Einfluss und Wirkungen von inner- und außerhäuslichen Wohnumwelten auf das subjektive Wohlbefinden im Alter, ein zentraler Forschungsgegenstand der Ökogerontologie, verweisen auf die hohe Bedeutung des Wohnens und der Wohnumwelten im Alter [5]. Mit nachlassender Mobilität und steigendem Lebensalter wird zunehmend mehr Zeit in der Wohnung verbracht, die damit zum zentralen Lebensmittelpunkt wird. Im Sinne einer Person-Umwelt-Passung stehen in diesem Kontext Aspekte wie Selbstbestimmung, das Erleben von Selbstständigkeit und Sicherheit im Fokus [7]. Für die wachsende Zahl von Singlehaushalten im Alter stellen zentrale Ausstattungsmerkmale, wie Barrierefreiheit oder gute Verkehrsanbindung, wichtige Einflussgrößen dar, die eine Wohnung alten- und bedarfsgerecht machen. Im Wohnumfeld geht es v. a. um Faktoren, die das Erleben von biografischer Kontinuität ermöglichen, sowie um Gelegenheiten und Rahmenbedingungen zu Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen [8].

Aber obwohl einerseits von vielen älteren und alten Menschen ein möglichst langer Verbleib in der eigenen Wohnung oder zumindest im gewohnten Wohnumfeld angestrebt wird – auch bei fortschreitendem Hilfe- und Pflegebedarf –, nimmt mittlerweile die Bedeutung der bewussten Auseinandersetzung mit möglichen Alternativen für das Wohnen im Alter zu. Dabei wird zunehmend der Versorgungs- und Betreuungsaspekt bei einem entstehenden Pflege- und Hilfebedarf stärker in den Blick genommen, und es stehen auch Fragen der Wohnumwelten und der strukturellen Bedingungen in der stationären Pflege, v. a. im Kontext von Lebensqualität, zunehmend im Fokus [3].

Das Thema Wohnen im Alter wird einerseits vorrangig unter dem Aspekt des Erhalts von Kontinuität diskutiert. Andererseits steigt bei der Generation 50+ die Umzugsbereitschaft in der nachberuflichen Lebensphase, wobei die Hauptmotive dafür in der Schaffung geeigneter struktureller Rahmenbedingungen für den langen Erhalt von Selbstständigkeit sowie im Wunsch nach besseren Ausstattungsmerkmalen zum Abbau von möglichen Mobilitätsbarrieren liegen. Ein weiterer Auslöser für eine Veränderung der Wohnsituation ist der Wunsch nach mehr Nähe zu Kindern, Enkeln oder anderen Familienangehörigen. Die multilokale Mehrgenerationenfamilie [1] rückt nicht selten mit zunehmendem Alter doch wieder näher zusammen, wobei die alternden Eltern eher den Kindern an ihren weiter entfernten Wohn- und Arbeitsort folgen. Gesucht wird dabei nicht das Wohnen unter einem Dach, aber doch in engerer räumlicher Verbundenheit, mit dem Blick auf die Stärkung familialer Netzwerke. Und angesichts der wachsenden Zahl von Ein-Personen-Haushalten, in denen Menschen ohne verfügbare familiäre Unterstützungspotenziale leben, geht es auch um ermöglichende Strukturen, in denen Wahlverwandtschaften entstehen können [4]. In diesem Kontext steigt der Wunsch nach generationengerechten Wohnformen, Mehr-Generationen-Quartieren und sozialraumbezogenen Versorgungskonzepten, die den Bedarfen ihrer künftigen Bewohnerschaft entsprechen [6]. Partizipative Entwicklungsprozesse und kooperative Beteiligungsverfahren sind in diesem Kontext erfolgreich erprobte Ansätze [2].

Gerd Kaufmann, Olga Frankenberg, Ralf-Rüdiger Sommer und Annemarie Jost zeigen im ersten Beitrag des Themenschwerpunkts in dieser Logik die Potenziale kooperativen Lernens in der Projektentwicklung auf und gehen besonders auf die Relevanz kooperativer Beteiligungsverfahren für die Weiterentwicklung generationengerechter Wohnformen ein. Vorgestellt wird ein Prozess in einem strukturschwachen ländlichen Raum im Land Brandenburg, in dessen Rahmen verschiedene Träger, Akteure und eine engagierte Bürgerschaft, mit Unterstützung aus dem Hochschulbereich (FB Architektur und Soziale Arbeit der TU Cottbus-Senftenberg), generationengerechte Wohn- und Betreuungskonzepte entwickelt haben und damit ein nachhaltiges Konzept für ländlich strukturierte Räume vorlegen. Der besondere Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung der Lern- und Kommunikationsprozesse, die auf diesem Weg initiiert werden können, und auf der Übertragbarkeit der Ergebnisse und Erkenntnisse auf strukturschwache ländliche Räume allgemein.

Im zweiten Beitrag des Themenschwerpunkts stehen die Ergebnisse einer Befragung von 2156 Personen ab 50 Jahren im Mittelpunkt, die v. a. auf den zentralen Aspekt der Interdependenz zwischen subjektiver Restlebenszeit und vorsorgender Umzugsplanung in der zweiten Lebenshälfte verweisen. Anja Beyer, Roland Rupprecht und Frieder R. Lang zeigen in diesem Kontext auf, welche Bedeutung – neben anderen relevanten Faktoren – die subjektiv eingeschätzte verbleibende Lebenszeit auf die Umzugsplanung im Alter und deren zeitliche Einordnung im weiteren Lebensverlauf hat. Diese Arbeit liefert wichtige Einsichten und Anknüpfungspunkte für die Praxis der Wohnberatung und für die Prozessbegleitung von neuen und bedarfsgerechten Wohn- und Betreuungssettings.

An diesem Punkt setzt auch der dritte Beitrag Pflegepräferenzen und regionale Mobilität an. Dabei geht es um Einflussfaktoren auf die pflegebezogene Umzugsneigung älterer Menschen in Partnerschaften im ländlichen Raum, der dem Phänomen nachgeht, dass den im ländlichen Raum oft ungenügend vorhandenen Pflegeinfrastrukturen mit einem bewusst gewählten Umzug in eine Region begegnet wird, die umfassendere Angebote zu Pflege und Unterstützung bietet. Im Mittelpunkt der Arbeit von M. Rudel, M. Abraham und E. Görtler stehen die Ergebnisse einer Befragung von älteren Paaren im ländlichen Raum. Dabei kann aufgezeigt werden, dass die Umzugsneigung deutlich mit dem Ausmaß des formalen Pflege- und Betreuungsangebots korreliert und die besondere Präferenz dabei auf ambulanten Hilfen liegt.

Die Stabilität von häuslichen Versorgungsarrangements für Menschen mit Demenz steht im Mittelpunkt des vierten Beitrags von Milena von Kutzleben, Kerstin Köhler, Jan Dreyer, Bernhard Holler und Martina Roes. Dabei geht es um eine sozial- und gesellschaftspolitisch relevante Debatte, die auch in der Versorgungsforschung einen hohen Stellenwert hat – die Frage der Stabilität häuslicher Versorgungssettings und woran diese objektiv gemessen werden kann. Im Mittelpunkt steht also die Erarbeitung eines theoretischen Orientierungsrahmens, der die Frage der Versorgungsqualität im häuslichen Versorgungsarrangement in seiner Komplexität und Vielschichtigkeit aufgreift und beleuchtet und auch danach fragt, wie sich diese für Menschen mit Demenz konstituiert und determiniert.

Damit werden im Themenschwerpunkt der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie sehr unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven beleuchtet, die sich aber doch eindeutig an wichtigen Schnittstellen treffen und darauf verweisen, wie zentral die kritische Auseinandersetzung mit strukturellen Rahmenbedingungen für neue Wohn- und Pflegearrangements im Alter ist. Denn diese können einerseits im Sinne ermöglichender Strukturen wirken oder aber andererseits notwendige Innovationen im Kontext sich verändernder gesellschaftlicher Bedingungen für das Leben im Alter verhindern.

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Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff