Nachfolgend drucken wir einen bislang nicht publizierten Vortragstext von Otto Blumenthal über das mathematische Bildungswesen aus dem Jahre 1932 ab, ergänzt durch Anmerkungen von V. Felsch (Aachen). In diesen geht Herr Felsch auf die Rolle dieses Vortrags ein, den er bei der im Jahr danach erfolgten Entlassung Blumenthals spielen sollte. Das verleiht diesem Vortag eine besondere historische Bedeutung; daneben wird der Leser feststellen, dass manche hochschuldidaktischen Ideen (wie wir heute sagen würden), die Blumenthal schildert, auch heute noch aktuell sind.

O. Blumenthal (1876–1944) war der erste Doktorand von D. Hilbert in Göttingen (1898) gewesen, ein Ehrentitel, der ihn fortan begleitete. Nach erfolgter Habilitation und einigen Jahre als Privatdozent in Göttingen hatte Blumenthal von 1905 bis zu seiner Entlassung 1933 einen Lehrstuhl an der Technischen Hochschule Aachen inne. Sein wichtigstes Arbeitsgebiet war die Funktionentheorie.

Ein vielseitiger Mathematiker, dessen breite Kenntnisse sowohl von Hilbert wie auch von Brouwer sehr geschätzt wurden, wirkte er von 1906 bis 1938 als geschäftsführender Herausgeber der Mathematischen Annalen. Es war vor allem Blumenthals Verdienst, dass diese traditionelle Göttinger Zeitschrift ihre Bedeutung als eine Publikation von Weltrang behielt. Das Schicksal, das Blumenthal und seine Frau unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ereilte und das schließlich zu ihrem Tod in der Deportation führte (Frau Blumenthal starb 1943 im Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden, ihr Mann 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt) wurde in dem von V. Felsch editierten Band, Otto Blumenthals Tagebücher, ausführlich dokumentiert.

Jörn Steuding, Klaus Volkert