Die absolute Zahl von Krebserkrankungen in Deutschland nimmt aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung weiter zu. Gleichzeitig sind die hiermit verbundenen Therapiekosten in den letzten Jahren, insbesondere für die Behandlung fortgeschrittener Tumoren, stark angestiegen. Entsprechend wird das Konzept einer Prävention von Krebserkrankungen ständig attraktiver. Passend hierzu wurde 2015 das Präventionsgesetz verabschiedet, mit dem die Vermeidung von Krankheiten unterstützt werden soll.

Zu unterscheiden sind drei verschiedene Arten von Prävention. Unter Primärprävention versteht man das Verhindern einer Erkrankung. Unter Sekundärprävention wird die eigentliche Früherkennung von Erkrankungen in einem möglichst frühen Stadium verstanden. Der häufig benutzte Begriff Screening beinhaltet sowohl Primär- als auch Sekundärprävention. Unter der Tertiärprävention wiederum versteht man nach überstandener Erkrankung die Verhinderung eines Rezidivs.

Das Risiko für viele maligne Tumoren kann durch eine Modifikation von Lebensstilfaktoren günstig beeinflusst werden. Die Chemoprävention stellt einen weiteren interessanten Ansatz dar. Wie Kolligs in seiner Übersicht darlegt sind die Studienergebnisse für die Chemoprävention maligner Tumoren zum einen unzureichend, zum anderen enttäuschend. Die meisten Daten liegen für die Chemoprävention des kolorektalen Karzinoms vor. Acetylsalicylsäure scheint wie bei anderen Tumoren einen protektiven Effekt aufzuweisen, die genaue Effektivität ist jedoch aufgrund der mit einer Einnahme verbundenden Nebenwirkungen insbesondere gastrointestinaler Art weiterhin nicht gänzlich geklärt. Sicher ist, dass eine Eradikation von Helicobacter pylori das Magenkrebsrisiko senken kann. Unter dem Gesichtspunkt einer hohen „number-needed to treat“ und zunehmender Antibiotikaresistenzen scheint es jedoch zweifelhaft, unter diesem Aspekt eine generelle Eradikation jedes Helicobacter-pylori-Nachweises zu empfehlen. Gesichert ist die Effektivität einer antihormonellen Therapie, um das Risiko für Brustkrebs zu senken. Insbesondere für Risikopersonen mag dieses Konzept attraktiv wirken, die Therapie ist jedoch mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen verbunden und eine Senkung der brustkrebsbedingten Mortalität konnte bisher nicht gezeigt werden.

Insgesamt gibt es bisher kein Medikament, dessen Einsatz zur Krebsprävention empfohlen wird.

Die Detektion und Abtragung von Adenomen im Rahmen der Koloskopie ist sicher eine effektive Form der Primärprävention des kolorektalen Karzinoms. Gleiches gilt für die Zervixkarzinom-Vorsorge. Beim Brustkrebs geht es darum, im Sinn einer Früherkennung Tumoren in einem möglichst frühen Stadium zu diagnostizieren, um die Prognose der Erkrankung zu verbessern. Standardverfahren ist das Mammographie-Screening, das gleichzeitig bisher die einzige Krebsfrüherkennungsmaßnahme ist, für die ein deutschlandweites Einladungsverfahren etabliert ist. Die Effektivität des Mammographie-Screenings wird teilweise in der Öffentlichkeit infrage gestellt. Junkermann zeigt in seinem Artikel Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings auf. Hierbei werden auch Risiken in Form von Überdiagnosen und falsch-positiven Verdachtsbefunden kritisch erläutert. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass eine Teilnahme am Mammographie-Screening zwischen 50 und 70 Jahren von Nutzen zu sein scheint und mit einer Senkung der brustkrebsbedingten Mortalität einhergeht. Gleichzeitig zeigen die deutlich angestiegenen Teilnahmeraten, was durch ein Einladungsverfahren erreicht werden kann. Derzeit werden Einladungsverfahren für das Darmkrebs- und Zervix-Screening vorbereitet. Hier sind ähnliche Effekte zu erhoffen.

Sport hat eine potenzielle Bedeutung sowohl in der Primär- als auch Tertiärprävention

Beim Prostatakarzinom hat es in der Wertung der Sinnhaftigkeit der PSA-Bestimmung große Schwankungen gegeben. Nach anfänglichem teils unkritischem breitem Einsatz folgte u. a. aufgrund negativer Ergebnisse aus den USA zwischenzeitlich eine generelle Ablehnung des Einsatzes. Wie Arsov und Albers in ihrem Artikel zeigen, könnte der Einsatz eines risikoadaptierten PSA-Screenings eine Möglichkeit darstellen, die Prostatakarzinome möglichst früh zu entdecken, welche ohne Therapie im Verlauf symptomatisch werden würden und deren Behandlung daher sinnvoll ist. Gleichzeitig könnte hierdurch die Rate an Überdiagnostik, d. h. die Detektion von Karzinomen, die während der Lebenszeit des Patienten nicht symptomatisch werden würden, reduziert werden. Zusätzlich beschreiben die Autoren eine mögliche Weiterentwicklung durch den Einsatz der MRT.

Die Bedeutung regelmäßiger sportlicher Aktivitäten für die allgemeine Gesundheit ist hinreichend bekannt. Wie Karkowski-Rosen erläutert, hat Sport eine potenzielle Bedeutung sowohl in der Primär- als auch Tertiärprävention. Es werden zusätzlich mögliche pathophysiologische Ansätze als Erklärung vor dem protektiven Effekt aufgezeigt.

Die Mehrzahl von Tumorerkrankungen treten sporadisch auf. Personen mit einer angeborenen Tumorpräsdisposition, sog. hereditäre Tumoren, gehen mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko einher. Wie Möslein und Schmutzler am Beispiel der gastrointestinalen Tumoren aufzeigen, kommt einer Identifikation dieser Anlageträger eine hohe Bedeutung zu. Im Rahmen der familiären adenomatösen Polyposis ist durch die Proktokolektomie eine effektive Primärprävention des kolorektalen Karzinoms möglich. Beim Lynch-Syndrom gibt es Hinweise, dass der Einsatz von Acetylsalicylsäure für die Primärprävention sinnvoll sein könnte. Bei dieser Risikogruppe sollten regelmäßige diagnostische Maßnahmen erfolgen, um zum einen durch die Abtragung kolorektaler Adenome eine Primärprävention zu ermöglichen, anderseits durch die vorzeitige Diagnose z. B. von Endometriumkarzinomen die Prognose der Patienten entscheidend zu verbessern. Auch besteht durch eine Hysterektomie und Ovarektomie die Möglichkeit einer Primärprävention, die mit Anlageträgerinnen besprochen werden sollte.

Insgesamt geben die fünf Artikel einen guten Überblick über die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen der Prävention. Um eine möglichst hohe Effektivität von Screening-Maßnahmen zu erreichen, sind Einladungsverfahren unabdingbar. Des Weiteren ist für eine effektive Messung von Risiken und Nutzen und die Sicherstellung einer größtmöglichen Qualität ein durchgehendes Monitoring der Ergebnisse und deren Konsequenzen der im Rahmen des Screenings erhobenen Befunde unabdingbar. Nur so ist eine objektive Bewertung der Effektivität der Maßnahmen möglich.

In Tab. 1 sind gesetzlich festgelegte Früherkennungsmaßnahmen in Deutschland mit Bewertung bezüglich der Möglichkeit einer Primärprävention gelistet.

Tab. 1 Programm der gesetzlichen Krebsfrüherkennung in Deutschland

Christian Pox

figure b

Für die Schriftleiter

Heinz Schmidberger

figure c

Für die Herausgeber