Als mich Frau Pinter fragte, ob ich Gasteditorin für das psychotherapie forum zum Thema „Traum“ ein Heft gestalten möchte, habe ich mich sehr gefreut und gleich einige meiner KollegInnen für Beiträge ihrer Expertisen angefragt.

Irgendwie scheint dieses Thema im deutschsprachigen Raum eingeschlafen zu sein, ganz im Gegensatz zum englischsprachigen Raum. In den USA, genauer gesagt im innovativen Nord-Kalifornien in Berkeley ist vor einigen Dekaden die Association for the Study of Dreams (ASD) gegründet worden. Diese „Dreamer“ treffen einander einmal jährlich, um sich auszutauschen. Sie reisen aus der ganzen Welt an. Die vielen dort eingebrachten Beiträge, vor allem zur Traumforschung, sind im deutschsprachigen Raum leider kaum bekannt. Milton Kramer ist einer derer, die ich in der Association for the Study of Dreams kennenlernen durfte und den ich für einen Beitrag im psychotherapie forum gewinnen konnte.

Basiswissen zum Thema Schlaf und Traum wird beim Lesen diese Themenheftes vorausgesetzt, wie etwa das Wissen über die Struktur von Schlaf im allgemeinen oder die Kenntnis der bahnbrechenden „Traumdeutung“ von Sigmund Freud.

Ich hoffe, dass ich mit der Auswahl der Beiträge diesem bunten, weitreichenden Thema einigermaßen gerecht werden konnte. Ich glaube, ich kann sagen, dass alle Beiträge in hohem Maße kreativ und engagiert sind. Engagement zeigen viele der TraumexpertInnen, denn verdienen lässt sich mit der Traumforschung nicht viel. Träume sind nicht patentierbar und jeder träumt. Die Traumforschung arbeitet immer auch mit dem Subjektiven und der Erinnerung. Die TraumforscherInnen müssen einfach annehmen, dass das, was erzählt wurde, auch tatsächlich ein Traum war und nicht eine Fantasie oder Halluzination oder einfach eine Geschichte. Das ist eine der Herausforderungen, mit denen die Traumforschung konfrontiert ist.

Es war mir wichtig, in einem Heft für PsychotherapeutInnen die maßgeblichen Strömungen der Traumarbeit im Feld der Psychotherapie einzubringen. Erfreulicher Weise haben alle KollegInnen, die ich angefragt habe, auch tatsächlich Beiträge geschickt, sodass sogar ein Doppelheft entstehen konnte.

Das Doppelheft „Traum“ ist in zwei Themenschwerpunkte unterteilt. Im ersten Teil habe ich die – aus meiner Sicht – wichtigsten psychotherapeutischen Schulen, die mit Träumen arbeiten, zu Wort kommen lassen: Psychoanalyse, Analytische Psychologie und Gestalttherapie (mit luzidem Träumen). Im zweiten Teil findet man Ausschnitte der klinischen Traumforschung und die Sichtweise auf Traum und Träumen, die von einem musischen Hirnforscher entwickelt worden ist.

Teil 1: Psychotherapeutische Schulen und der Traum

Als Vertreter der Psychoanalyse verdanken wir August Ruhs einen höchst eloquenten Beitrag über das Lacanianische Verständnis über den Traum und die Traumarbeit und – wie mir scheint –, berechtigte Kritik daran, jede Sichtweise auf den Traum beinahe zwanghaft hirnphysiologisch erklären zu wollen.

Reinhard Skolek beschreibt sehr anschaulich den Jung’schen Zugang zu Traum und Traumarbeit theoretisch und praktisch. Durch seinen Beitrag gewinnt man einen guten Eindruck über die Sichtweise C.G. Jungs und der späteren Generationen der Analytischen Psychologie auf den Traum. Man kann sicherlich sagen, dass Traum und Traumarbeit das Herzstück der Jung’schen Psychologie sind. Skoleks Beschreibung gibt einen fundierten Eindruck über diese Art der Traumarbeit in der Psychotherapie.

Ich (Brigitte Holzinger) habe versucht, Traum und Traumarbeit in der Gestalttherapie zu beschreiben. Fritz Perls, der Gründer der Gestalttherapie hat zwar Traumarbeit zumeist in der Gruppe gezeigt, und sehr spannende Traumarbeiten, die man auf Video auch heute noch betrachten kann, vorgenommen. In der gestalttherapeutischen Literatur findet man aktuell aber leider nur verblüffend wenig über Traum und Traumarbeit. Obwohl Traumarbeit in den Ausbildungen zum/zur Gestalttherapeut/In gelehrt wird, scheinen sich nur wenige GestalttherapeutInnen über dieses Thema zu wagen. Als Gestalttherapeutin pflege ich den Klartraum, oder wie wir diesen faszinierenden Seinszustand noch nennen, das luzide Träumen. In meinen Forschungsar­beiten der letzten Jahre versuche ich zu prüfen, ob das luzide Träumen als psychotherapeutische Technik angewendet werden kann und soll. Darüber berichte ich und stelle einige Überlegungen dazu im zweiten Teil meines Beitrages an.

Teil 2: Ein Überblick über die aktuelle Traumforschung

Dies ist der forschungsorientierte Teil des Traumheftes. Ich beginne mit einem Überblick über den Stand der Traumforschung, wie er in Wien in den letzten 25 Jahren erreicht werden konnte. Gerhard Klösch, der als Psychologe im Schlaflabor der Neurologie der Medizinischen Universität arbeitet und ich haben diese Zusammenschau erstellt. Ich verdanke ihm seine Mitarbeit bei all den genannten Studien, denn ohne ihn wären diese sicherlich nicht zustande gekommen. Vor allem wichtig ist uns, unsere Trauminhaltsanalyse anderen potentiellen TraumforscherInnen zu ermöglichen; sie ist hier beschrieben und in vollem Umfang abgedruckt. Sie heisst „Dreamland“.

Milton Kramer, einer der Pioniere und international hoch renommierter Vertreter der Traumforschung, Psychoanalytiker und Spezialist bei der Behandlung von Depression und PTBS bedient sich der Methoden der naturwissenschaftlichen Forschung und zeigt eine ganz andere Seite der psychoanalytischen Denkweise mit Schwerpunkt auf klinischer Arbeit. Die Themen sind Traummuster Depressiver und anderer klinischer Gruppierungen. Er überlegt, ob es einen Genderaspekt bei Träumen gibt und vermittelt, wie Träume bei PTSD verstanden und eventuell behandelt werden könnten. Beim Lesen seines Beitrages gewinnt man jedenfalls einen sehr guten Einblick in sein Lebenswerk.

Wir schließen unseren Traumzyklus mit dem Beitrag von Gerald Rüther, der dafür bekannt ist, dass er als Hirnforscher bahnbrechende Traumtheorien basierend auf moderner Hirnforschung entwickelt hat. Er hat aber als sehr musischer Mensch genauso Lyrik zum und über das Träumen verfasst und eine ganz eigene Art der Traumarbeit entwickelt. Auf seinen Beitrag kann man sich ganz besonders freuen, denn er ist nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich ein Genuss. Sein Beitrag ist spannend, gut lesbar und lässt einen da und dort staunen, denn immer wieder vermeint man auch Psychoanalytisches durchblitzen zu sehen.

Zum Traum und zum Träumen gäbe es noch viel mehr zu sagen und zu überlegen – es ist ein faszinierendes Thema, das aber gleichzeitig auch schwer zu fassen ist. Kreativität wir ihm per se nachgesagt. Daher schlage ich vor, dass wir uns freuen auf diesen hoffentlich einigermaßen umfassenden, vielleicht ein wenig ungewöhnlichen oder, wie ich hoffe, originellen und für PsychotherapeutInnen sicherlich relevanten Einblick ins Träumen und in den Traum.