Der Themenschwerpunkt der vorliegenden Ausgabe von der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie stellt ausgewählte Arbeiten aus dem Niedersächsischen Forschungsverbund Gestaltung Altersgerechter Lebenswelten (GAL) vor, in dem in den Jahren 2008–2013 etwa 70 Forscher tätig waren. Ziel des interdisziplinären Verbunds war es, neue Informations- und Kommunikationstechnologien für altersgerechte Lebenswelten zu identifizieren, weiterzuentwickeln und zu evaluieren [2]. In verschiedenen Szenarien (u. a. Erkennung pflegerelevanter Alltagsaktivitäten, häusliches Monitoring nach geriatrischer Rehabilitation [5], Sturzerkennung und Sturzrisiko-Assessment [1]) mit insgesamt 79 Feldinstallationen wurden GAL-Technologien auf technische Machbarkeit und Akzeptanz hin erforscht. Die technischen Entwicklungen wurden von Untersuchungen zu Bedarf und Präferenz der Unterstützung, zu Technikbereitschaft und -akzeptanz sowie durch Analysen volkswirtschaftlicher Konsequenzen des Einsatzes begleitet. Der 1. Beitrag berichtet aus einer dieser Studien – konkret einer für das Land Niedersachsen repräsentativen Befragung von mehr als 2000 Personen im Alter über 49 Jahre. Die Autoren relativieren die oft angeführte Annahme, dass allein das Alter potenzieller Nutzer für die Akzeptanz von Assistenzsystemen entscheidend ist, und zeigen in ihrer Analyse, dass einerseits Kompositions- und Kohorteneffekte sowie andererseits sich verändernde Bedarfslagen beachtet werden müssen. Weiterhin führen sie an, dass zukünftige Kohorten zwar technikerfahrener sein werden, dass sich die Technologien aber auch kontinuierlich weiterentwickeln und insofern nur lebenslanges Lernen helfen kann, im Alter nicht vor der Technikentwicklung überholt zu werden.
Wang et al. beschreiben in ihrem Beitrag eine neue Methode zur Auswertung von Aktivitätsdaten, die unaufdringlich mithilfe von preisgünstigen Hausautomationssensoren in den Wohnungen von Patienten erhoben werden können. Ziel des Ansatzes ist es, für das geriatrische Assessment relevante Zusatzinformationen über das Verhalten von Personen aus ihrer Lebensumgebung zu gewinnen. Individuelle Verhaltensmuster werden dazu exemplarisch mit Assessment-Daten abgeglichen. Eine visuelle Darstellung offenbart deutliche Unterschiede zwischen den Personen hinsichtlich der Regelmäßigkeit von Alltagsaktivitäten. Die weitere Analyse derartiger hochkomplexer und heterogener Daten wird methodische Innovationen im Bereich der Datenanalyse unter Einbeziehung geriatrischer Expertise erfordern [3, 7].
Feldwieser et al. berichten über das Ergebnis einer Feldstudie zur Evaluation eines mobilen Sturzerkennungssystems. Für die Dauer von jeweils 8 Wochen wurden 28 sturzgefährdete Patienten in eine Beobachtungsstudie aufgenommen. Ein tragbares Sensorgerät zeichnete Bewegungsdaten auf. Sturzereignisse wurden über regelmäßige Interviews mit den Personen erfasst. Insgesamt zeigte sich, dass zwar die Mehrzahl (12 von 15) der Stürze korrekt erkannt werden konnte, dass aber die Rate der falsch-positiven Alarme noch immer für den Einsatz unter Realbedingungen zu hoch erscheint. Die Teilnehmer empfanden das System als sinnvoll. Die Studie macht auch deutlich, wie aufwendig Evaluationsstudien im Bereich seltener, aber dennoch relevanter Ereignisse sind [8, 12].
Auch wenn die technische Machbarkeit von Assistenzsystemen und deren Akzeptanz bei spezifischen geriatrischen Personengruppen belegt werden konnte, fehlt es weiterhin an größer angelegten kontrollierten Interventionsstudien, um die Nachweise der diagnostischen Relevanz und der therapeutischen Wirksamkeit zu führen [10]. Erst wenn sich in Längsschnittuntersuchungen zeigen lässt, dass z. B. ein längerer Verbleib in der Häuslichkeit, mehr Selbstständigkeit oder eine Reduktion der Sturzhäufigkeit durch Technik möglich ist, ohne dass zugleich unerwünschte Nebenwirkungen, wie z. B. ein Verlust an sozialen Kontakten, negativ zu Buche schlagen, kann es gelingen, entsprechende Assistenzsysteme und damit verbundene Dienstleistungen umfassend zu etablieren [4]. Solche Studien erfordern – neben einer konsequenten und frühzeitigen Einbindung der Anwender [11] sowie adäquater Förderung – die enge Kooperation zwischen Systementwicklern [6], Institutionen [9] und insbesondere auch Geriatern und Gerontologen.
Literatur
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Marschollek und H. Künemund geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Marschollek, M., Künemund, H. Gerontechnologie zwischen Akzeptanz und Evidenz. Z Gerontol Geriat 47, 639–640 (2014). https://doi.org/10.1007/s00391-014-0828-1
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