die Narben ausüben, um so durch lokale Minderdurchblutung ein überschießendes Narbenwachstum zu verhindern. Zusätzlich können Silikonpflaster auf besonders problematische Areale unter die Kompressionskleidung platziert werden.

Trotz intensiver Nachbehandlung können hypertrophe Narben und v. a. Narbenkontrakturen nicht immer unterbunden werden. Vieles lässt sich mit Narbenmassage und Schienenbehandlung verhindern oder verbessern. Operative Korrekturen sollten nur bei funktionellen Einschränkungen vorgenommen werden.

Abb. 15
figure 15

Maßgefertigte Kompressionskleidung zur Behandlung hypertropher Verbrennungsnarben

Prävention

Experten schätzen, dass 60 % aller Unfälle durch Prävention verhindern werden könnten. Da die meisten Kinder mit thermischen Verletzungen jünger als 5 Jahre sind und die Unfälle in dieser Altersgruppe seit Jahren leider nicht sinken, müssen präventive Maßnahmen sehr früh ansetzen.

Die Elterninitiative für brandverletzte Kinder Paulinchen e. V. veranstaltet bundesweit Aufklärungskampagnen, verteilt Broschüren und Plakate an Kindergärten, Schulen und an Kinderärzte und betreut betroffene Familien während der Akutphase und v. a. nach der Entlassung aus dem Krankenhaus [10].

Zu den Maßnahmen der präventiven Verhaltensförderung zählen auch öffentliche Kampagnen für mehr Kindersicherheit, vorbeugende Aufklärung durch Informationsmaterial, Beratungen bei den Vorsorgeuntersuchungen und Elternkurse. Daneben müssen im Sinne der Prävention gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von Kindern in den Bereichen Wohnungsbau (Wassertemperatur, Rauchmelder) und Kindersicherheit bei technischen Geräten verstärkt werden.

Fazit für die Praxis

  • Mehr als die Hälfte der von den etwa 30.000 kindlichen Verbrennungen pro Jahr Betroffenen sind Kleinkinder unter 4 Jahren.

  • Über 70 % der thermischen Verletzungen sind Verbrühungen.

  • Es sollte immer an die Möglichkeit einer Misshandlung gedacht werden.

  • Zu einer adäquaten Erstversorgung gehören eine wirksame Schmerztherapie und ab einer verbrannten Körperoberfläche von 10 % eine Infusionsbehandlung.

  • Eine Kühlung sollte – wenn überhaupt – maximal 10 min und mit lauwarmen Wasser erfolgen und nach Eintreffen des Notarztes gestoppt werden.

  • Die klinische Versorgung und Zuweisung in ein Zentrum für schwerbrandverletzte Kinder erfolgt nach den aktuellen Leitlinien.

  • Das Brandverletztenzentrum stellt die fach- und kindgerechte Behandlung des Patienten sicher.

  • Moderne Epithelersatzmaterialien sorgen für eine schmerzarme Behandlung der Verbrennungswunden.

  • Der Einsatz von Hautersatzverfahren geht mit einem verbesserten funktionellen und kosmetischen Ergebnis bei großflächigen Verbrennungen einher.

  • Die Nachbehandlung in den Brandverletztenzentren dauert bis zum Abschluss des Wachstums und schließt notwendige Korrekturoperationen ein.

  • Über 60 % der kindlichen Verbrennungen könnten durch Prävention verhindert werden.