Nach informellen Vorgesprächen lud der Springer-Verlag zum 1. Oktober 1986 in die Heidelberger Verlagsräume ein, um eine wissenschaftliche Zeitschrift zu gründen, die sich der Thematik Schmerz widmen sollte. Als Vorgabe diente die internationale Zeitschrift Pain, die seit 1975 als Organ der International Association for the Study of Pain (IASP) eine steile Karriere durchlaufen hatte. Bislang in Deutschland bestehende Medizinzeitschriften waren überwiegend an einem einzelnen ärztlichen Gebiet orientiert und danach auch benannt. Im Gegensatz dazu sollte die neue Zeitschrift interdisziplinär sein und eine Brücke zwischen allen Forschungsbereichen, ärztlichen Disziplinen und Gebieten der Psychologie bilden, die Schmerzforschung betreiben und an der Versorgung von Patienten mit Schmerzen mitwirken.

Die „Väter“ und das Konzept

Die Gründungsherausgeber von Der Schmerz waren:

  • Friedrich Wilhelm Ahnefeld, Anästhesiologie, Universität Ulm,

  • Hans Bergmann (1921-2011), Anästhesiologie, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Linz, Österreich,

  • Kai Brune, Pharmakologie, Universität Erlangen,

  • Wolfgang Dick, Anästhesiologie, Universität Mainz,

  • Alfred Doenecke, Anästhesiologie, Universität München,

  • Wolf-Dieter Gerber, Psychologie, Universität Kiel,

  • Bernd Kossmann, Anästhesiologie, Kreiskrankenhaus Wangen,

  • Jörg-Ulrich Krainick, Neurochirurgie, Schmerzzentrum Mainz,

  • Wolfgang Schreml, Innere Medizin, Universität Ulm,

  • Uwe Thoden (1942-2010), Neurologie, Universität Freiburg und

  • Manfred Zimmermann, Physiologie, Universität Heidelberg.

Der Verlag war durch Dr. Toni Graf-Baumann vertreten.

Als Schriftleiter wurden gewählt: H. Bergmann (Linz) und M. Zimmermann (Heidelberg). Des Weiteren wurde ein Beirat bestellt, der die Interdisziplinarität noch stärker verwirklichen sollte.

Als Rubriken der Zeitschrift waren vorgesehen: Originalien, Übersichten, „Schmerzforum“ und „Das Medikament“. Vor allem das Schmerzforum wurde unmittelbar ab 1987 zu einem Ort lebhafter und kontroverser Diskussionen, z. B. über die Wirksamkeit der Akupunktur bei Kopfschmerzen oder über die Langzeittherapie von nicht tumorbedingten Schmerzen mit Opioiden – letztere Frage war eine besonders heiße Thematik, die auch jüngst durch die Veröffentlichungen zur Langzeitwirksamkeit („LONTS“) in Der Schmerz wieder kontroverse und letztlich auch kreative Diskussionen auslöste!

Unter mehreren Namensvorschlägen fand Der Schmerz (Abb. 1) die höchste Zustimmung, anknüpfend an die bereits seit 1928 für kurze Zeit bestehende Zeitschrift Der Schmerz – Deutsche Zeitschrift zur Erforschung des Schmerzes und seiner Bekämpfung, gegründet durch den Hamburger Narkosearzt Ernst von der PortenFootnote 1 [1].

Abb. 1
figure 1

Titelseite und Inhaltsverzeichnis von Der Schmerz, Band 1, Heft 1. Das Hintergrundbild der Titelseite ist eine Nachzeichnung eines Selbstbildnisses von Albrecht Dürer (ca. 1520), das er zur Lokalisation seines Bauchschmerzes an seinen Arzt geschickt hatte. Die Graphik gilt als historisch erste Schmerzzeichnung, wie sie heute standardmäßig in jeder Schmerzdokumentation zur Angabe der Schmerzlokalisation verlangt wird. Die Graphik von Dürer ist im Besitz der Kunsthalle Bremen. Dürer hat auf dem Blatt handschriftlich eingetragen: „Do der gelb fleck ist und mit dem fingir drauf deut do ist mir we“

Die Schmerz-Szene um 1986

Wie sah 1986 das Umfeld der Gründung von Der Schmerz aus? Ich möchte nachfolgend die besondere Konstellation einiger Bedingungen hervorheben, die den Geburtszeitpunkt der Zeitschrift nachhaltig beeinflusst haben dürften.

Die Gesellschaft zum Studium des Schmerzes für Deutschland, Österreich und die Schweiz (GesDÖS), 1975 als Chapter der IASP gegründet, hatte Ende 1986 erst 354 Mitglieder [4]. Konnte man unter dieser Voraussetzung eine ausreichende Zahl an Autoren, Lesern und Abonnenten für das Überleben einer Zeitschrift erwarten? Die über mehrere Jahre bestehende Zeitschrift Schmerz – Pain – Douleur eines regionalen Heidelberger Verlags hatte offensichtlich Mühe, die vorgesehenen Seiten zu füllen – tatsächlich wurde die Publikation bald nach 1987 eingestellt.

Der Vorstand der GesDÖS war realistisch genug, in den ersten Jahren des Bestehens nicht die Schaffung einer Schmerzzeitschrift vorzusehen. Zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgabe veranstaltete sie jedoch jährlich eine Tagung zu einem umschriebenen Schmerzsyndrom. Erstmals ging es 1976 auf der Reisensburg bei Ulm um den Kreuzschmerz, der durch Experten interdisziplinär „aufgemischt“ wurde. Die Vorträge dieser und der nachfolgenden Jahrestagungen bis 1991 wurden als Buch oder Broschüre veröffentlicht. So entstand jährlich ein Kompendium mit einer weitgespannten Sichtweise zur Theorie und Klinik auch von komplexen Schmerzbildern [2]. Diese Tagungsreports waren auf Jahre hinaus begehrte Quellen für die schmerztherapeutische Fortbildung, zumindest für diese Aufgabe waren sie Ersatz für eine fehlende Fachzeitschrift.

Im Jahr 1986 war die „Schmerzexpertise“ im Springer-Verlag erschienen [3], eine Bestandsaufnahme der Schmerzforschung und Schmerztherapie in Deutschland, übrigens mit einer ähnlichen Titelseite wie im Jahr darauf unsere neue Zeitschrift. Die „Schmerzexpertise“ zeigte erhebliche Defizite bei der Erforschung von Schmerzzuständen und der Versorgung von Schmerzpatienten auf, mit Ansätzen, wie man Abhilfe schaffen könne.

Anschub für die Schmerzforschung

Die Schrift wurde weit verbreitet, vor allem auch unter Institutionen der Gesundheits- und Forschungspolitik sowie den relevanten Medien. Basierend auf dem Datenmaterial der „Schmerzexpertise“ wurde beim Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) ein Antrag zur Schaffung eines Forschungsschwerpunkts „Chronischer Schmerz“ gestellt. Das Ergebnis war die Bewilligung eines klinischen Förderschwerpunkts zur Forschung auf dem Gebiet chronischer Schmerzen durch das BMFT am 21. Mai 1987. Von fast 100 auf die Ausschreibung hin eingegangenen Projektskizzen aus dem damaligen Westdeutschland kamen 22 Projekte ab 1988 zur Förderung für 5 Jahre mit einer Gesamtsumme von 15 Mio. DM – das war 1987 viel Geld!

Mit diesem Programm wurde somit erstmalig in Deutschland die klinische Schmerzforschung gefördert, nachdem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bereits ab den 1970er-Jahren zunehmend die Grundlagenforschung zur Physiologie, Pharmakologie und Psychologie des Schmerzes gefördert hatte. Etwa ab 2000 entstanden erneut mehrere Forschungsverbünde, in denen die klinische und epidemiologische Schmerzforschung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. So wurde der Förderschwerpunkt von 1987 zum Grundstein einer mittlerweile hervorragenden Forschungstradition auf dem Gebiet des Schmerzes, die unserem Land einen vorderen Platz in Europa sichert.

Die erste Ausgabe von Der Schmerz erschien zum 5th World Congress on Pain der IASP im August 1987. Der Kongress wurde durch ein Local Arrangement Committee von Mitgliedern der GesDÖS im CCH Hamburg ausgerichtet. Diesem Kongress gelang es, 137 Berichterstatter von Druck- und Bildmedien überwiegend aus Deutschland zu Pressekonferenzen und Veranstaltungen zu holen. Die Perzeption der Schmerzthematik wurde in Folge dieses Kongresses in Deutschland nachhaltig erhöht.

Angesichts des geschilderten Szenarios war die Gründung von Der Schmerz treffsicher platziert. Zunächst erschienen pro Jahr 4 Ausgaben, die eine neue Dimension der Wissensvermittlung zum Schmerz im deutschsprachigen Raum bewirkten.

Heute ist Der Schmerz das Organ der maßgebenden 4 Schmerzgesellschaften im deutschen Sprachraum und gilt auch als Referenzzeitschrift für die zukünftige Marschrichtung dieser Region. Ich gratuliere den beiden Schriftleitern, den aktiven Herausgebern, dem Verlag und ganz besonders den Autoren, die der Zeitschrift ihre Arbeiten anvertrauen. Ad multos annos!

Heidelberg im November 2012

M. Zimmermann