Zusammenfassung
Ländliche Regionen werden im Zuge des demographischen Wandels anders herausgefordert als urbane Räume. Die prognostizierte Entwicklung in den neuen Bundesländern führt besonders drastisch vor Augen, dass die Daseinsfürsorge im ländlichen Raum einer Neuausrichtung bedarf, um lebendige und zukunftsfähige Kommunen zu erhalten. Eine besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang bürgerschaftliches Engagement, das neue Handlungsspielräume eröffnet und von dem man sich deshalb erhofft, dass es eine Antwort auf die akuten Probleme in der kommunalen Daseinsvorsorge darstellt. Zur Auslotung des Potenzials von Engagement werden vonseiten der Politik Projekte aufgelegt und Forschungsvorhaben initiiert, um Erfolgsfaktoren zur Bewältigung dieser Trends zu identifizieren, z. B. durch das Programm „Aktiv im Alter“ oder die Workshopreihe „Engagement gestaltet ländliche Räume“. Die Analyse dieser Projekte zeigt einerseits in vielen Bereichen das Potenzial von Selbstorganisation und Engagement in den Kommunen auf. Andererseits wird klar, dass es hierfür geeigneter Rahmenbedingungen bedarf und es zudem gilt, die Grenzen des Engagements und der Selbstorganisation in den Blick zu nehmen. Bürgerschaftliches Engagement entpflichtet weder Politik noch Verwaltung davon, Verantwortung für die Sicherung der Daseinsvorsorge zu tragen.
Abstract
Rural areas are challenged differently by demographic change than urban areas. Prognostic data for the newly formed German states illustrate very clearly that the safeguarding of sustenance in rural areas requires redirection in order to maintain vivid municipalities that are prepared for the future. Civic engagement has a special meaning in this context, as it can open new possibilities for action. It is hoped that civic engagement by many inhabitants can be one answer to urgent challenges for safeguarding sustenance at the local level. Projects to screen the potential of civic involvement have been set up at the political level. Research has been initiated in order to identify success factors to cope with these trends, e.g., the program “Aktiv im Alter” (Active Ageing) and the workshop series on how volunteering/civic activities can help shape rural areas. The analysis of the projects makes visible the potential inherent in self-organization and civic engagement in many municipalities. However, it becomes clear that framework conditions need to be adequate. Also, there is a limit to what can be achieved through self-organization and civic engagement. This approach does not release politics and administration from their responsibility to take care of the safeguarding of sustenance.
Notes
Neben 150 durch das BMFSFJ geförderten Kommunen wurden in Nordrhein-Westfalen 20 Standorte vom Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration und 5 Standorte durch den Zukunftsfonds der Generali Deutschland Holding AG gefördert.
Während der Projektlaufzeit von „Aktiv im Alter“ hat das zze zwei schriftliche Befragungen mit allen Projektverantwortlichen der 175 Standorte durchgeführt. Die erste fand ca. 5 Monate nach Projektbeginn statt, die zweite ca. 3 Monate vor Projektabschluss. Zudem wurden an 20 Standorten Gruppeninterviews mit lokalen Akteuren (Bürgermeister, Projektverantwortliche, Mitarbeitende Verwaltung, engagierte Senioren) zu den Erfahrungen der Projektumsetzung realisiert. Weitere Erkenntnisse gewann das zze bei der Moderation von 20 regionalen Vernetzungstreffen für Projektverantwortliche sowie bei 11 Austauschtreffen für im Projekt engagierte Freiwillige aus den 175 Standorten [10].
„Lebendige Dörfer in Brandenburg – Bürgerbeteiligung im Alltag“ [17], eine Bürgerbefragung, zeigte auf, wie wichtig gerade auch die Kooperation und ein gutes Verhältnis zwischen Jung und Alt ist, um den Verbleib junger Menschen an ihren Heimatorten zu fördern.
„Das aktive und soziale Dorf“ [12, 14] ist eine Studie in Mecklenburg-Vorpommern, bei der ein interessantes Ergebnis der Untersuchung 5 kleiner Ortschaften war, dass die Wirtschaftskraft gegenüber dem sozialen Zusammenhalt und der dadurch entstandenen Lebensqualität keine prioritäre Bedeutung hat, wenn es um die Frage von Zuzug oder Wegzug aus einem Dorf geht.
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Interessenkonflikt
Die korrespondierenden Autoren weisen auf folgende Beziehung hin: T.K. war mit der wissenschaftlichen Begleitung von „Aktiv im Alter“ betraut.
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Klie, T., Marzluff, S. Engagement gestaltet ländliche Räume. Z Gerontol Geriat 45, 748–755 (2012). https://doi.org/10.1007/s00391-012-0376-5
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