Orale Antikoagulanzien vom Typ der Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar, Falithrom, Coumadin)

Kumarine vermindern die Aktivitäten der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie der körpereigenen Antikoagulatoren Protein C, Protein S und Protein Z.

Zur perioperativen Thromboseprophylaxe sollten sie wegen des höheren Thrombembolierisikos im Vergleich zum jetzigen goldenen Standard, den niedermolekularen Heparinen (NMH), nicht mehr verwendet werden. Problematisch scheint hier v. a. das „Fenster“ zu sein, bis eine stabile Antikoagulation erreicht ist (etwa 3 Tage) [6]. In der deutschen Leitlinie zur Thromboseprophylaxe [9] haben die Kumarine daher allenfalls einen Stellenwert im Höchstrisikobereich.

Im Bereich der Traumabehandlung stellt zudem die Notwendigkeit einer schnellen Antagonisierung der Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten ein häufiges Problem dar, auch die Rate der Wundhämatome ist in einigen Studien, wenn auch nicht signifikant, erhöht [6].

Die Wirksamkeit der Vitamin-K-Antagonisten in der Thromboseprophylaxe ist allerdings der Plazebowirkung bzw. der Anwendung pneumatischer Kompression deutlich überlegen.

Antagonisierung von Kumarinen

Hierzu stehen Vitamin-K- oder Prothrombinkomplexpräparate (PPSB) zur Verfügung (s. hierzu die entsprechenden aktuellen Leitlinien) [12].

Die hochdosierte Gabe von Vitamin K per os oder i. v. bringt den INR-Wert innerhalb von etwa 8–12 h in den gewünschten Bereich. Eine sofortige Antagonisierung von Kumarinen ist allerdings nur mit PPSB möglich, etwa 20–40 IE/kg KG i. v. Manche PPSB-Konzentrate enthalten Heparin, dies ist bei Patienten mit akuter oder zurückliegender heparininduzierter Thrombozytopenie Typ 2 (HIT 2) zu beachten. PPSB-Konzentrate sind außerdem stark thrombogen, dies muss ebenfalls unbedingt berücksichtigt werden und erfordert eine rechtzeitige und optimal dosierte alternative Thromboseprophylaxe, z. B. mit Heparin.

Perioperatives Management bei Patienten unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten

Hierzu sollten weitestgehend nur noch niedermolekulare Heparine subkutan verwendet werden.

Der Vitamin-K-Antagonist wird bei geplanten Eingriffen etwa 7 Tage vor der Operation abgesetzt, bei Patienten über 80 Jahren auch durchaus bis zu 10 Tage vorher. Ab diesem Zeitpunkt wird der INR-Wert täglich gemessen. Sobald er außerhalb des therapeutischen Bereichs liegt (je nach Indikation, bei den meisten Patienten INR<2,0), wird mit der Applikation des niedermolekularen Heparins laut der in Tabelle 1 angegebenen Dosierung begonnen.

Tabelle 1 Wahl der NMH-Dosis zur perioperativen Antikoagulation

Am Operationstag selbst erfolgt die Gabe des Heparins frühestens 4–6 h postoperativ, die Dosis richtet sich nach dem Blutungsrisiko der Operation (Tabelle 2).

Tabelle 2 Blutungsrisiko bei operativen Eingriffen

Die erneute Einstellung mit dem Kumarin kann bereits ab Tag 1–3 nach der Operation erfolgen, Heparin wird gleichzeitig weiter überlappend subkutan appliziert (ähnlich wie auch von der i. v. Vollheparinisierung mit unfraktionierten Heparinen bekannt). Sobald der therapeutische INR-Bereich erreicht wird, kann das Heparin wieder abgesetzt werden (Tabelle 3).

Tabelle 3 Periinterventionelle Antikoagulation bei geplanten Eingriffen

Die Wahl der NMH-Dosis richtet sich nach der Indikation für die orale Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten (Tabelle 1).

Hemmstoffe gegen Faktor Xa

Hier sind unfraktionierte Heparine (UFH), niedermolekulare Heparine, Fondaparinux (Arixtra) und Dalteparin-Na (Orgaran) zu nennen. Ihnen allen gemeinsam ist eine mehr oder weniger starke Hemmwirkung auf den aktivierten Faktor X.

Die exogene und endogene Blutgerinnung laufen in diesem zusammen, wo die Endphase der Fibrinbildung beginnt und zudem eine Amplifikation der Gerinnung stattfindet: Die Aktivierung von 1 Molekül Faktor X zu Xa führt zu einer Bildung von 50 Molekülen Thrombin.

Die unfraktionierten Heparine weisen zusätzlich zur Faktor-Xa-Hemmung noch eine relativ starke Thrombinhemmwirkung auf. Diese ist bei den niedermolekularen Heparinen und Dalteparin-Na nur noch in sehr geringem Maß vorhanden, und Fondaparinux ist ein selektiver Xa-Inhibitor ohne Thrombinhemmung (Abb. 1). Die wesentlichen Charakteristika der verschiedenen Substanzen zeigt Tabelle 4.

Abb. 1
figure 1

Wirkorte der Hemmstoffe gegen Faktor Xa

Tabelle 4 Vergleich der Anti-Xa-Hemmstoffe

Der hauptsächliche Ausscheidungsweg all dieser Hemmstoffe ist die Niere.

Die Kumulation von UFH ist aufgrund seiner relativ niedrigen Halbwertszeit am geringsten.

Unfraktionierte Heparine

Die Verwendung der UFH hat ihren Stellenwert nur noch bei niereninsuffizienten Patienten und bei gefäßrekanalisierenden Maßnahmen [7]. Ansonsten sollte sie aus folgenden Gründen weitestgehend zugunsten von NMH bzw. Fondaparinux verlassen werden:

  • mindestens gleich gute Wirksamkeit der NMH im Vergleich zu UFH, einige Studien zeigen sogar eine Überlegenheit [11]

  • optimale Bioverfügbarkeit auch bei subkutaner Anwendung

  • minimalste HIT-2-Gefahr, für Fondaparinux bisher kein Fall beschrieben [1]

  • längere Halbwertszeit mit einfacherer 1-mal täglicher Anwendung

  • fehlendes Monitoring

  • geringe Blutungstendenz bei vorschriftsmäßiger Anwendung

Niedermolekulare Heparine

Hinsichtlich ihrer Anwendung in der Thromboseprophylaxe sei auf die entsprechenden Leitlinien verwiesen [9]. Diesen zugrunde liegt eine Einteilung der Patienten in 4 Gruppen nach ihrem expositionellen Risiko.

Es muss jedoch auf jeden Fall auch das dispositionelle Risiko beachtet werden, welches der Patient quasi bereits von außen mitbringt. Ein möglicher Lösungsansatz zur Einschätzung des individuellen Risikos ist das Schema von Prof. Haas (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Berücksichtigung der individuellen und dispositionellen Risiken zur Wahl der Thromboseprophylaxe

Die Wirksamkeit einer Thromboseprophylaxe ist nicht nur von der Art des verwendeten Präparats und der Dosierung, sondern auch von der Dauer der Prophylaxe abhängig. So konnte bei Patienten mit Zustand nach Hüftgelenkersatz eine langfristige Gerinnungsaktivierung (Erhöhung der D-Dimere, Prothrombinfragment 1.2, Thrombin-Antithrombin-Komplex u. a.) von bis zu 5 Wochen Dauer gezeigt werden [2]. Die Frage nach der optimalen Dauer der Thromboseprophylaxe bei einzelnen Patientengruppen [3, 11] ist aber bislang keineswegs hinreichend geklärt und bedarf dringend randomisierter Studien und der Festlegung von konkreteren Leitlinien!

Fondaparinux

Dieses Pentasaccharid ist aktuell für die postoperative Thromboseprophylaxe bei Patienten nach Hüft- und Knie-TEP zugelassen und soll im Gegensatz zu NMH nur postoperativ (6±2 h postoperativ) angewendet werden. Es führte in umfangreichen Studien zu einer relativen Risikosenkung von Thrombembolien um etwa 50% im Vergleich zu Enoxaparin (Clexane), 40 mg 1-mal täglich subkutan [11]. Eine Erweiterung der Indikation für diese Substanz für die Therapie der akuten Thrombose und Lungenembolie in einer Dosierung von 7,5 mg subkutan 1-mal täglich erfolgte kürzlich.

Dalteparin-Na (Orgaran)

Es ist nur für die Therapie und Prophylaxe bei Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie Typ 2 zugelassen. Die Anwendung ist s. c. und i. v. möglich und sollte nach Herstellerangaben erfolgen. Zu beachten ist eine geringe Rate von Kreuzreaktionen bei Patienten mit HIT 2, die selten eine Umstellung auf ein Hirudinanalogon (z. B. Refludan, s. unten) notwendig machen kann.

Selektive Thrombininhibitoren

In dieser Gruppe stehen aktuell 3 Medikamente zur Verfügung:

  1. 1.

    Exanta [(Xi)melagatran] zur Thromboseprophylaxe bei elektiver Hüft- und Knie-TEP bis zu einer Dauer von 11 Tagen [5], ggf. erweiterte Zulassung geplant für Ereignisprophylaxe bei Vorhofflimmern

    Ximelagatran wird in der oralen Anwendung zum eigentlichen Wirkstoff Melagatran biotransformiert.

  2. 2.

    Refludan (Lepirudin) zur i. v. Anwendung bei akuter HIT 2

  3. 3.

    Revasc (Desirudin) zur s. c. Anwendung zur Thromboseprophylaxe bei Zustand nach HIT 2

Anders als die Gruppe der Anti-Xa-Hemmstoffe benötigen die direkten Thrombininhibitoren keinen Kofaktor zur Gerinnungshemmung, eine Vermittlung der Wirkung über Antithrombin ist somit nicht notwendig (Abb. 3, 4). Eine weitere Besonderheit ist die Hemmung von auch bereits an Fibrin gebundenem Thrombin, die bei einigen Substanzen dieser Gruppe zu einem erhöhten Blutungsrisiko im Vergleich zu den Anti-Xa-Hemmstoffen führen kann.

Abb. 3
figure 3

Indirekte Thrombinhemmung der UFH, Vermittlung der Gerinnungshemmung durch Antithrombin notwendig

Abb. 4
figure 4

Direkte Thrombinhemmung, z. B. (Xi)melagatran, keine Vermittlung der Gerinnungshemmung durch Antithrombin notwendig

Der Hauptausscheidungsweg aller Thrombininhibitoren ist die Niere, bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist also mit einem erhöhten Blutungsrisiko zu rechnen. Daher ist bei der i. v. Anwendung von Refludan bei akuter HIT unbedingt auf ein engmaschiges Monitoring zu achten.

Exanta kann sowohl oral (Ximelagatran, 2-mal täglich 24 mg) als auch s. c. (Melagatran, 3 mg, 2-mal täglich, beginnend 4–8 h postoperativ) appliziert werden, auch hier ist also ähnlich wie beim Arixtra ausschließlich eine postoperative Anwendung vorgesehen.

Etwa 6% der Patienten weisen unter Medikation mit Exanta einen deutlichen Transaminasenanstieg unter Behandlung auf, sodass die Leberwerte während der Therapie auf jeden Fall kontrolliert werden sollten. Ursache und Bedeutung dieser Nebenwirkung sind unklar [10].

Fazit für die Praxis

Neue Substanzen zur Thromboseprophylaxe nach Knie- und Hüft-TEP sind zugelassen worden und bereichern hierdurch das Spektrum der Möglichkeiten der Thromboseprophylaxe bei diesen Patienten:

Fondaparinux bietet den Vorteil einer besseren Wirksamkeit im Vergleich zum jetzigen goldenen Standard NMH in Hochrisikodosis bei Fehlen der Gefahr einer Entwicklung einer HIT 2.

(Xi-)Melagatran bietet den Vorteil der sowohl oralen als auch subkutanen Anwendung und hat eine ähnliche Wirksamkeit im Vergleich zum goldenen Standard NMH in Hochrisikodosis. Während der Anwendung sollten die Transaminasen kontrolliert werden.