A. Hickmann aus D 01558 Grosshain, R. Kaiser aus CH 9007 St. Gallen, C. Weiss aus D 70199 Stuttgart und M. Winther aus D 26789 Leer haben zu dem in Gefässchirurgie Nr. 8/2014 geschilderten Fall eines Hämodialysepatienten [1] Vorschläge von Zugangsoptionen gemacht. Diese werden im Folgenden zusammengefasst, gefolgt von zwei Abklärungs- und Therapievorschlägen, die wir bei internationalen Experten eingeholt haben. Letztere wurden auch um eine Meinung zu wichtigen Problemen in der Shuntchirurgie gebeten.

Die Meinungen der Leser zum Fall

Eine Empfehlung war, auch bei fehlender Anamnese und Klinik stets eine Duplexsonographie der Venen durchzuführen. In diesem Fall also die Beinvenen beidseits vor der geplanten Kathetereinlage auf Offenheit zu prüfen. Zwei Leser hätten einen temporären resp. einen tunnelierten Hämodialysekatheter in die Iliakalvene links eingeführt, um nach einem Fistelmapping des rechten Arms eine autologe Vorderarmfistel rechts anzulegen und über eine Katheterdialyse die „Fistelreifung“ abzuwarten. In einer andern Zuschrift wurde empfohlen, eine früh anstechbare Schlingenfistel rechts zu platzieren, damit wegen des Infekt- und Thromboserisikos ganz auf eine Kathetereinlage verzichtet werden kann. Auch der Wechsel des Dialyseverfahrens mit Implantation eines CAPD-Katheters wurde als Option vorgeschlagen, da mit diesem Verfahren immediat eine Dialyse begonnen werden kann, welche nach einer initialen Einheilungsphase von 7 Tagen voll funktionsfähig ist. Es wurde zudem angeregt, eine Thrombophilieabklärung einzuleiten, weil es unklar ist, wieso dieser junge Patient an verschiedenen Lokalisationen thrombosierte Venen aufweist. Als weitere Optionen wurde ein Collier-Shunt von der linken A. subclavia zur rechten V. subclavia oder gar die Anlage eines arterioarteriellen Loop-Grafts genannt. Beim Vorschlag eines biologischen Grafts mit Omniflow II von der distalen linken A. femoralis superficialis auf die V. saphena magna im Crosse-Bereich müsste ein Shaldon-Katheter temporär in der linken Leiste belassen werden. Von den endovaskulären Verfahren könnte ein retrograder Kanülierungsversuch des Truncus brachiocephalicus erwogen werden, damit man über den zentral am rechten Arm geborgenen Guidewire einen tunnelierten HD-Katheter oder den venösen Anteil eines HeRO-Katheters einführen könnte, der dann mit einem PTFE-Graft anastomosiert auf die A. brachialis konnektiert werden kann. Als letzte Option wurde eine Thorakotomie vorgeschlagen, um über diesen Zugang einen HeRo-Katheter respektive einen Graft in den rechten Vorhof einzubringen. Aus Sicht der Autoren sind die letzten beiden Optionen sehr invasive Verfahren und auch der arterioarterielle Shunt birgt seine Risiken.

Die Meinung von Samuel E. Wilson und Vincent E. Kirkpatrick, USA

Korrespondenzadresse:

Samuel Eric Wilson, VA Long Beach Healthcare System, mail code 12–112, 5901 E. 7th St, Long Beach, CA 90822, United States of America

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Die erste Wahl für einen Hämodialysezugang bei diesem ungewöhnlichen Fall wäre eine arteriovenöse Polytetrafluoroethylene-Prothese (6 mm) im Bereich der rechten oberen Extremität, zum Beispiel als brachiozephaler oder radiozephaler Shunt innerhalb von 24 Stunden. Eine Hämodialyse könnte so innerhalb von 24–48 Stunden durchgeführt werden. Die Implantation eines rechtsseitigen zentralen venösen Katheters sollte aufgrund der Thrombosierungsgefahr sowie der Verlegung des letzten zur Verfügung stehenden venösen Zugangs der oberen Extremitäten vermieden werden.

Als zweite Wahl könnte eine arteriovenöse 8-mm-PTFE-Prothese zwischen der linken A. femoralis entweder zur linken V. saphena oder V. femoralis etabliert werden. In einem nächsten Schritt müsste dann der temporäre Hämodialysekatheter in der linken V. femoralis innerhalb von 5 Tagen entfernt werden, um eine Infektion zu vermeiden.

Auf die Frage, welche drei großen Herausforderungen für einen Shuntchirurgen bestehen, meint Samuel Wilson:

  • Als Erstes muss, wenn immer möglich, eine autologe arteriovenöse Fistel angelegt werden, ohne Revisionsoperationen zu provozieren. Dabei sollte eine Offenheitsrate von über 75% erreicht werden.

  • Die zweite Hauptherausforderung ist, den Scharfsinn zu haben, einen Dialysezugang zu schaffen, ohne andere Zugangsoptionen zu kompromittieren oder einen Katheter einzusetzen.

  • Die dritte Herausforderung sind Patienten mit einer Thrombophilie. Dies ist der Fall, wenn trotz gutem Fistelfluss, aus irgendwelchem Grund, die Fistel thrombosiert. Eine Antikoagulation könnte hier hilfreich sein. Trotzdem enden diese Patienten häufig mit einem zentralvenösen Katheter.

Was wäre für Samuel Wilson ein großer Erfolg in der Shuntchirurgie?

Den größten Fortschritt für die Pflege der Fisteln wäre die Verhinderung der myointimalen Hyperplasie. Dies wäre ein Goldsegen für die Hämodialysefisteln.

Der Experte empfiehlt den Artikel von Sgroi et al. zur Lektüre (Infobox 1).

Die Meinung von Peter Robless aus Singapur

Korrespondenzadresse:

Peter Robless, MD, FRCS, FEBVS, MBChB, Division of Vascular and Endovascular Surgery Dept of Cardiac Thoracic & Vascular Surgery, National University Health System 5, Lower Kent Ridge Road Singapore 119074

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Wie aus den vorhandenen Unterlagen hervorgeht, ist die rechte obere Extremität die Hauptwahl für einen Gefäßzugang. Entweder wird eine Vorderarm-AV-Fistel oder, falls ein baldiger Zugang erforderlich ist, ein tunnelierter Graft angelegt. Es wäre von Vorteil, ein Venenmapping des rechten Arms zwecks Beurteilung der V. basilica und V. cephalica zu haben. Aufgrund des jungen Alters des Patienten wäre eine primäre AV-Fistel wünschenswert.

Peter Robless’ Stellungnahme zu zwei Fragen lautet:

Was ist die große Herausforderung des Shuntchirurgen?

Man soll frühzeitig einen Gefäßzugang kreieren, um katheterassoziierte Komplikationen zu minimieren. Auch jüngere Patienten, die auf eine Nierentransplantation warten, sind eine Herausforderung hinsichtlich eines Dialysezugangs. Bei Patienten über 80 Jahren muss durch eine sinnvolle Verfahrenswahl die Lebensqualität während ihrer Dialysezeit gewährleistet werden.

Was für eine Art von Fistelchirurgie braucht es in der Zukunft?

Peter Robless glaubt, dass der Bedarf an Dialysezugängen mit der älter werdenden Gesellschaft wächst. Es braucht deshalb mehr Training, um eine gute Qualität sicherzustellen. Es braucht zudem auf Register abgestützte Behandlungskonzepte, die es erlauben, zu entscheiden, welches der beste Zugangsweg für die jeweils unterschiedlichen Patienten ist.

Peter Robless hat folgende Artikel zum Thema publiziert (Infobox 2).

Was haben die Autoren gemacht?

Bedingt durch die thrombosierte Beckenvenenthrombose wäre als einfacher Katheter-Dialyse-Zugang nur die linke V. iliaca externa oder V. iliaca communis infrage gekommen. Damit hätte man aber im Verlauf eine Thrombose dieser Seite riskiert, mit Folgen auch für die bereits obliterierte rechte Seite. Als einziger Arm für eine Shuntanlage kommt nur die rechte Seite infrage. Eine brachiobasiläre Fistel hätte vorverlagert werden müssen und wäre nicht sofort anstechbar gewesen. Die Implantation einer früh anstechbaren PTFE-Prothese im Bereich des Vorderarms schien uns zielführend, da diese innerhalb von 24 Stunden angestochen werden kann und zweitens, angeschlossen auf die V. basilica, eine „Reifung“ dieser Vene erlaubt (Abb. 1) [2, 3]. Beim Verlust der Schlingenfistel besteht die Option, auf eine native Fistel zu wechseln. Knapp drei Jahre nach Anlage war eine erste Revision wegen einer Stenose im Bereich der venösen Anastomose  notwendig.

Abb. 1
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Der Patient wird 24 Stunden nach Implantation einer früh anstechbaren Prothese über diesen Zugang dialysiert

Aufruf für neue Fälle

Der Rubrikverantwortliche freut sich auf Zusendungen von Fällen, die der Leserschaft zur Diskussion vorgelegt werden können. Denn neben der Technik kommt der Taktik in der Shuntchirurgie große Bedeutung zu. Greifen Sie, liebe Leser, zur Feder.