Die Muskulatur ist unser größtes parenchymatöses Organ, das zumeist unbemerkt seine physiologische Aufgabe erfüllt. Die menschliche Muskulatur besteht aus über 630 Einzelmuskeln und macht beim Neugeborenen ca. 25% und beim Erwachsenen ca. 45% des Körpergewichts aus. Ein Muskel setzt sich aus ca. 250 Mio. vielkernigen Muskelfasern zusammen, die bis zu 35 cm lang sein können. Diese riesigen Zellen haben Durchmesser zwischen 10 und 100 µm. Vor dem Hintergrund der Gesamtmuskelmasse mit Berücksichtigung der im Muskel vorhandenen Nervenfasern, Gefäße, Bindegewebe sowie der Tonussteuerung über das zentrale und periphere Nervensystem wird verständlich, warum ein Begriff – die Myalgie – das Symptom beschreiben kann, aber dennoch die Ursache der Myalgie oft unklar bleibt und die genaue Lokalisation des Schmerzes oft nicht definiert werden kann. Diese Ungenauigkeit der Begrifflichkeit Myalgie macht die eigentliche spezifische Diagnose und Therapie häufig so schwierig. Historisch wurde der Muskelschmerz von Froriep 1843 erstmals beschrieben. Hier wurde das Problem der „Muskelschwielen“ als druckschmerzhaft zu tastende Muskelverhärtung, die sich mit lokalen manuellen Techniken behandeln ließen und somit synonym mit einem klassischen myofaszialen Schmerzsyndrom waren, definiert. Die schmerzhafte Dermatomyositis wurde durch Ernst Leberecht Wagner 1963 beschrieben.

Jeder Arzt kommt mit dem Symptom Myalgie in Berührung und viele Muskelkrankheiten besitzen einen Waisenstatus (sog. „orphan diseases“). Hier werden 3 wichtige und häufige rheumatologisch-neuromuskuläre Entitäten als Leitthema diskutiert.

Im ersten Beitrag mit dem Titel „Fibromyalgiesyndrom – keine Muskelerkrankung“ fasst Nurcan Üçeyler aus Würzburg neue Ergebnisse zur möglichen Mitbeteiligung der dünn bemarkten A-δ- und unbemarkten C-Nervenfasern beim Fibromyalgiesyndrom zusammen. Der Syndromname und die klinische Präsentation mit insbesondere muskuloskeletalen Schmerzen suggerieren eine pathophysiologische Rolle von Störungen im Muskel, aber weder klinische noch apparative Untersuchungen ergeben muskeltypische Befunde. Im Rahmen dieses Syndroms sind nun mehrdimensionale Schädigungen der sog. „small fibers“ nachgewiesen worden. Diese „small fibers“ sind eine heterogene Faserpopulation, die u. a. für die Weiterleitung von thermischen Reizen, Schmerz, Juckreiz, angenehmer Berührung und autonomen Funktionen verantwortlich sind. Noch leisten entsprechende Untersuchungen keinen diagnostischen Beitrag zum Fibromyalgiesyndrom, aber damit ist ein neues Forschungsfeld eröffnet worden – auch mit der Hoffnung auf eine spezifischere, vielleicht individualisierte Therapie dieser Patienten.

Im zweiten Beitrag von Kai Rösler aus Bern stehen die klassischen Autoimmunmyositiden im Vordergrund. Neben der Darstellung der aktuellen Klassifikation der entzündlichen Muskelkrankheiten aus neurologischer Sicht folgen die Beschreibung eines Diagnostikalgorithmus sowie die zurzeit geltende Standardtherapiebeschreibung. Wichtig ist die Kenntnis der nekrotisierenden Myopathie, die erst in den letzten Jahren als eigenständige Krankheit erkannt wurde. Klinisch zeichnet sie sich durch subakute Paraparese, Muskelatrophie und schwere Myalgien aus. Neben einer paraneoplastischen Genese ist eine systemische Amyloidose oder eine Kollagenose [meist eine Systemsklerose oder eine „mixed connective tissue disease“ (MCTD)] ursächlich möglich. Immungetriggert ist die nekrotisierende Myopathie oft durch Statine, oder sie kommt in Kombination mit SRP-Antikörpern vor. Aufgrund der tiefen Prävalenz fehlen leider weiterhin qualitativ gute, kontrollierte Studien zur Behandlung der Myositissyndrome.

Im dritten Beitrag fasst Michael Seitz aus Bern den aktuellen Stand der Polymyalgia rheumatica (PMR) zusammen. In diesem Beitrag werden die neuen 2012 formulierten Konsensus-Klassifikationskriterien von European League Against Rheumatism (EULAR) und American College of Rheumatology (ACR) zu einer verbesserten Diagnostik der PMR dargestellt. Hier sind nun mindestens 5 Sets von diagnostischen Kriterien für PMR auf der Basis der klinischen Erfahrung formuliert. Der muskuloskeletale Ultraschall mit dem häufigsten Befund einer Bizepstendinitis ist nun erstmals Bestandteil dieser Kriterien. Notwendig für die Klassifikation sind: neu aufgetretener bilateraler Schulterschmerz <12 Wochen, Alter ≥50 Jahre und Erhöhung der BSR und/oder CRP, a) Bursitis subdeltoidea, Tenosynovitis der langen Bizepssehne und/oder Erguss im Glenohumeralgelenk, b) Bursitis trochanterica und/oder Erguss im Hüftgelenk. Unter Einschluss des Gelenkultraschalls haben diese neuen Kriterien nun eine hohe Sensitivität (92,6%) und gleichzeitig eine hohe Spezifität (91,3%). Als Standardtherapie gelten nach wie vor Glukokortikoide und alternativ auch Methotrexat und ggf. in Zukunft eine Anti-IL-6-Therapie.

P. Villiger

B. Schoser