Beim plötzlichen Herztod junger Menschen kann heute bei etwa der Hälfte der Fälle ein hereditäres Arrhythmiesyndrom als Ursache gefunden werden. Dabei handelt es sich überwiegend um Erkrankungen mit autosomal-dominantem Erbgang, die zumeist ansonsten gesunde Menschen betreffen und bei rechtzeitiger Erkennung und Behandlung in der Mehrzahl gut behandelbar sind. Die molekulargenetische Diagnostik hat im Rahmen von Diagnosesicherung und Therapieempfehlung und v. a. im Bereich der systematischen Familienuntersuchung heute einen bereits gut etablierten Stellenwert.

Ein erheblicher Anteil der hereditären Herzrhythmusstörungen, die zu einem deutlich erhöhten Risiko für einen plötzlichen Herztod in jungen Jahren führen, kann erkannt und erfolgreich behandelt werden [79, 14, 24]. Daher ist es wichtig, nach einem plötzlichen Herztod eines jungen Menschen, soweit möglich, die Risikopersonen unter den Angehörigen zu erkennen und eine möglichst genaue Diagnose zu stellen, um entsprechende präventive Maßnahmen ergreifen zu können.

Bei einem plötzlichen Tod ungeklärter Ursache besteht zunächst ein Verdacht auf ein hereditäres Arrhythmiesyndrom. Dieser kann ggf. durch vorliegende Befunde des Verstorbenen (z. B. klinische Angaben, EKG, Echokardiographie, spezifische Trigger des plötzlichen Herztodereignisses), eine sorgfältige Stammbaumanalyse, eine klinisch kardiologische Untersuchung von potentiell betroffenen Angehörigen, sowie durch eine gezielte molekulargenetische Untersuchung, möglichst zunächst beim Verstorbenen, bestätigt werden.

In Folge können diejenigen Angehörigen, die ein erhöhtes Risiko tragen, gezielt beraten und therapiert werden (Abb. 1).

Abb. 1
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Stellenwert der genetischen Diagnostik bei hereditären Arrhythmiesyndromen

Sofern eine Autopsie stattgefunden hat, können die dabei erhobenen Befunde, besonders bei den primär strukturellen Herzerkrankungen mit Arrhythmie (z. B. hypertrophe oder arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathien), zur richtigen Diagnose führen.

Auch wenn im Rahmen einer Autopsie keine morphologischen Auffälligkeiten gefunden werden, sind häufig die Umstände des Todes, insbesondere spezifische Trigger, wie Kontakt mit Wasser oder Erschrecken, ein Wegweiser hin zur richtigen Diagnose [1, 17, 22].

Grundlagen der genetischen Diagnostik

Bei den für plötzlichen Herztod in jungen Jahren ursächlichen hereditären Erkrankungen handelt es sich zumeist um Erkrankungen mit autosomal-dominanter Vererbung, sehr selten auch mit autosomal-rezessiver Vererbung oder anderen Erbgängen.

Alle diese Erkrankungen zeigen eine inkomplette Penetranz, d. h. nicht jeder, der die spezifische genetische Veränderung trägt, wird auch erkranken. Es handelt sich somit bei diesen genetischen Tests um probabilistische, nicht um deterministische Untersuchungen.

Die Erstmanifestation der Erkrankungen ist in jedem Lebensalter möglich. Es besteht eine ausgeprägte genetische Heterogenität. So kennt man heute bereits viele hundert Mutationen in > 50 für kardiale Arrhythmiesyndrome bekannten Genen [2]. Die Sensitivität der genetischen Untersuchungen bei den häufigsten hereditären Arrhythmiesyndromen, d. h. der Anteil der positiven Ergebnisse eines Gentests, wenn die Krankheit vorliegt, liegt derzeit ungefähr zwischen 25 und 60 %.

Sofern ein ursächlicher Genotyp in der Familie bekannt ist, eröffnet sich für die Angehörigen die Möglichkeit einer gezielten genetischen Untersuchung auf diese genetische Veränderung („Target-Diagnostik“). Wenn bei einem Angehörigen ebenfalls der für die Erkrankung verantwortliche Genotyp vorhanden ist, können allgemeine, zumeist sehr effektive Vorsichtsmaßnahmen und Lebensstilempfehlungen und häufig auch eine medikamentöse Therapie angeraten werden. Die Kenntnis des genauen Genotyps ermöglicht in manchen Fällen eine gezieltere, differenzierte Antiarrhythmikatherapie (z. B. bei LQTS 3: Therapie mit Flecainid/Mexiletin/Ranolazin zusätzlich zur Betablockertherapie oder Flecainid/Propafenon zusätzlich bei der CPVT [18, 2729]). In Einzelfällen ist der genetische Befund auch hilfreich bei der Risikostratifizierung. So gibt es Hinweise darauf, dass Kardiomyopathiepatienten auf dem Boden einer Mutation im LMNA-Gen bereits vor dem Auftreten einer relevanten Pumpfunktionsstörung ein deutlich erhöhtes Risiko für maligne ventrikuläre Arrhythmien haben, sodass hier eine Empfehlung für eine ICD-Implantation niederschwelliger getroffen werden sollte [15, 21, 25, 26]. Sofern der in der Familie bekannte pathologische Genotyp ausgeschlossen werden konnte und sich auch klinisch kein Hinweis auf eine Herzerkrankung zeigt, erübrigen sich in den meisten Fällen diesbezügliche lebenslange weitere klinische Untersuchungen.

Sowohl für die diagnostische als auch die prädiktive genetische Untersuchung müssen die Vorschriften des Gendiagnostikgesetzes eingehalten werden. Falls keine Mutation in der Familie gefunden wird, schließt dies jedoch in keinem Fall das Vorliegen einer hereditären Herzerkrankung aus, letztlich bleibt die klinische Diagnose entscheidend.

Was ist heute bereits in der Routinediagnostik sinnvoll und möglich?

Eine Übersicht der am häufigsten betroffenen Gene, deren Untersuchung sinnvoll ist und die bereits heute routinemäßig untersucht werden können, sind in Tab. 1 aufgeführt. Weitere Gene können bei entsprechendem Verdacht in Einzelfällen in Speziallabors oder im Rahmen wissenschaftlicher Projekte untersucht werden.

Tab. 1 Die häufigsten hereditären Arrhythmiesyndrome und derzeit praktikable und sinnvolle genetische Diagnostik (in Klammen: Sensitivität, d. h. Anteil der positiven Ergebnisse, wenn die Krankheit vorliegt). (Mod. nach [6, 7, 10])

Nach welchen Kriterien sollte die Indikationsstellung zur genetischen Untersuchung erfolgen?

Die Sensitivität sollte nicht der einzige Parameter bei der Entscheidung sein. Weitere Parameter wie die therapeutischen Optionen, die sich aus der Kenntnis ergeben, sowie die Möglichkeiten einer besseren Risikostratifizierung sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

In einer Studie zur Kosteneffektivität der genetischen Untersuchungen, bei der die Kosten für jede gefundene ursächliche Mutation im Hinblick auf den klinischen Befund bestimmt wurden, ergaben sich im Falle eines konkreten Verdachts auf ein LQTS Kosten von US$ 8.418 (Sensitivität in dieser Studie 64 %), im Vergleich zu Kosten von US$ 221.400 (Sensitivität 2 %) bei ungezieltem Screening eines Angehörigen aus einer Familie mit ungeklärtem Kammerflimmern [3, 10, 30].

Abgesehen von den ethischen Problemen durch zahlreiche falsch positive Befunde, die sich bei einer „Schrotschussdiagnostik“ im Rahmen des klinischen Settings ergeben, spielt der Kostenfaktor hier ebenfalls eine erhebliche Rolle.

Die Indikation zur präsymptomatischen Diagnostik bei Angehörigen und ganz besonders bei Kindern sollte in jedem Einzelfall abgewogen werden. Bei den primären Arrhythmiesyndromen (z. B. LQTS, CPVT) gibt es besonders wirksame Präventionsmaßnahmen, sodass hier die Diagnostik zumeist angestrebt werden sollte. In unserem eigenen Kollektiv führte die Diagnose bei Angehörigen von Patienten mit LQTS in 72 % der Fälle (98/136) zur Einleitung einer indizierten Therapie (Abb. 2).

Abb. 2
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Therapeutische Konsequenzen des genetischen Screenings beim Long-QT-Syndrom am Beispiel einer Spezialambulanz für Herzgenetik. [5]

Genetische Untersuchungen sind im begründeten Einzelfall bei eindeutiger Indikation freie, nicht-budgetierte Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen, sofern eine Ausnahmekennziffer (32010) auf dem Überweisungsschein angegeben wird. Die privaten Krankenversicherungen erstatten in den meisten Fällen ebenfalls diese Untersuchungen, sofern die Untersuchung als medizinisch notwendig einzuordnen ist und dies auch entsprechend dargelegt wird. Hier empfiehlt es sich auf jeden Fall, zuvor eine Kostenübernahmeerklärung einzuholen.

Empfehlungen der Fachgesellschaften

In der Konsensuserklärung der Heart Rhythm Society (HRS) und der European Heart Rhythm Association (EHRA) zu genetischen Tests nach plötzlichem, ungeklärten Herztod („sudden unexplained death“, SUDS) und plötzlichem Kindstod („sudden infant death syndrome“, SIDS) lauten die Empfehlungen: in jedem Fall sollte EDTA-Vollblut oder Nativgewebe asserviert werden. Bei autopsienegativem SUDS oder SIDS mit spezifischen Triggern (Stress, lautes Geräusch, Ertrinken) wird eine genetische Diagnostik auf eine Ionenkanalerkrankung empfohlen (RYR2, KCNQ1, KCNH2, SCN5A); ansonsten sollte diese bei autopsienegativem Tod erwogen werden. Sofern in der Familie ein ursächlicher Genotyp gefunden wurde, wird die gezielte genetische Untersuchung der Angehörigen empfohlen.

Besonders bei einigen der Erkrankungen, wie z. B. der ARVC, ist die Genotyp-Phänotyp-Korrelation in vielen Fällen weniger eindeutig, die Rate an Varianten mit unklarer Signifikanz („variants of uncertain significance“, VUS) hoch, und das Zusammentreffen von 2 Mutationen häufig (10 %), sodass besonders hier nicht vorschnell ein Angehöriger mit grenzwertigem klinischen Befund von weiteren kardiologischen Kontrolluntersuchungen ausgeschlossen werden sollte. Grundsätzlich gilt dies auch für alle anderen Erkrankungen [2].

Ethische und psychosoziale Aspekte

Wir möchten hervorheben, dass die genetische Diagnostik eines Patienten immer eine ganze Familie betrifft – der Patient ist also eine Familie.

Es gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Menschen, das bedeutet, keine unerbetene Information über ein mögliches Risiko zu erhalten (Recht auf Nichtwissen). Dieses kann durch ein Familienscreening verletzt werden. Das Recht auf Nichtwissen steht jedoch in Konflikt mit dem Recht auf Wissen, wenn ein konkretes erhöhtes Risiko besteht. Es besteht die Gefahr, dass auf diejenigen, die von ihrem Recht auf Nichtwissen Gebrauch machen möchten, Druck ausgeübt wird oder dass allein durch die Kenntnis des Vererbungsweges auf eine Veranlagung geschlossen werden kann.

Die Frage der moralischen Rechtfertigung bleibt somit häufig ungelöst. Im klinischen Alltag jedoch kann dieser Konflikt zumindest teilweise dadurch aufgelöst werden, dass man sich dieses Konfliktes und der Verantwortung bewusst ist und wenigstens die möglichst optimalen Bedingungen (genaue, für den Patienten verständliche Aufklärung, sorgfältige Auswahl der zu analysierenden Gene, ausführliche Erörterung der therapeutischen Möglichkeiten, Betreuung im Verlauf) schafft.Footnote 1

Die psychische Belastung der Familien durch die gesicherte Kenntnis einer hereditären Erkrankung ist groß. Die Familie wird sich bewusst, dass bei weiteren Angehörigen ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod bestehen kann. Darüber hinaus müssen diejenigen Angehörigen, bei denen ebenfalls die Risikokonstellation oder gar bereits eine manifeste, bislang unerkannte Erkrankung aufgedeckt wird, diese Erkenntnis über ihr eigenes Leben neben der Trauer über einen Angehörigen bewältigen. Auch nicht betroffene Angehörige sind in den meisten Fällen nicht nur erleichtert, sondern leiden häufig unter Mitleid oder Schuldgefühlen [11, 12]

Andererseits gibt es in vielen Fällen sehr wirksame und wenig belastende Prophylaxe- und Therapiemöglichkeiten und es können ggf. konkrete Empfehlungen für einzelne Familienmitglieder gegeben werden. Im richtigen Kontext kann das Familienscreening zu einer Entlastung in den betroffenen Familien führen und hilft weiter plötzliche Herztode zu vermeiden.

Rechtliche Aspekte

Gendiagnostikgesetz

Am 1. Februar 2010 ist in Deutschland das Gendiagnostikgesetz in Kraft getreten. Die Aufgabe, Richtlinien zu erarbeiten, wurde der Gendiagnostikkommission (GEKO) übertragen.

Eine genetische Untersuchung umfasst den gesamten Prozess der Feststellung genetischer Eigenschaften einschließlich Aufklärung, genetische Analyse und Ergebnismitteilung sowie genetische Beratung.

Die Aufklärung ist die Voraussetzung für die Ausübung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, welches im Grundgesetz verankert ist und soll eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person in die genetische Untersuchung ermöglichen. Somit steht die Aufklärung am Anfang der genetischen Untersuchung und hat für sie zentrale Bedeutung.

Die Aufklärung der betroffenen Person obliegt der verantwortlichen ärztlichen Person. Zu deren Aufgaben gehören weiterhin die Einholung der Einwilligung und die Ergebnismitteilung der genetischen Untersuchung. Für die verantwortliche ärztliche Person ergeben sich somit besondere Rechte und Pflichten im Rahmen der Aufklärung und Ergebnismitteilung. Die verantwortliche ärztliche Person soll bei einer diagnostischen genetischen Untersuchung nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses der betroffenen Person eine genetische Beratung anbieten bzw. muss diese bei einer prädiktiven genetischen Untersuchung vor und nach der Untersuchung anbieten. Diese genetische Beratung darf nur durch Fachärzte für Humangenetik, Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Medizinische Genetik“ oder durch entsprechend weiterqualifizierte Ärzte im Rahmen ihres eigenen Fachgebiets als „fachgebundene genetische Beratung“ erfolgen. Zusätzlich zur Aufklärung ist weiterhin darüber zu informieren, dass es der betroffenen Person frei steht, auf die angebotene genetische Beratung zu verzichten. Der Verzicht muss bei prädiktiven genetischen Untersuchungen nach Aushändigung schriftlicher Information über die Beratungsinhalte schriftlich erklärt werden.

Genetische Untersuchung bei Minderjährigen

Grundsätzlich überwiegt bei Minderjährigen das Recht auf Nichtwissen gegenüber dem Wunsch der Eltern auf das Wissen um mögliche Risikokonstellationen. In ausgewählten Fällen jedoch, wenn es sich um eine diagnostische oder auch eine prädiktive genetische Untersuchung handelt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik erforderlich ist, um bei der Person eine genetisch bedingte Erkrankung oder gesundheitliche Störung zu vermeiden oder zu behandeln oder dieser vorzubeugen, bzw. sofern durch eine genetische Abklärung weitere belastende diagnostische Belastungen oder inadäquate Therapiemaßnahmen für die betroffene Person vermieden werden können kann davon abgewichen werden. Bei den hereditären Arrhythmiesyndromen ist dies der Fall bei LQTS [13, 16] oder CPVT und nach Einzelfallabwägung auch bei primär strukturellen Herzerkrankungen wie der z. B. der hypertrophen Kardiomyopathie, die häufig erst spätmanifestierend sind und für die es keine effektiven Präventionsmaßnahmen im Sinne der Krankheitsentstehung außer der Meidung von Leistungssport gibt. In diesen Fällen könnten auch regelmäßige kardiologische Untersuchungen eine Alternative darstellen bis die Patienten selbst eine Entscheidung treffen können. In jedem Fall ist der Nutzen für die nicht einwilligungsfähige Person besonders sorgfältig gegenüber möglichen Belastungen und nachteiligen Folgen abzuwägen.Footnote 2

Genetische Untersuchungen und Analysen im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages

Der Versicherer darf in Deutschland nach dem derzeit gültigen Gendiagnostikgesetz von Versicherten weder vor noch nach Abschluss des Versicherungsvertrages die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen verlangen oder die Mitteilung von Ergebnissen oder Daten aus bereits vorgenommenen genetischen Untersuchungen oder Analysen verlangen oder solche Ergebnisse oder Daten entgegennehmen oder verwenden. Für die Lebensversicherung, die Berufsunfähigkeitsversicherung, die Erwerbsunfähigkeitsversicherung und die Pflegerentenversicherung gilt dies nicht, wenn eine Leistung von > 300.000 € oder > 30.000 € Jahresrente vereinbart wird.

Problem: Interpretation der Ergebnisse

Nicht selten kommt es selbst nach gezielter Sequenzierung ausgewählter Gene bei entsprechendem klinischem Verdacht zu schwer interpretierbaren Daten. Manche sog. „positiven“ Testergebnisse repräsentieren DNA-Varianten mit unklarer Signifikanz („variants of uncertain significance“, VUS). VUS werden auch mit unterschiedlichen Häufigkeiten in Kontrollkollektiven gefunden und können zu falsch-positiven Testergebnissen führen. Es ist möglich, dass sie entweder keine oder lediglich eine modifizierende Rolle bei der Krankheitsentstehung und dem -verlauf spielen. Die Häufigkeit von VUS bei den verschiedenen Erkrankungen ist unterschiedlich und reicht von ca. 3 % bei der CPVT bis hin zu beachtlichen 16 % bei der ARVC bei Untersuchung der am häufigsten betroffenen Gene. Bei den selteneren Krankheitsgenen, die oftmals bereits in den kommerziell verfügbaren Genpanels enthalten sind, ist der prozentuale Anteil von VUS möglicherweise noch größer [2].

Der genetische Befund, ob positiv oder negativ, ist stets und im Krankheitsverlauf wiederholt mit klinischen und genetischen Befunden zu korrelieren, um eine richtige Interpretation zu ermöglichen.

In etwa 5 % der Fälle liegen auch 2 Mutationen in einem oder verschiedenen Genen vor und es sollte daran gedacht werden, dass manchmal das Zusammentreffen von zwei verschiedenen Erkrankungen zu einem besonders schweren Phänotyp führen kann [4]. In seltenen Fällen können auch exakt gleiche Mutationen verschiedene Phänotypen hervorrufen [19, 23].

Im Rahmen von Sequenzierungen werden Deletionen oder Duplikationen nicht detektiert, dies kann im Einzelfall zu einem falsch-negativen Befund führen. Daher sollte bei entsprechendem Verdacht die Suche nach Deletionen oder Duplikationen mittels „multiplex ligation-dependent probe amplification“ (MLPA) angefordert werden.

Im weiteren Verlauf sollte bei jeder Folgeuntersuchung die Plausibilität des genetischen Befunds erneut kritisch beurteilt werden, da sich in manchen Fällen erst später herausstellt, dass es sich bei einer früher gefundenen, scheinbar ursächlichen Mutation doch eher um eine häufige Genvariante handelt und die ursächliche Veränderung noch nicht gefunden wurde, so dass sich im Verlauf die therapeutischen Empfehlungen ändern können.

Eine Diagnose darf niemals allein anhand eines Genetikbefunds gestellt werden, dieser ist nur eine Komponente einer umfassenden kardiogenetischen Untersuchung [2].

„Next generation sequencing“ und „whole genome sequencing“

Technisch ist es bereits möglich, das komplette Genom eines Menschen mittels „Next-generation-sequencing-Technologien“ in kurzer Zeit zu sequenzieren („whole genome sequencing“). Das Hauptproblem dabei ist, die sich daraus ergebende Datenflut zu bewältigen. Die Menschen müssen wissen, dass der größte Teil der daraus erwachsenden Informationen von unklarer Bedeutung ist.

„Whole genome sequencing“ wird vor Augen führen, dass jeder Mensch für zahlreiche Erkrankungen ein erhöhtes Risiko aufweist mit der Folge möglicher negativer sozialer Konsequenzen hinsichtlich Versicherungsabschlüssen, Berufswahl oder Stigmatisierung. Auch wenn auf lange Sicht für ausgewählte Erkrankungen das Bewusstsein für individuelle Risiken hilfreich sein kann sofern die Daten richtig interpretiert werden, würden viele Menschen kurzfristig eher unter dem Wissen leiden.

Man schätzt, dass jeder Mensch Informationen für 100 genetisch (mit-)verursachte Erkrankungen in sich trägt. Durchschnittlich trägt jeder Mensch in jedem zweiten Gen eine aminosäure-austauschende Variante. Wer soll diese Informationen den Patienten adäquat vermitteln? Zudem beruht die Interpretation auf heutigem Wissen, welches einem raschen Wandel unterworfen ist und morgen bereits anders sein und zu einer anderen Interpretation der Daten führen kann [20].

Ausblick

In den letzten Jahren wurden neue Verfahren entwickelt, die die bislang mühsame, teure und zeitaufwendige Sequenzierung einzelner Gene durch massive parallele Sequenzierung von Millionen von DNA-Fragmenten in einem einzigen Sequenzierlauf ersetzen können („next generation sequencing“, NGS). Hierdurch wird es erleichtert, zahlreiche Gene gleichzeitig zu untersuchen. Die Folge wird jedoch sein, dass Arzt und Patient häufiger mit dem Problem schwer interpretierbarer Ergebnisse konfrontiert werden.

Bereits jetzt ist die Kapazität an Experten, die die Resultate der gezielten Sequenzierungen interpretieren müssen, um den Patienten adäquate Therapien zukommen lassen zu können, erschöpft. Daher müssen die neuen Technologien im klinischen Gebrauch mit Bedacht eingesetzt und die Auswahl der zu untersuchenden Gene muss umsichtig getroffen werden. Das bedeutet, dass nur Ergebnisse zuvor bestimmter, die relevante Fragestellung betreffender Gene, aus den Rohdaten herausgefiltert und analysiert werden. Hierzu müssen Richtlinien der jeweiligen Fachgesellschaften erarbeitet bzw. sofern bereits vorhanden, herangezogen werden. Letztlich obliegt es dem veranlassenden Arzt außerhalb des Forschungslabors vor diesem Hintergrund im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, welche Tests im Rahmen der konkreten Fragestellung vernünftig sind und welche nicht.

Auch wenn in absehbarer Zeit die Kosten für die Sequenzierungen fallen sollten, bleiben die technische Erhebung von Rohdaten und die anschließende Analyse und Interpretation der Daten zwei unterschiedliche Vorgänge.

Bislang konzentrierte sich die Forschung hauptsächlich auf die kodierenden Sequenzen, die jedoch nur etwa 1,5 % des Genoms ausmachen. In den nicht-kodierenden Bereichen gibt es hochkonservierte Regionen, die das Regulom beinhalten, d. h. zahlreiche nicht-kodierende, jedoch regulatorische Sequenzen, die die Genexpression kontrollieren und aktuell Gegenstand der Forschung sind. Eine Anwendbarkeit im klinischen Bereich ist jedoch noch nicht gegeben.

Fazit für die Praxis

Bei entsprechender Indikation und Interpretation aller vorliegenden Befunde stellt die Möglichkeit des Familienscreenings und der präsymptomatischen Erkennung und frühzeitigen Behandlung von Risikopatienten für einen plötzlichen Herztod mithilfe der genetischen Diagnostik einen großen Fortschritt für die Betroffenen dar.

Die genetische Diagnostik sollte ausschließlich in Zusammenarbeit mit auf dem Gebiet der Herzgenetik erfahrenen Spezialisten erfolgen.

Funding acknowledgement

Prof. Kääb und Dr. Beckmann erhielten Drittmittel für Forschungsvorhaben: ANR SCD Gene (01 KU 0907), M4 Innovative Therapiestrategien für Herzrhythmusstörungen und Drug Safety (01 EX 1021 E) sowie NGFN Plus des BMBF (01 GS 0838).

Prof. Kääb ist Principal Investigator der Munich Heart Alliance und wird unterstützt vom DZHK (German Center for Cardiovascular Research).