Obwohl Fersenbeinbrüche nur etwa 2% aller Frakturen des menschlichen Skeletts ausmachen [13], bedingen sie als häufigste Frakturen des Tarsus [4] überproportional hohe Dauerschäden mit einem MdE-Index von durchschnittlich 25,5% [16]. Diese wenigen Zahlen zeigen die hohe medizinische und volkswirtschaftliche Bedeutung der Verletzung bei den meist jungen und im Arbeitsleben stehenden Patienten.

Behandlungsziel bei Fersenbeinfraktur ist die anatomische Rekonstruktion des Fersenbeins einschließlich der betroffenen Gelenke, der Rückfußachse und des Fußgewölbes, um wieder eine beschwerdefreie Funktion des Fußes zu erreichen.

Konservative Therapie

Sie wird bei unverschobenen oder gering dislozierten Fersenbeinfrakturen durchgeführt. Mangelnde Erfahrung in der differenzierten operativen Behandlung von Kalkaneusfrakturen kann heute in Deutschland kein Grund mehr für ein konservatives Vorgehen sein. Die Verlegung des Patienten in eine geeignete Abteilung (oft in unmittelbarer Nähe) ist in den allermeisten Fällen möglich. Die lokale Haut-Weichteil-Situation kann eine konservative Behandlung erforderlich machen. Bei floriden ekzematösen Erkrankungen, schweren Weichteilschäden und Durchblutungsstörungen ist sie zu empfehlen. Bei vorbestehenden Kontrakturen, Deformitäten und neurologischen Störungen mit eingeschränkter oder aufgehobener Gehfähigkeit der verletzten Extremität sind keine Vorteile eines operativen Vorgehens zu erwarten. Eine konservative Therapie kann beim Vorliegen eines Diabetes mellitus mit Sekundärkomplikationen, verschiedenen konsumierenden Grunderkrankungen, einer eingeschränkten Lebenserwartung oder geriatrisch weitgehend immobilen Patienten empfohlen werden. Eine Altersgrenze sollte nicht festgelegt werden [1].

Die konservative Therapie wird in

  • eine immobilisierende und

  • eine funktionelle

Behandlung der Fersenbeinfraktur unterteilt. Bei indizierter konservativer Behandlung sollte heute funktionell behandelt werden. Nach Abschwellen der Weichteile erfolgt eine passive Mobilisation der betroffenen Gelenke mit nachfolgendem definiertem Belastungsaufbau.

Fersenentlastungsorthese

Sie wurde an der BG-Unfallklinik Duisburg entwickelt und erlaubt eine effektive, konservativ-funktionelle Behandlung. Das Fersenbein wird durch Abstützung des Längsgewölbes und Unterstützung im Wadenbereich entlastet. Die Ferse ist in der Orthese so positioniert, dass sie 1 cm über dem Sohlenteil schwebt (Abb. 1). Im Fersenbereich dient eine Konturschaumeinlage als leichter Kontaktaufbau. Dieser Fersenkontakt hat propriozeptorische Wirkung, die Knochenheilung wird unterstützt, und einer Knochenentmineralisierung wird vorgebeugt. Der gewünschte Belastungsaufbau wird durch den Konturschaum und 3 nacheinander einzulegende Druckpolster erreicht.

Abb. 1a,b
figure 1

Darstellung des Fußes in der Fersenentlastungsorthese im Plastinatmodell (a) und seitlichen Röntgenbild (b) unter Vollbelastung

Nach abschwellenden Maßnahmen wird dem Patienten die Fersenentlastungsorthese (vorkonfektionierter Bausatz) vom Orthopädiemechaniker individuell angepasst. Die Weiterbehandlung erfolgt nach einem standardisierten Behandlungsschema (Tabelle 1).

Tabelle 1 Nachbehandlungsschema bei Fersenentlastungsorthese

Probleme der konservativen Fersenbeinfrakturbehandlung

Hier sind zunächst Fehlheilung mit Höhenminderung, Verkürzung, Varus- bzw. Valgusabweichung des Rückfußes zu nennen. Der Tuber calcanei ist meist nach lateral versetzt und die Fersenbeinwand nach lateral ausgebeult, sodass es mechanisch zum Impingement der Peronäalsehnen und Abutment der Außenknöchelspitze (Außenknöchelspitzensyndrom) kommen kann [9]. Gelenkstufen führen zur subtalaren oder kalkaneokuboidalen Arthose. Durch die häufige Achsabweichung des Rückfußes mit Dorsalkippung des Talus und hierdurch bedingter Fehlstellung der breiten Trochlea tali in der Malleolengabel kommt es durch eine sekundäre Inkongruenz und ein Impingement im Bereich der Tibiavorderkante zu einer fortgeleiteten Fehlbelastung des OSG im Sinne einer Präarthrose. Die Verkürzung der lateralen Säule und die zusätzliche Höhenminderung führen in der Regel zum schweren posttraumatischen Pes plano valgus mit Abduktionsfehlstellung des Mittel- und Vorfußes. Diese Störung der Trigonomie des Fußes schwächt die Vorspannung der Plantaraponeurose, wodurch konsekutiv eine Kalkaneokuboidarthrose gefördert wird [16].

In solchen Fällen kann dem Patienten meist nur noch mit dem Sekundäreingriff einer reorientierenden Rückfußarthrodese geholfen werden. Es werden ein Höhenausgleich des Rückfußes mit Anhebung des Talus zur Ausrichtung der Talo-Metatarsal-Achse, eine Varus- bzw. Valguskorrektur mit indirektem Beseitigen des Abutments und Abtragung des lateralen Fersenbeinbuckels zur Elimination des Peronäalsehnenimpingements durchgeführt.

Operative Therapie

Die Indikation zur Operation sehen wir bei dislozierten intraartikularen Frakturen mit einer Gelenkstufe von >1 mm und dislozierten extraartikularen Frakturen mit relevanter Rückfußfehlstellung. Kontraindikationen sind höhergradige Weichteilschädigungen mit Nekrosen und Spannungsblasen [9]. Zurückhaltung ist auch bei Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus und Non-compliance des Patienten geboten. Relative Kontraindikationen sind Paraplegie, polytraumatisierte oder mehrfachverletzte Patienten.

Bei den meisten Fersenbeinfrakturen liegt ein zweitgradiger geschlossener Weichteilschaden vor, sodass nach abschwellenden Maßnahmen die Operation frühelektiv durchgeführt werden sollte [2]. Eine operative Rekonstruktion nach mehr als 3 Wochen ist aufgrund der einsetzenden Weichteilkontraktur und dem zunehmenden Abbinden der Fraktur schwierig. Nach Längenwiederherstellung des verkürzten Fersenbeins kann der Weichteilverschluss bereits nach 2 Wochen problematisch werden.

Einfache dislozierte 2-Fragment-Frakturen wie Entenschnabelfrakturen oder Tongue-type-fractures können geschlossen oder offen reponiert und mit einer Zugschraubenosteosynthese behandelt werden (Abb. 2).

Abb. 2a,b
figure 2

Entenschnabelfraktur (a) mit nachfolgender Zugschraubenosteosynthese (b)

Intraartikulare dislozierte Frakturen werden in der Regel offen reponiert und mit einer lateralen Plattenosteosynthese stabilisiert.

Operationstechnik

Die Operation erfolgt nach Abschwellen der Weichteile in Seiten- oder Rückenlagerung. Bei eingespieltem Operationsteam kann auf eine Blutleere oder -sperre verzichtet werden. Wir verwenden den erweiterten lateralen Zugang [14] mit einschichtiger Präparation eines dicken Haut-Weichteil-Lappens. Wichtig ist ein behutsames intraoperatives Weichteilmanagement, wobei für die Weichteilretraktion temporär eingebrachte Bohrdrähte empfohlen werden. Nach dem Darstellen der Fraktur und der betroffenen Gelenke kann meist ein schalenförmiges laterales Fersenbeinwandfragment türflügelartig weggeklappt werden, um das subtalare Gelenk besser einzusehen. Die Ausrichtung und Achskorrektur des tuberositären Hauptfragments erfolgen durch das Einbringen einer perkutanen Schanz-Schraube in den Tuber calcanei mit axialem Zug und Ausgleich von begleitenden Varus- bzw. Valgusabweichungen [12]. Unter Sicht werden die posteriore Gelenkfacette von medial nach lateral schrittweise reponiert und die Fragmente mit temporären Bohrdrähten untereinander bzw. zum Talus fixiert. Nach erfolgter Frakturreposition füllen wir größere Knochendefekte mit autologer Spongiosa auf und stützen Gelenk tragende Fragmente ab. Die laterale Fersenbeinwand wird zurückgeklappt, und eine Titanplattenosteosynthese wird durchgeführt (Abb. 3). Das Repositionsergebnis wird intraoperativ mit dem Bildwandler in Bezug auf Kalkaneusform und Gelenkstellung kontrolliert.

Abb. 3a–h
figure 3

Typische Fersenbeinfraktur (a), im CT imprimierte subtalare Gelenkfläche (b) bei verbreitertem und verkürztem Fersenbein (c), offene Reposition (d) mit Rekonstruktion des subtalaren Gelenks (e), laterale Plattenosteosynthese (f), ungestörte Ausheilung (g) mit gutem funktionellem Ergebnis (h)

Der Einfluss einer anatomiegerechten Reposition der subtalaren Gelenkfläche auf das Behandlungsergebnis ist unbestritten. Die intraoperative Kontrolle der geschwungenen posterioren Gelenkfacette des Kalkaneus gestaltet sich beim Vorliegen eines oder mehrerer Intermediärfragmente schwierig. Die Bildwandlerkontrolle bietet oft keine ausreichende Auflösung, um kleinere Stufen von 1–2 mm insbesondere an der abhängigen medialen Seite zu erkennen. Die von der Dresdner Arbeitsgruppe eingeführte offene subtalare Arthroskopie [8] oder die intraoperative dreidimensionale Röntgenkontrolle (Siremobil Iso-C3D) können hierbei als Kontrollinstrument angesehen werden.

Der Vorteil einer autologen Spongiosaplastik oder die Verwendung winkelstabiler Implantate sind nicht nachgewiesen. Von der Verwendung von Fremdstoffen wie z. B. Knochenzement raten wir aufgrund eines möglicherweise erhöhten Infektrisikos ab.

Nachbehandlung

Sie wird bis zur gesicherten Wundheilung mit einer Unterschenkelgipsschiene und hiernach mit der Fersenentlastungsorthese (Tabelle 1) durchgeführt. Begleitend werden frühfunktionelle Krankengymnastik, Gangschulung und abschwellende Maßnahmen (Kryotherapie, Lymphdränage, Kompressionsvenenpumpe, Kompressionsstrumpf) verordnet.

Komplikationen

Hauptprobleme der operativen Therapie sind Wundheilungsstörungen und Infekte. Die Rate der Wundrandnekrosen kann nach unserer Erfahrung durch den gewählten Operationszeitpunkt und Zugang sowie ein behutsames intraoperatives Weichteilmanagement reduziert werden.

Vergleich operative vs. konservative Therapie

Bei den geschlossenen intraartikularen Fersenbeinfrakturen wird immer wieder die Frage gestellt, ob operativ oder konservativ behandelt werden soll. Die Literaturübersicht zeigt eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die sich hiermit beschäftigen. Ein Vergleich der Ergebnisse ist jedoch aufgrund der verschiedenen Frakturklassifikationen und Ergebnisscores meist nicht möglich, und es liegen weder zur Therapiewahl noch bezüglich des Patientenguts vergleichbare Daten vor [10].

Buckley u. Meek [3] konnten in einer vergleichenden Studie zeigen, dass die besten Ergebnisse in der operierten Gruppe mit anatomischer Reposition der posterioren Facette erreicht wurden. War diese nicht möglich, waren die Ergebnisse nach operativer und konservativer Behandlung vergleichbar. Diese Aussage wird durch andere Untersuchungen unterstützt [6, 7].

Eine prospektiv randomisierte Studie wurde 1996 von Thordarson u. Krieger [11] veröffentlicht. Mit einer statistischen Signifikanz von <0,01 ergaben sich in der operativen Gruppe bei vergleichbaren Frakturtypen bessere Behandlungsergebnisse. Diese Aussage wird durch andere Untersuchungen unterstützt [5].

Eigene Ergebnisse

Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden konservativ und operativ behandelte Patienten mit geschlossenen Fersenbeinfrakturen nachuntersucht. Von Januar 1997–Dezember 1998 wurden 81 Patienten konservativ und im Zeitraum von Mai 1998–Mai 2000 77 Patienten operativ behandelt. Der Unterschied im Behandlungskonzept ist durch einen Wechsel des Ärztlichen Direktors erklärt. Jeweils 50 konsekutiv behandelte Patienten aus jeder Gruppe wurden nach der Frakturklassifikation nach Zwipp (12-Punkte-Schema) eingeteilt und nach dem ±200-Punkte-Score nach Zwipp nachuntersucht [15]. Die Operation erfolgte durchschnittlich 9 Tage (0–24 Tage) nach dem Unfall. Die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit betrug in der operativen Gruppe 25 Monate (13–53 Monate) und bei den konservativ behandelten Patienten 32 Monate (16–69 Monate).

In beiden Behandlungsgruppen war die Frakturschwere vergleichbar (Abb. 4). Zum Nachuntersuchungszeitpunkt erreichten in der operativen Behandlungsgruppe 7 Patienten ein sehr gutes, 27 Patienten ein gutes, 14 Patienten ein befriedigendes und 2 Patienten ein schlechtes Ergebnis im ±200-Punkte-Score nach Zwipp. In der konservativen Behandlungsgruppe wurden bei 3 Patienten ein sehr gutes, bei 11 Patienten ein gutes, bei 29 Patienten ein befriedigendes und bei 7 Patienten ein schlechtes Ergebnis im ±200-Punkte-Score nach Zwipp nachgewiesen (Abb. 5). Eine Korrelation zwischen der Frakturschwere und dem erreichten Behandlungsergebnis war in beiden Gruppen festzustellen.

Abb. 4
figure 4

Frakturklassifikation nach Zwipp et al. [15] beider Behandlungsgruppen

Abb. 5
figure 5

Nachuntersuchungsergebnis beider Behandlungsgruppen mit dem ±200-Punkte-Score nach Zwipp et al. [15]

Bei den 50 operierten Patienten fanden wir in 16% Komplikationen. Dabei zeigten sich in 6 Fällen oberflächliche Wundrandnekrosen, eine Unterschenkelvenenthrombose und in 1 Fall die Verletzung des N. suralis. Alle Wundrandnekrosen kamen ohne weitere operative Maßnahmen zur Ausheilung. Tiefe Weichteilinfekte, eine Osteitis oder Pseudarthrose des Fersenbeins ergaben sich nicht. In der konservativen Behandlungsgruppe zeigten sich ein Kompartmentsyndrom und je eine Ober- sowie Unterschenkelvenenthrombose (6% Komplikationen).

Eine sekundäre subtalare Arthrodesenoperation war bei 1 operativ vorbehandelten Patienten (2%) und 3 konservativ vorbehandelten Patienten (6%) wegen einer stark schmerzhaften Subtalararthrose erforderlich.

Bei 19 konservativ behandelten und 17 operativ behandelten gesetzlich unfallversicherten Patienten wurde zwischenzeitlich eine Rentenbegutachtung auf Dauer durchgeführt. Die durchschnittliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrug als Rente auf unbestimmte Zeit nach konservativer Behandlung 23,7% und nach operativer Behandlung 17,8%.

Fazit

Die moderne Behandlung der Fersenbeinfraktur erfordert ein differenziertes Therapieschema, das die Weichteilschädigung, den Frakturtyp, bestehende Erkrankungen und Risiken des Patienten in die Behandlungstaktik mit einbezieht.

Durch die operative Behandlung von geschlossenen Fersenbeinfrakturen kann ein besseres Behandlungsergebnis im Vergleich zum konservativen Vorgehen erreicht werden. Hieraus resultiert eine höhere Patientenzufriedenheit, und es ist eine Verringerung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten.