In diesem Leitthemenheft können natürlich nur einige der durchaus zahlreichen klinischen Entitäten seltener Tumoren abgehandelt werden. Dabei ist ohnehin die Begrifflichkeit „seltener Tumor“ durchaus unscharf. Denn die niedrige Inzidenz, welche im Allgemeinen dazu führt, eine Geschwulst als selten einzustufen, wird durch unterschiedliche geographische und exogene Einflussfaktoren, aber auch durch spezielle histomorphologische und zunehmend auch molekulargenetische Subklassifikation gängig etablierter Tumorentitäten und -Klassen mitbeeinflusst. Es konnte daher nur eine von den Schriftleitern getroffene Auswahl einiger weniger (im deutschen Sprachraum) seltener Tumoren in dieses Leitthemenheft aufgenommen werden. Überschneidungen zu vorangegangenen Leitthemenheften, in welchen z. B. Organtumoren der Lunge oder des Magen-Darm-Trakts oder Entitäten wie das maligne Melanom abgehandelt wurden, sind somit nicht vermeidbar. Die Artikel dieses Hefts sollten daher weniger als Redundanz als vielmehr zusätzliche Ergänzung unter einem etwas anderem Blickwinkel angesehen werden.

Eine in diesem Zusammenhang seltene Tumorerkrankung ist das maligne Pleuramesotheliom (MPM). Hatz und Klotz beschreiben in ihrem Beitrag umfassend die klinischen Anforderungen, welche an das multimodale Management der Pleuramesotheliome zu stellen sind. Welche Bedeutung hierin liegt, zeigen unter anderem auch Hinweise, dass die Inzidenz dieser Tumorerkrankung in den nächsten Jahren zunehmen wird.

Bei Verdacht auf Pleuramesotheliom (pleurale Verdickung) sollte die Diagnose mittels Videothorakoskopie und Biopsie histologisch konsequent abgeklärt werden.

Bei generell operablen Patienten wird die makroskopisch komplette Tumorresektion angestrebt. Das kann im Sinne extrapleuraler Pneumonektomie oder radikaler Pleurektomie/Dekortikation erfolgen. Bislang gibt es keine randomisierte Studie zum Vergleich dieser zwei operativen Verfahren. HITHOC (hypertherme intrathorakale Cisplatin-Perfusion) und adjuvante Chemotherapie sollen das operative Ergebnis konsolidieren.

Fernmetastasierte Tumoren oder Befunde mit Infiltration der Thoraxwand oder des Mediastinums gelten als inoperabel. In diesen Fällen und bei multimorbiden Patienten hat sich die Kombinationssytemtherapie Cisplatin/Pemetrexed etabliert. Möglichkeiten der Zweitliniensystemtherapie sind Pemetrexed alleine oder Gemcitabin/Vinorelbin. Beide Schemata verbessern das Gesamtüberleben jedoch nicht. Vielversprechend für die Zukunft erscheint die Kombination aus konventioneller Chemotherapie mit Immuntherapie und molekular zielgerichteten Therapien. Ein Algorithmus zur Behandlung des malignen Pleuramesothelioms ist im einführenden Leitthemenbeitrag in Abb. 1 dargestellt.

Das extrakutane Melanom ist eine biologisch und morphologisch komplett andere Entität als die kutanen Melanome, wie Ghazal et al. in ihrem Beitrag „Extrakutane Melanome unter besonderer Berücksichtigung des mukosalen Melanoms“ herausarbeiten. Extrakutane Melanome sind ausgesprochen selten (5% aller Melanome) und daher bisher nicht in den S3-Leitlinien zum malignen Melanom berücksichtigt. Auch prospektive, randomisierte und kontrollierte Studien fehlen aufgrund der Seltenheit dieser Entität.

Mehr als die Hälfte der Befunde entsteht im Kopf-Hals-Bereich (okulare Melanome), ein Viertel im genitalen und anorektalen Bereich. Eine TNM-Klassifikation existiert nur für Befunde im Kopf-Hals-Bereich. Generell wird ein Lymphknotenbefall als Stadium II und eine Fernmetastasierung als Stadium III bezeichnet. Clark-Level und Tumordicke nach Breslow spielen bei dieser Tumorentität im Gegensatz zum kutanen Melanom keine Rolle. Der Primärtumor soll stets komplett exzidiert werden. Eine lokale Nachbestrahlung des Situs und der lokoregionären Lymphknoten wird empfohlen. Da bis zu 40% aller Tumoren c-KIT-Mutationen oder -Amplifikationen aufweisen, werden Imatinib, Sunitinib und Dasatinib im Rahmen von klinischen Studien angewendet. In Abb. 2 des einführenden Leitthemenbeitrags wird das derzeit in der Regel empfohlene Vorgehen bei extrakutanen Melanomen schematisch dargestellt.

Schalk et al. geben eine Übersicht über das heterogene Gebiet der Weichteiltumoren (mit 156 verschiedenen Entitäten nach WHO) und prinzipielle Aspekte sowie Hinweise ihrer Behandlung. Die häufigsten Weichteilsarkome sind das undifferenzierte pleomorphe Sarkom, das Lipo-, das Leio-, das Myxo- und das Synovialsarkom sowie der maligne periphere Nervenscheidentumor. 75% der Weichteilsarkome sind im Bereich der Extremitäten lokalisiert. Bei ungefähr 10% der Patienten werden bereits Fernmetastasen (meist in der Lunge) bei Diagnosestellung festgestellt.

Chirurgisch ist eine sichere R0-Resektion durch eine erweiterte oder Kompartment-Resektion unter Monobloc-Mitnahme sämtlichen Gewebes, welches sich im Kontakt mit dem Tumor befindet, anzustreben. Primärtumoren mit höherem Grading (G2–G3) und größer als 5 cm im Durchmesser oder Befunde, die R1- und R2-reseziert wurden, werden bei Unmöglichkeit einer Nachresektion standardmäßig adjuvant bestrahlt. Die lokale Tumorkontrolle, nicht aber das Gesamtüberleben, wird dadurch verbessert. Synchron (insbesondere multipel) metastasierte Patienten werden in der Regel zunächst primär chemotherapiert. Bei Ansprechen auf diese Behandlung wird ein zusätzliches operatives Vorgehen erneut interdisziplinär beraten. Am häufigsten wird derzeit eine Adriamycin- und Ifosfamid-basierte Chemotherapie sowohl neoadjuvant als auch adjuvant mit oder ohne Strahlentherapie in ein multimodales Behandlungskonzept integriert. In der palliativen Situation werden auch Trabectedin und Pazopanib angewendet. Eine schematische Darstellung eines für alle Sarkome zutreffenden Behandlungsalgorithmus ist problematisch und der Komplexizität nicht angemessen. Unter dieser Einschränkung spielt das Grading für eine allgemeine Behandlungsplanung eine wichtige Rolle (Abb. 3 des einführenden Leitthemenbeitrags).

März und Piso erläutern auf Basis ihrer eigenen langjähriger Erfahrung die Prinzipien von Diagnostik und Therapie des Pseudomyxoma peritonei. Für die Sicherung der Diagnose und Einschätzung der Ausdehnung des Tumors ist die Laparoskopie entscheidend. Die Einteilung erfolgt in Low- und High-grade-Tumoren mit „low“ oder „high volume“ (nach der Menge der muzinösen Masse im Abdomen).

Die einzige kurative Behandlung stellt derzeit die zytoreduktive Operation mit intraperitonealer Chemotherapie (HIPEC oder EPIC) dar. Angestrebt wird eine komplette Entfernung der gesamten Tumormassen inklusive des Peritoneums. Eine Chemotherapie im Sinne einer HIPEC (Verabreichung der Zytostatika intraperitoneal bei 42°C) oder einer EPIC (Verabreichung der Chemotherapie postoperativ über die einliegenden Drainagen) ist in Zusammenhang mit der Zytoreduktion durchzuführen. Für multimorbide Patienten kann ein sog. „serial debulking“ durchgeführt werden. Das heißt, bei der Erstoperation wird ggf. nur eine mit der Komorbidität des Patienten vertretbare Tumormassenreduktion vorgenommen, ein erneutes „debulking“ folgt erst beim Vorliegen eines Rezidivs. Der Nutzen einer systemischen Chemotherapie ist umstritten und wird zurzeit nur bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung oder bei Rezidiven in palliativer Intention verabreicht. Ebenfalls als palliativer Ansatz wird in einzelnen Fällen eine Ganz-Abdomen-Bestrahlung angeboten. In Abb. 4 des einführenden Leitthemenbeitrags ist ein therapeutischer Algorithmus beim Pseudomyxoma peritonei grob skizziert.

Seltene Tumorerkrankungen bedingen nicht nur spezielle medizinische, sondern auch psychologische Herangehensweisen. Allein der Umstand der Seltenheit kann zusätzliche Ängste und Zweifel bei den Betroffenen auslösen, nicht von einem adäquat spezialisierten Arzt versorgt zu werden oder sich mit Gleichbetroffenen ausreichend und wohnortnahe austauschen zu können. Das Belastungsspektrum dieser Patienten und praxisbezogene Auswege hieraus werden in dem interessanten Beitrag von J. Panse in der Rubrik „Psychoonkologie“ erörtert und aufgezeigt.

Das aktuelle Leitthemenheft gibt somit den Lesern einen interessanten Einblick in den aktuellen Stand und die vielseitigen Bemühungen um Diagnose und Therapie bei vier ausgewählten „Seltenen Tumorerkrankungen“ Das vorliegende Heft verdeutlicht aber auch gleichzeitig, dass die Behandlungskonzepte bei den seltenen Tumoren im Vergleich zu denen bei häufigeren Tumoren noch weniger allgemein abgesichert und standardisiert sind. Es muss daher weiterhin ein vordringliches Ziel sein, gerade Patienten mit seltenen Tumoren vornehmlich im Rahmen klinischer, kontrollierter Studien zu behandeln. Der seltene Tumor sollte damit zum häufigsten in Studien behandelten Tumor werden.

Für die Schriftleiter

Christiane Bruns

Für die Herausgeber

Peter Michael Schlag