Von Georg-Wilhelm Exler stammt das Zitat: „Qualität ist subjektiv, Qualität ist, was gefällt.“

Ich denke, dass dieses Credo weder in der Medizin, insbesondere in der Patientenbehandlung, einen Platz findet, noch in unsere Zeit passt, die im klinischen Alltag durch Leitlinien, Standards, Evidenz und SOPs („standard operating procedure“) geprägt ist bzw. geprägt sein sollte.

Zugegebenermaßen definieren wir im klinischen Alltag dennoch unser Tun und Handeln oft subjektiv nach eigenen selbst definierten Maßstäben, nach den Regeln einer chirurgischen Schule und Lehre (immerhin) oder nach dem schlichten Kriterium der Zeit und Tradition. Viele von uns haben folgenden Satz bzw. diese Antwort auf die Frage „Warum …“ schon oft gehört: „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Spätestens aber wenn wir unsere Ergebnisse mit anderen oder mit einem publizierten allgemeingültigen Standard vergleichen wollen, suchen und brauchen wir Kriterien der Vergleichbarkeit von Qualität in der Medizin.

Eine Grundvoraussetzung für eine Analyse der gefäßchirurgischen Qualität ist zunächst die Bestimmung der Qualität. Was ist Qualität? Wie soll Qualität definiert werden? Wie wird Qualität bemessen? Welche einheitlichen Messparameter existieren in der Literatur und sind diese international anerkannt? Und nicht zuletzt: Wer definiert Qualität?

In den letzten Jahren haben die Gesundheitspolitik, die Krankenkassen und auch Krankenhausverwaltungen die Qualität in der medizinischen Patientenversorgung in den Fokus ihres Interesses gerückt.

Seit 2005 sind Krankenhäuser gesetzlich dazu verpflichtet worden, mithilfe von Qualitätsberichten über ihre Arbeit und ihre Strukturen zu informieren (www.g-ba.de/themen/qualitaetssicherung.de). Dabei legt der G‑BA im Auftrag des Gesetzgebers fest, welche Informationen Qualitätsberichte enthalten und wie sie gegliedert und bereitgestellt werden müssen.

Darin findet sich der Begriff des Qualitätsindikators als Werkzeug zur Bewertung von Versorgungsleistungen. Dies können die Anzahl von qualifizierten Fachpflegekräften auf einer Intensivstation oder die Ein-Jahres-Überlebensrate sein.

Eine fachspezifische differenzierte Listung von Qualitätsindikatoren für einzelne differenzierte gefäßchirurgische Prozeduren, sei es offen-chirurgisch oder endovaskulär, sind in diesen Berichten allerdings nicht enthalten.

Ganz aktuell bekommt die gesundheitspolitische Diskussion um Qualitätsindikatoren eine neue Dimension und gewinnt somit zunehmend an Bedeutung: Dafür gebe ich Ihnen 3 Beispiele.

  • Die aktuelle Umfrage der BQS zur Reevaluation der QS-BAA Richtlinie im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fragt Kenngrößen und Parameter ab, die die Qualität in der Versorgung des Bauchaortenaneurysmas abbilden sollen.

  • Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) erarbeitet derzeit im Rahmen von Experteninterviews an einer Neukonzeption planungsrelevanter Qualitätsindikatoren. Man beachte das Adjektiv „planungsrelevant“.

  • Dem Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt ein in Auftrag gegebenes Gutachten zur Neustrukturierung seiner Krankenhauslandschaft vor

Der Vorstand der DGG engagiert sich im Übrigen in den oben genannten Belangen in Vertretung und in Verantwortung für seine Mitglieder und das Fach Gefäßchirurgie.

Qualitätsindikatoren werden somit zukünftig darüber mitentscheiden, wer, wo und ggf. wie viel operieren bzw. therapieren darf und soll. Wir brauchen deshalb dringender denn je Evidenz und Kenntnis über Qualitätsindikatoren, um gefäßchirurgische sowie interventionell-endovaskuläre Qualität objektiv zu beurteilen. Dabei dürfen wir die Definition, „was Qualität indiziert“, nicht alleine anderen überlassen.

Vor diesem Hintergrund haben wir dieses Heft konzipiert und Ihnen folgende Artikel präsentieren:

Prof. Grundmann und Prof. Schmitz-Rixen beantworten die Frage, welche Parameter wir zur Erarbeitung von Qualitätsindikatoren benötigen. Risikoadjustierung und langfristige Follow-up-Ergebnisse von sog. Real-World-Registerdaten spielen dabei eine große Rolle.

Bei der Behandlung der primären Varikose steht die Lebensqualität nach der Behandlung wie in keinem anderen Bereich im Zentrum und Fokus der Bewertung. Die Arbeit der Kollegen PD Dr. Th. Noppeney und Dr. H. Nüllen geben einen Überblick über gegenwärtige und zukünftig notwendige Messgrößen zur Beurteilung von QI.

Demirel S. und H. Jalaie et al. befassen sich mit einem wichtigen und in den Händen von Gefäßchirurgen noch nicht breitflächig etablierten Therapieverfahren, der endovaskulären Rekanalisation des chronisch verschlossener tiefen iliofemoralen Venensystems. Diese methodisch hervorragend erarbeitete Publikation unterscheidet in Ergebnis- und Prozessindikatoren und ist meines Erachtens sehr ausgewogen formuliert worden. Sie zeigt auch die Grenzen der Bestimmung von Messgrößen als QI auf, da Heterogenität des Patientenguts, Diversität der verwendeten Medizinprodukte (Stents) und fehlende komparative Studien der Behandlungsoptionen die klare Definition von Qualität limitieren.

Komparative Studien können die Definition von Qualität verbessern

Die Autorengruppe um F. Peters und C. Behrendt beschreiben in einer Übersichtsarbeit die Vorteile und Herausforderungen bei der Verwendung von Routinedaten der Krankenkassen, um Qualitätsentwicklungsprojekte mit Primärdaten komplementär zu ergänzen.

In einer systematischen Literaturrecherche werden von T. Schmitz-Rixen et al. mit großer Sorgfalt und viel Aufwand Qualitätsparameter in der Berichterstattung bei Versorgung des intakten und rupturierten Bauchaortenaneurysmas dargestellt.

P. Tsantilas und H.H. Eckstein et al. stellen die Qualitätsindikatoren in der Behandlung der Karotisstenose vor. Dies ist vor dem Hintergrund der bundesweit gesetzlich verpflichtenden Qualitätssicherung von herausragender Bedeutung. Die Indikationsstellung und eine niedrige Komplikationsrate des primären Endpunkts Schlaganfall und Tod sind die zentralen Qualitätsziele.

Die Mitglieder der Kommission „pAVK und Diabetischer Fuß“ der DGG diskutieren in ihrem Beitrag anhand einer Literaturrecherche die derzeit zur Verfügung stehenden Indikatoren für die Ergebnisqualität in der Behandlung der pAVK. C. Uhl et al. konnten dabei 8 Qualitätsindikatoren identifizieren.

Qualitätsindikatoren verändern sich über die Zeit. Warum? Weil sich Methoden verändern, weil Langzeitdaten publiziert werden und ggf. die klinischen Ergebnisse in ein neues Licht stellen (z. B. EVAR1, DREAM), weil Leitlinien neu aufgelegt werden und nicht zuletzt neue Benchmarks hinzukommen. Ich halte z. B. die exponierte Strahlenbelastung bei einem standardisierten interventionellen Routineeingriff für einen prozeduralen Qualitätsparameter. Wir müssen also auch zukünftig die definierte Qualität neu denken und bei zunehmender Evidenz eine konstante Anpassung vornehmen.

Ich habe mit Georg-Wilhelm Exler begonnen und möchte auch mit einem Zitat, dass ich gerne und sofort unterschreibe, schließen: „Qualität ist nur dauerhaft gut, wenn sie sich dauernd verbessert.“

In diesem Sinne wünsche ich ihnen viel Wissensgewinn, Denkansporn, Reflexion und Freude bei der Lektüre dieses Themenheftes unseres gemeinsamen Organes von DGG; ÖGG und SGG.

Es grüßt Sie herzlichst

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Ihr Dittmar Böckler