Ein Psychotrauma ist nach ICD-10 („international classification of diseases, 10th edition“) definiert als ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, das bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde [9]. Solche traumatischen Ereignisse können als psychopathologische Folge eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach sich ziehen.

Symptomatik

Während und kurz nach dem Ereignis treten zunächst häufig große Angst, Hilflosigkeit sowie aufgelöstes, verstörtes, unorganisiertes Verhalten auf und der Betroffene befindet sich oft in einem Zustand der hyperfokussierten Aufmerksamkeit (sog. Tunnelblick). Als Sonderfall kann es bei einigen Personen zur Dissoziation kommen, bei der durch eine massive Ausblendung der Realität ein nach außen scheinbar ruhiges Verhalten auffällt.

Eine Befragung von Klinikärzten an 281 deutschen Kliniken mit unfall- oder verbrennungschirurgischem Schwerpunkt [3] ergab, dass ein Großteil der Patienten nach einem Trauma posttraumatische und komorbide psychische Symptome, wie depressive Verstimmtheit, psychovegetative Symptome, Albträume und auffällige Erinnerungslücken zeigte. Klingen solchen Symptome innerhalb von 48 h wieder ab, spricht man von einer akuten Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0). Kommt es dagegen nach einem belastenden Lebensereignis innerhalb 1 Monat und während eines Zeitraums von höchstens 6 Monaten zu einer emotionalen Beeinträchtigung und Behinderung sozialer Funktionen und Leistungen, liegt eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) vor. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F43.1) besteht definitionsgemäß bei folgenden Symptomen:

  • Wiedererleben (Flashbacks, anhaltende lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume),

  • Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die eine Erinnerung an das Trauma wachrufen,

  • psychovegetative Übererregung (Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit und Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz).

Prävalenz, Risikofaktoren und Neurobiologie

Untersuchungen zufolge liegt nach Verkehrsunfällen die Prävalenz der akuten Belastungsstörung und der PTBS nach 1 Monat bei je 30 % und nach 1/2 Jahr bei je 13 % [8]. Ähnliche Befunde ergaben sich auch für Kinder mit Brandverletzungen [7].

Als Risikofaktoren für das Auftreten einer PTBS stellten sich in einer Metaanalyse [2] die subjektiv erlebte Lebensbedrohung während des Unfalls, das psychische Befinden der Eltern nach dem Unfall, das Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas, eine vorbestehende psychische Beeinträchtigung, weibliches Geschlecht, ein niedriger Intelligenzquotient und ein niedriger sozioökonomischer Status heraus. Auch die Art des Traumas scheint eine Rolle zu spielen. So haben Menschen nach sexuellen Übergriffen oder wiederholten Traumatisierungen ein größeres Risiko, eine PTBS zu entwickeln.

Im Modell der gestörten Informationswahrnehmung [4] geht man davon aus, dass ein als (lebens-)bedrohlich eingeschätztes Ereignis eine adäquate Stressregulation verhindert und es so zu einer Überaktivierung der emotionalen Steuerungszentrale des Gehirns (Amygdala) kommt, während andere Bereiche mit emotionsregulierender Funktion (z. B. präfrontaler Kortex) unteraktiviert sind. Als Folge können emotional aufgeladene Erinnerungen nicht adäquat eingeordnet und verarbeitet werden. Auslösereize, die die Betroffenen an das traumatische Ereignis erinnern, können zu den oben beschriebenen Symptomen führen.

Implikationen für den klinischen Alltag

Aus den oben aufgeführten Entstehungsmechanismen einer PTBS ergeben sich Implikationen für den Ersthelfer am Unfall-/Ereignisort. Um die emotionale Steuerungszentrale direkt nach dem Trauma nicht zusätzlich zu triggern, sollte dem Betroffenen mit einem freundlichen Gesicht begegnet werden. Wichtig ist es, in dieser Phase zunächst einmal die Grundbedürfnisse (Durst, Hunger, Wärme, Zuwendung) zu stillen. Für diese Interventionen sind keine fachlichen Kenntnisse notwendig. Dennoch können sie bereits erheblich dazu beitragen, die Entwicklung einer PTBS zu verhindern.

Im weiteren Verlauf der medizinischen Versorgung, z. B. während der stationären Behandlung, kann eine frühzeitige und ausreichende Schmerzlinderung (v. a. auch bei Kindern mit Verbrennungen) einer PTBS vorbeugen. Außerdem sollte während des Krankenhausaufenthalts auf eine altersgerechte Infrastruktur, die Präsenz von engen Bezugspersonen und eine altersentsprechende Vorbereitung auf belastende Interventionen geachtet werden, um zusätzliche Traumatisierungen zu vermeiden.

Da die psychische Verfassung der Eltern ein wichtiger protektiver Faktor zur PTBS-Vermeidung ist, sollte man ihnen besondere Beachtung schenken. Im Rahmen der Psychoedukation erhalten die Eltern theoretisches Wissen zur Symptomatik ihres Kindes, um diese als so etwas wie eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis einordnen zu können. Weiterhin sind praktische Tipps zum Umgang mit der Problematik sinnvoll. So ist es wichtig, möglichst zeitnah wieder einen normalen Alltag herzustellen, wie Besuch von Freunden, Besuch der Klinik- oder Heimatschule usw [5].

Sollten die Symptome über mehrere Wochen persistieren, ist dringend eine Vorstellung beim Kinder- und Jugendpsychiater anzuraten. Da Studien ergaben, dass die Rate psychischer Störungen bei Eltern von intensivmedizinisch behandelten Kindern in der akuten Krankheitsphase bis zu 30 % betragen kann [1], sollten bei Bedarf auch deren psychiatrische Diagnostik und ggf. psychotherapeutische Behandlung in Betracht gezogen und eingeleitet werden.

Diagnostik und Behandlung der PTBS

Weder von der Art noch der Schwere des Traumas kann darauf geschlossen werden, ob Betroffene eine PTBS entwickeln. Um die Symptomatik weder zu pathologisieren noch eine behandlungsbedürftige PTBS zu übersehen, sollte bei Persistenz der Traumafolgesymptomatik zunächst eine störungsspezifische kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik erfolgen. Je nach Ausprägung und Symptomkonstellation sollte bei Bedarf eine symptomorientierte oder auch traumafokussierte Therapie durchgeführt werden. Deren vorrangige Ziele sind die Reduktion traumaspezifischer Ängste, die Konfrontation mit vermiedenen Gedanken und Situationen/Orten, die Veränderung irrtümlicher und belastender Gedanken (z. B. Überschätzung aktueller und künftiger Gefahren) und die Korrektur von Denkfehlern (z. B. „Ich bin schuld“). Am besten durch Studien evaluiert ist derzeit die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie [6], weniger Daten liegen für die EMDR („eye movement desensitization and reprocessing therapy“) vor [10].

Medikamente können für die Behandlung der PTBS grundsätzlich nicht empfohlen werden. In der Akutphase können ggf. über einen sehr begrenzten Zeitraum Tranquilizer sinnvoll sein, auf deren langfristige Anwendung sollte wegen der Suchtgefahr aber auf jeden Fall verzichtet werden. Nach fachärztlicher Einschätzung kann in Einzelfällen auch eine Behandlung von depressiven und ängstlichen Symptomen mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern sinnvoll sein. Eine medikamentöse Behandlung kann jedoch in keinem Fall eine psychotherapeutische Therapie ersetzen.

Fazit für die Praxis

  • Bei körperlichem Trauma sollte immer auch an das Vorliegen eines Psychotraumas gedacht werden.

  • Ein akutes Psychotrauma allein stellt keine Behandlungsindikation dar. Daher sollte im Verdachtsfall ein Kinder- und Jugendpsychiater hinzugezogen werden.

  • Eine adäquate Unterstützung und Einbeziehung der Eltern sind essenziell, da ihre psychische Verfassung ein wichtiger prognostischer Faktor zur Vermeidung einer PTBS ist.