Zusammenfassung
Im Unterschied zu unvermeidbaren und auch notwendigen Grenzüberschreitungen haben Grenzverletzungen eine oft überaus destruktive Wirkung auf Patienten und auch auf Psychoanalytiker. Trotz erkennbarer Fortschritte bestehen nach wie vor Widerstände bei Psychoanalytikern, sich mit den persönlichen und institutionellen Implikationen von Grenzverletzungen auseinanderzusetzen. Dabei spielen insbesondere projektive Abwehrmechanismen sowie das Verleugnen und Bagatellisieren von und das Schweigen über Grenzverletzungen eine zentrale Rolle. Im Bereich der Ausbildung von Psychoanalytikern stellt der Autor seine Überlegungen zu präventiven Maßnahmen im Hinblick auf die institutionellen Strukturen der Ausbildungsinstitute, die Organisation der Ausbildung, Lehranalyse, Supervision und Lehre sowie der Institutskultur vor.
Abstract
In contrast to unavoidable and necessary boundary crossings, boundary violations make a destructive impact on patients and psychoanalysts. Some progress has been made, but still a lot of resistance exists among psychoanalysts to face up to what boundary violations entail personally and institutionally. These are inextricably linked with projective defense mechanisms, denial, minimization and concealment. The author will present his reflections on preventive measures as for institutional structures, the organization of the training, training analysis, supervision, teaching, and the emotional atmosphere in training institutes.
Notes
Ich verwende hier und an anderen Textstellen das Femininum, weil in der Mehrzahl Frauen betroffen sind.
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Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags beim Symposium am 8.11.2014 zum 10-jährigen Bestehen des Ethikvereins e. V. unter dem Titel: „Was können wir aus Fehlern und Grenzverletzungen in der Psychotherapie lernen?“
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Thorwart, J. Zur Prävention von Grenzverletzungen in der psychoanalytischen Ausbildung. Forum Psychoanal 31, 35–51 (2015). https://doi.org/10.1007/s00451-015-0190-y
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