Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,

die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie beschäftigt sich mit elektrophysiologischen Themen des Herzens im Alter. Wer ist alt? Jemand der älter ist als der Durchschnitt des Landes? Dann wäre man in Niger mit 16 Jahren alt, in Monaco mit 54. Nach der alten Definition der Weltgesundheitsorganisation beginnt Alter willkürlich mit dem 50., nach einer neueren Definition mit dem 60. Lebensjahr. Andere Quellen definieren Alter als den letzten Abschnitt im Leben eines Menschen und datieren dies auf das 65. Lebensjahr. Dies stellt derzeit in Deutschland zwar das Alter des Eintritts in die Rente dar, aber nicht nur ein Schlagersänger, der letztes Jahr tragisch am plötzlichen Herztod verstorben ist, sang, dass das Leben mit 66 Jahren erst richtig anfängt. Sicher ist, dass der Begriff alt von der subjektiven Einschätzung des Patienten und der Gesellschaft, in der er lebt, abhängt. Und natürlich vom Alter des Betrachters und des Betroffenen: Für einen Teenager fängt Alter woanders an als für einen sportlichen Mittsechziger.

Wie auch immer Alter definiert wird, sicher ist, dass das Herz im Laufe des Lebens zahlreiche Remodeling-Prozesse durchmacht, die Spuren hinterlassen. Gerade in der Kardiologie bemerken wir daher die demographische Entwicklung unseres Landes und merken, wie sich die Alterspyramide verändert. In kardiologischen Kliniken und Praxen kann dies in mehrfacher Hinsicht beobachtet werden: Wir erleben, dass Eingriffe, die früher bei älteren Menschen für undenkbar gehalten wurden, heute routinemäßig durchgeführt werden, wie z. B. Herzkatheter bei Patienten über 90 Jahre. Das durchschnittliche Alter der kardiologischen Patienten liegt derzeit in der zweiten Hälfte der sechziger und in den siebziger Lebensjahren. Nach den oben genannten Definitionen werden die meisten kardiologischen Untersuchungen und Therapien beim alten Menschen ausgeführt. Und das mittlere Alter bei Schrittmacher-Erstimplantation lag 2014 in Deutschland bei 75 Jahren (Männer) bzw. 78 Jahren (Frauen). Die Berichte zu den beiden deutschen Device-Registern (Herzschrittmacher- und Defibrillator-Implantation 2014) wurden von Herrn Markewitz für dieses Heft zusammengestellt.

Die veränderte Altersstruktur unserer Bevölkerung und unserer Patienten weckt neue Fragen: Was verändert sich im Herzen im Laufe des Lebens? Warum haben so viele alte Menschen einen kranken Sinusknoten und Vorhofflimmern, während beides bei Menschen unter 40 Jahren eine Rarität ist? Hierzu berichtet Herr Weirich über das elektrische Remodeling der Vorhöfe mit besonderem Augenmerk auf die Sinusknotenfunktion und die Fibrose als Ursache für Vorhofflimmern.

Der teilweise trotz hohen Alters sehr gute Allgemeinzustand einiger unserer Patienten wirft weitere Fragen auf: Sind die Erfolgsraten und Komplikationsrisiken invasiver elektrophysiologischer Therapien, wie z. B. der Ablation von Arrhythmien beim hochbetagten Patienten vertretbar? Machen auch komplexe Ablationen bei hochbetagten Patienten Sinn? Diesen Aspekten wenden sich die Beiträge von Herrn Deneke, Herrn Lewalter und Herrn Pfeiffer zu.

Während Synkopen im Alter <40 Jahre zu >90 % neurokardial (vasovagal) verursacht werden, ist das Spektrum der Ursachen für Synkopen im Alter breiter und umfasst insbesondere prognostisch ungünstige Ursachen wie Herzrhythmusstörungen und strukturelle Herzerkrankungen. Die Besonderheiten bei der Abklärung der Synkope beim alten Patienten werden von Herrn Gonska vorgestellt.

Ein medizinisches wie auch ethisches Problem stellt die Therapie älterer Patienten mit einem Defibrillator dar. Auch wenn hierdurch ein plötzlicher Herztod vermieden werden kann, ist die Lebenserwartung alter Patienten durch andere Erkrankungen eingeschränkt. Bei welchem betagten Patienten eine ICD-Implantation Sinn macht und bei welchem nicht, und wie dies mit Patienten und Angehörigen besprochen werden sollte, stellt Herr Israel in einer Übersicht dar.

Wenn wir über alte Menschen sprechen, fällt auf, wie unterschiedlich diese im Leben stehen. Und man denkt immer wieder an den Spruch von Jules Renard (1864–1910): „It is not how old you are but how you are old“.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Information und Freude bei der Lektüre dieses Heftes.

Prof. Dr. B.-D. Gonska

Prof. Dr. T. Lewalter

Priv.-Doz. Dr. C. W. Israel