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Zur Abwägung von Menschenleben – Gedanken zur Leistungsfähigkeit der Verfassung

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Journal für Rechtspolitik

Zusammenfassung

Der Staat steht regelmäßig vor der Aufgabe, Interessen gegeneinander abzuwägen. Die Leistungsfähigkeit einer Verfassung beruht zu einem guten Teil darauf, Vorgaben für die Abwägung bereit zu stellen, was auch Fragen zur Abwägung von Menschenleben mit umfasst. Konkret wurde die Abwägung von Menschenleben im Zusammenhang mit dem Abschuss eines entführten Flugzeugs diskutiert. Anders als in Fällen, in denen der Staat nur indirekt über Menschenleben entscheidet (zB bei der Frage, wie viel in die Verkehrssicherheit investiert werden soll), herrscht bei direkten Entscheidungen weitgehende Zurückhaltung bei der Abwägung von Menschenleben. Die Ansicht, dass 1 Menschenleben nicht verloren gehen darf, um 2 Menschenleben zu retten, soll hinterfragt werden. Der Beitrag diskutiert, welche Erwägungen gegen ein Eingreifen des Staates dennoch angeführt werden können und geht auf die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Grundlagen ein.

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Notes

  1. Siehe zur Abwägungsperspektive Ladeur, Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik (2004).

  2. BVerfG, 1 BvR 357/05 v 15.2.2006; siehe auch Bezemek, Unschuldige Opfer staatlichen Handelns, JRP 2007, 121 ff; Eberhard, Recht auf Leben, in: Heißl (Hrsg), Handbuch Menschenrechte (2009) 80 (87 f).

  3. Siehe differenzierend Kneihs, Schutz von Leib und Leben sowie Achtung der Menschenwürde, in: Schäffer (Red), Grundrechte in Österreich, Bd VII/1 (Merten/Papier [Hrsg], Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa [2009]) 137 (159 ff); siehe auch Bezemek (FN 2) 126.

  4. Vgl Grechenig/Gelter, Juristischer Diskurs und Rechtsökonomie, JRP 2007, 30 ff (36).

  5. Broome, Weighing Lives (2004) 1 ff.

  6. ZB Donohue/Wolfers, Uses and Abuses of Empirical Evidence in the Death Penalty Debate, Stanford Law Review 2005, 791 ff.

  7. Siehe zur Diskussion im Fall Daschner: Götz, Das Urteil gegen Daschner im Lichte der Werteordnung des Grundgesetzes. Anmerkung zu LG Frankfurt, U v 20.12.2004 – 5/27 KLs 7570 Js 203814/03 (4/04), NJW 2005, 953; Erb, Notwehr als Menschenrecht – Zugleich eine Kritik der Entscheidung des LG Frankfurt am Main im „Fall Daschner“, NStZ 2005, 593; Herzberg, Folter und Menschenwürde, JZ 2005, 321; Schmahl/Steiger, Völkerrechtliche Implikationen des Falls Daschner (zugleich Anmerkung zu LG Frankfurt, U v 20.12.2004 – 5/27 KLs 7570 Js 203814/03 (4/04), AVR 2005, 358; Braum, Erosionen der Menschenwürde. Auf dem Weg zur Bundesfolterordnung (BFO)? Anmerkung zu LG Frankfurt, U v 20.12.2004 – 5/27 KLs 7570 Js 203814/03 (4/04) – (Fall Daschner), KritV 2005, 283; Jerouschek, Gefahrenabwehrfolter – Rechtsstaatliches Tabu oder polizeirechtlich legitimierter Zwangseinsatz?, JuS 2005, 296; C. Jäger, Das Verbot der Folter als Ausdruck der Würde des Staates, in: Herzberg-FS (2008) 539; EGMR, 10.4.2007, BeschwNr 22978/05 (Fall Daschner) = NJW 2007, 2461.

  8. BVerfG (FN 2) Abs-Nr 130.

  9. „… it seems clear that, in general, a lexical order cannot be strictly correct …“, Rawls, A Theory of Justice (rev ed [1999]) 40.

  10. http://www.forumgesundheit.at („Tödliche Keime“).

  11. http://www.apotheker.or.at („Apothekertagung: 55.000 Spitalsinfektionen pro Jahr in Österreich“, APA Meldung von der Fortbildungstagung für ApothekerInnen, Saalfelden am 4.3.2009). Es wird eine Bandbreite von 240 bis 4.800 Fällen angegeben.

  12. Siehe Eberhard (FN 2), 90.

  13. Frowein, Art 2, in: Frowein/Peukert (Hrsg), EMRK-Kommentar3 (2009) 36.

  14. Kneihs, Art 2 EMRK, in: Rill/Schäffer (Hrsg), Kommentar zum Bundesverfassungsrecht (4. Lfg 2006) Rz 22.

  15. Siehe auch Kneihs, Terrorabwehr: Darf der Staat wirklich Schuldlose töten?, Die Presse 6.3.2006, 6 (http://www.diepresse.com).

  16. Kneihs (FN 3) 159 ff; siehe auch Bezemek (FN 2) 126.

  17. Siehe auch §§ 16 ff MBG, insb § 19 MBG.

  18. Die entspricht Art 2 Abs 2 lit c EMRK. Siehe dazu Grabenwarter, EMRK4 (2009) 139.

  19. Siehe auch § 6 MBG sowie N. Raschauer/Wessely, MBG-Kommentar2 (2007) 53 ff.

  20. Allerdings fällt unter militärische Rechtsgüter gem § 1 Abs 7 MBG nicht nur das Leben und die Gesundheit von Personen, die mit der Vollziehung militärischer Angelegenheiten betraut sind, sondern auch das Leben und die Gesundheit von Organwaltern verfassungsmäßiger Einrichtungen, sofern deren Schutz jeweils im Rahmen der militärischen Landesverteidigung zu gewährleisten ist.

  21. Als Einsatz gilt gem § 1 Abs 9 MBG „ein Einsatz des Bundesheeres zur militärischen Landesverteidigung nach § 2 Abs 1 lit. a des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146“.

  22. Bezemek (FN 2) 129: „Der Staat hat vielmehr seine Schutzpflicht jenen gegenüber wahrzunehmen, die er retten kann, somit zu retten, was zu retten ist, ohne abzuwägen, ohne zu quantifizieren.“

  23. Ein grundrechtlicher Anspruch auf eine bestimmte Handlung durch den Staat lässt sich allerdings grundrechtlich nicht begründen. Siehe Pabel, Sicherheit als Schutzgut in der grundrechtlichen Güterabwägung, in: Lienbacher/Wielinger (Hrsg), Öffentliches Recht. Jahrbuch 2008 (2008) 173 (181).

  24. Kneihs (FN 3) 161.

  25. Ebenda, 153.

  26. Siehe Kozma, The Example of Torture: Are there any constitutional limits left?, in: Eberhard ua (Hrsg), Constitutional Limits to Security (2009) 167 (178 ff).

  27. Broome (FN 5) 1 ff.

  28. Das hier vorgenommene Gedankenexperiment folgt der prägnanten Beschreibung des Ökonomienobelpreisträgers Harsanyi, Cardinal Utility in Welfare Economics and in the Theory of Risk-taking, Journal of Political Economy 1953, 434.

  29. Siehe Chen, Markets and Morality: How Does Competition Affect Moral Judgment? (Arbeitspapier) mwN. Chen verwendet die Bezeichnung „utilitaristisch“ für Personen, die die kleinere Zahl der größeren opfern würde und „deontologisch“ für Personen, die inaktiv bleiben würden.

  30. Siehe Grechenig/Nicklisch/Thöni, Punishment Despite Reasonable Doubt – A Public Goods Experiment with Sanctions Under Uncertainty, Journal of Empirical Legal Studies (in Druck) mit zahlreichen Nachweisen.

  31. Kelsen, Reine Rechtslehre2 (1960) 350 ff.

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Wir danken Harald Eberhard, Claudia Fuchs und Christoph Konrath für die Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Hinweise. Für den Inhalt und Fehler bleiben selbstverständlich die Autoren verantwortlich.

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Grechenig, K., Lachmayer, K. Zur Abwägung von Menschenleben – Gedanken zur Leistungsfähigkeit der Verfassung. Journal für Rechtspolitik 19, 35–45 (2011). https://doi.org/10.1007/s00730-011-0006-3

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