Weltweit entstehen an Silvester und anderen Feiertagen vor allem durch privat gezündete Feuerwerkskörper schwere Verletzungen vor allem an den Händen, dem Gesicht und den Augen. Häufig betroffen sind Kinder und junge Männer. In vielen Fällen werden zudem unbeteiligte Zuschauer oder Passanten sogenannte „Bystander“, verletzt. Die Augenverletzungen werden in rund 20 % der Fälle als schwer eingestuft und sind dann durch eine schlechte funktionelle Prognose gekennzeichnet.

Der Dachverband der nationalen augenärztlichen Gesellschaften, das International Council of Ophthalmology (ICO), hat seine Mitglieder im Mai 2016 aufgerufen, sich in der Diskussion um ein Verbot privat genutzter Feuerwerks- und Knallkörper zu engagieren, um die Zahlen dieser vermeidbaren Verletzungen zu reduzieren [10]. Um dieser Diskussion eine fundierte Datenbasis zu geben, hat die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) deutschlandweit Daten über Augenverletzungen durch Feuerwerks- und Knallkörper erhoben. Regelmäßig wiederholte Umfragen sind sinnvoll, um die Inzidenz solcher Verletzungen zu bestimmen und Einflüsse von gesetzlichen Regelungen beurteilen zu können. So ist etwa in Deutschland nach Umsetzung der europäischen Richtlinie 2007/23/EG zur Harmonisierung des Handels seit 2009 die Menge des erlaubten Schwarzpulvers in Silvesterraketen von 6 g je Rakete auf 10 g je Rakete angehoben worden, was nach Unterlauft in den Folgejahren zu einem Anstieg der Augenverletzungen geführt hat [21], während eine Freiburger Studie diesen Effekt nicht beobachtet hatte [9]. Gesellschaftliche Verhaltensveränderungen wie absichtliches Abfeuern auf Unbeteiligte können ebenfalls nur mit longitudinalen Daten erkannt und bewertet werden.

Das deutsche Sprengstoffgesetz definiert Feuerwerkskörper als „pyrotechnische Artikel für Unterhaltungszwecke“ und unterteilt diese nach dem Gefahrenpotenzial, dem Lärmpegel und dem vorgesehenen Verwendungsort in die Kategorien F1 bis F4. Bei dieser Einteilung werden jeweils der sachgerechte Gebrauch und insbesondere die Einhaltung des Sicherheitsabstands vorausgesetzt. Feuerwerkskörper der Kategorie F1 sind Personen ab 12 Jahren ganzjährig erlaubt. Für den privaten Gebrauch sind Kategorie-F2-Artikel ab dem 29.12. (im Falle eines Sonntags ab dem 28.12.) erwerbbar, abbrennen dürfen sie Personen über 18 Jahre am 31. Dezember und am 1. Januar. Kategorie-F3- und -F4-Artikel sind professionellen Pyrotechnikern vorbehalten [2].

Bisher war außerhalb lokaler Erhebungen wie aus Leipzig und Freiburg [9, 21] unklar, wie häufig Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper in Deutschland auftreten, welche Personengruppen durch Feuerwerkskörper besonders gefährdet und wie schwerwiegend die Augen- und Begleitverletzungen sind. Ein besonderes Interesse gilt außerdem der Frage, ob die Betroffenen den auslösenden Feuerwerks-oder Knallkörper selbst gezündet haben oder ob sie als Zuschauer oder Passanten verletzt wurden. Die im Folgenden dargestellten Umfrageergebnisse umfassen jeweils 5 Tage um die Jahreswechsel 2016/17, 2017/18 und 2018/19.

Material und Methoden

Im Rahmen unserer prospektiven Studie baten wir alle bettenführenden Augenkliniken Deutschlands, die sich am augenärztlichen Notdienst beteiligen, um Teilnahme. Die Augenkliniken wurden dem Katalog der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft entnommen. Das Anschreiben wurde via E‑Mail an die jeweiligen ärztlichen Direktoren und leitenden Oberärzte versendet. Bei Interessensbekundung versendeten wir personalisierte Zugangsdaten zu einem strukturierten Erfassungsbogen im Internet. Mit diesem erfassten wir Geschlecht, Lebensalter zum Zeitpunkt der Verletzung, Seitigkeit, etwaige Begleitverletzungen im Gesicht oder an den Händen, die Art der Verletzung und der erforderlichen Therapie. Außerdem erfragten wir prognostische Parameter wie abzusehender dauerhafter Visusverlust, andere Residuen wie Narbenbildungen oder die Notwendigkeit folgender ophthalmochirurgischer Folgeeingriffe. Zwei Fragen bezogen sich auf den Unfallhergang mit dem Ziel, Verursacher (selbst- oder fremdgezündet einschließlich unklarer Situation) und Art des auslösenden Feuerwerkskörpers zu dokumentieren.

Die statistische Auswertung erfolgt deskriptiv. Zusätzlich wurden mittels logistischer Regression Risikofaktoren für den schwersten Verlauf mit der Notwendigkeit einer Operation unter stationären Bedingungen charakterisiert.

Ausgewertet wurde in den 2 Altersgruppen, Kinder und Jugendliche 0 bis 17 Jahre und Erwachsene 18 Jahre oder mehr, und auf der Basis der 3 aufeinanderfolgenden Jahreswechsel 2016/17, 2017/18 und 2018/19.

Ergebnisse

Beteiligung

Beginnend mit 41 teilnehmenden Zentren zum Jahreswechsel 2016/17, beteiligten sich in den Folgejahren 49 und 51 Kliniken. Dabei wurden Daten von 350 Verletzten (2016/17), 518 (2017/18) und 488 (2018/19) durch die jeweils teilnehmenden Augenkliniken in anonymisierter Form erfasst (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der Verletzungen über Deutschland über die 3 Jahreswechsel 2016 bis 2019. Ballungsräume sind bevorzugt betroffen

Patientenalter und Geschlechtsverteilung

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene männlichen Geschlechts sind besonders häufig von Feuerwerksverletzungen betroffen. Am Jahreswechsel 2016/17 waren 33 % der Patienten Kinder und Jugendliche, am folgenden Jahreswechsel 39 % und 2018/19 37 %. Im jungen Erwachsenenalter von 18 bis 30 Jahren waren 2016/17 34 % Patienten, 2017/18 31 % und 2018/19 30 %. Die Altersverteilung findet sich in Abb. 2.

Abb. 2
figure 2

Altersverteilung: absolute Zahl der Patienten je Altersgruppe. Es zeigt sich an allen 3 Jahreswechseln ein Häufigkeitsgipfel für Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

In allen 3 Jahren waren rund drei Viertel der Patienten beider Altersgruppen männlich. Um den Jahreswechsel 2016/17 waren 75 % der Minderjährigen (115 Angaben) und 72 % der Volljährigen männlich (220 Angaben), an Silvester 2017/18 76 % (200 Angaben) und 73 % (316 Angaben) und an Silvester 2018/19 73 % (180 Angaben) und 70 % (307 Angaben) respektive.

Schweregrad der Verletzung und der Therapie

Rund drei Viertel aller Verletzten jeden Alters wurden ambulant wegen leichter Verletzungen behandelt, während rund ein Viertel der Patienten wegen schwerer Verletzungen stationär versorgt werden musste. Zum Jahreswechsel 2016/17 benötigten 2 % (n = 7) aller Patienten keine Therapie, 67 % (n = 228) eine ambulant konservative Therapie und 6 % (n = 19) eine ambulant operative Therapie meist bei banalen Verletzungen der Augenoberfläche; 12 % der Patienten (n = 40) wurden stationär konservativ bei Verletzungen der Oberfläche und stumpfen Bulbusprellungen behandelt, und 14 % Patienten (n = 47) wurden stationär operativ meist wegen kombinierter Lid- und Oberflächenverletzungen und Bulbusverletzungen (341 Angaben) therapiert. Die Daten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und den beiden Zeiträumen (2017/18: 509 Angaben, 2018/19: 463 Angaben) unterscheiden sich dabei unwesentlich (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Anteil der Patienten (%) nach Therapiemodus im Jahresvergleich. An allen 3 Jahreswechseln erlitt rund ein Viertel der Patienten schwere Verletzungen, die stationär behandelt werden mussten. In 75 % der Fälle erfolgte eine ambulante Therapie. Die Breite der Balken spiegelt die Anzahl der Meldungen wider. St. OP stationär operativ, St. Kons. stationär konservativ, Amb. OP ambulant operativ, Amb. Kons. ambulant konservativ, Keine keine Threrapie erforderlich

Risiko für die schweren, operativ zu versorgenden Verletzungen

In der logistischen Regression bestätigte sich außerdem statistisch signifikant, dass Jungen und junge Männer ein höheres Risiko für die schweren, operativ zu versorgenden Verletzungen hatten. Patienten, die den auslösenden Feuerwerkskörper selbst gezündet haben, weisen statistisch ein etwas höheres Risiko für schwere, operativ zu versorgende Verletzungen auf, während keine statistische Signifikanz für das Risiko einer schweren operativ zu versorgenden Verletzung zwischen den 3 Jahren zu beobachten war.

Das logistische Regressionsmodell ist in Abb. 4 zusammengefasst.

Abb. 4
figure 4

Logistische Regression zur Charakterisierung von Risikofaktoren für eine schwere Augenverletzung durch Feuerwerk, die eine stationäre operative Therapie erfordert. Faktoren, deren Spannbreite die gestrichelte Linie schneidet verfehlen die statistische Signifikanz. Stat. OP stationär operativ

Einseitige Bulbusrupturen wurden 2016/17 bei 3 Kindern oder Jugendlichen (3 %) und 12 Erwachsenen (5 %), 2017/18 bei 6 Kindern oder Jugendlichen (3 %) und 14 Erwachsenen (4 %) und 2018/19 bei einem 8‑jährigen Kind und 12 Erwachsenen dokumentiert. Über die 3 Jahre erfassten wir in Deutschland insgesamt 10 Bulbusrupturen bei Kindern und Jugendlichen. Die 2 jüngsten Kinder waren 8 Jahre alt. Das mittlere Alter lag bei 11,3 Jahren, 80 % der Patienten waren männlich, 50 % hatten selbst gezündet, 50 % wurden in unklarer Situation oder als Zuschauer verletzt, 50 % wurden durch Knallkörper verletzt. Für die 38 bulbuseröffnenden Schwerstverletzungen bei Erwachsenen lag das mittlere Alter bei 37,6 Jahren, 92 % waren männlich, 64 % hatten selbst gezündet, 40 % wurden durch Raketen verletzt.

Einschätzung von Visusverlust und Folgeeingriffen

Der Erstbehandelnde schätzte das Risiko eines Visusverlust und anderer Residuen wie z. B. einer Narbenbildung ein. Bei den Patienten mit den leichten, ambulant versorgten Verletzungen betrug demnach das Risiko für einen Visusverlust 2016/17 1–2 % (mit anderen Residuen wie Narbenbildung an Lidern oder Hornhaut wurde bei bis zu 14 % der Patienten gerechnet).

In der Gruppe der stationär versorgten Patienten mit den schweren Verletzungen lagen diese Zahlen erwartungsgemäß deutlich höher: Mit einem dauerhaften Visusverlust wurde bei knapp 40 % der Patienten aller Altersgruppen gerechnet und mit anderen Residuen wie Narbenbildungen bei bis zu 48 %.

Mit Folgeeingriffen rechnete der Erstuntersucher bei 14 % der Patienten aus allen 3 Jahren, bei den Kindern und Jugendlichen mit rund 30 % etwas weniger häufig als bei den Erwachsenen, bei denen diese in über 40 % der Patienten erwartet wurde (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Anteil der Patienten (%) mit Folgeschäden nach Einschätzung der Prognose durch den Erstuntersucher bei leicht verletzten ambulant und schwer verletzten stationär versorgten Patienten. a Kinder und Jugendliche, b Erwachsene

Begleitverletzungen

Beidseitige Augenverletzungen waren 2016/17 bei 17 % der Minderjährigen und bei 14 % der Erwachsenen aufgetreten, in den Folgejahren waren die Zahlen vergleichbar (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Anteil der Patienten (%) mit Begleitverletzungen am Partnerauge, im Gesicht oder an den Händen. Begleitverletzungen am Partnerauge und an den Händen waren häufiger bei Kindern und Jugendlichen

Zusätzliche Gesichtsverletzungen wurden zum Jahreswechsel 2016/17 bei 21 % der verletzten Kinder und Jugendlichen und bei 23 % der verletzten Erwachsenen dokumentiert, um den Jahreswechsel 2017/18 waren 30 % der Minderjährigen und 26 % der Erwachsenen und 2018/19 25 und 24 % respektive betroffen. Zusätzliche Handverletzungen waren bei den Kindern und Jugendlichen ebenfalls häufiger festzustellen. Neben der Augenverletzung erlitten zum Jahreswechsel 2016/17 14 % der Minderjährigen und 6 % der Erwachsenen Handverletzungen, im Folgejahr waren es 17 % der Minderjährigen und 8 % der volljährigen Patienten und 2018/19 12 und 6 % (Abb. 6).

Besonders schwerwiegend sind Kombinationen aus beidseitigen Augenverletzungen und Gesicht- und Handverletzungen, die bei den Minderjährigen im Beobachtungszeitraum in bis zu 8 % und damit 4‑mal häufiger als bei den Erwachsenen (2 %) vorkamen.

Andere zusätzliche Verletzungen, die nicht standardisiert dokumentiert wurden, waren z. B. offene Orbitafraktur (1 Patient), Trommelfellperforationen (2 Patienten), Thoraxverletzungen (1 Patient), Beinverletzung (1 Patientin).

Unfallhergang

Zuschauer oder Passanten

Eine Frage erfasste, ob der Verletzte den Pyrotechnikartikel selbst gezündet hatte, als Zuschauer oder Passant in Mitleidenschaft gezogen wurde oder ob die Situation in der der Unfall passierte, unklar war. Weniger als 40 % der Patienten haben angegeben, den Feuerwerks- oder Knallkörper selbst gezündet zu haben (2016/17: 35 % Minderjährige, 39 % Erwachsene, 2017/18: 40 % Minderjährige und 30 % Erwachsene, 2018/19: Minderjährige 38 %, Erwachsene 33 %). Entsprechend gaben zum Jahreswechsel 2016/17 51 % der Minderjährigen und 36 % der Erwachsenen an, als Zuschauer oder Passant (2017/18: 45 und 38 % und 2018/19: 49 und 48 % respektive) oder in einer unklaren Situation (2016/17: 14 und 25 %, 2017/18: 15 und 26 % und 2018/19: 17 und 19 % respektive) verletzt worden zu sein. Dies ist in Abb. 7 zusammengefasst.

Abb. 7
figure 7

Anteil der Patienten (%) nach Unfallhergang: Über 60 % der Patienten geben an, den auslösenden Feuerwerkskörper nicht selbst gezündet zu haben oder in einer unklaren Situation verletzt worden zu sein. Auch hier zeigt sich über die 3 Jahre eine hohe longitudinale Stabilität

Feuerwerksmittel

Außerdem untersuchten wir, welche Art von Pyrotechnik die Verletzung verursacht hatte.

Kinder und Jugendliche wurden demnach überwiegend (in einem Drittel [2018/19] bis der Hälfte [2016/17 und 2017/18]) der Fälle von Knallkörpern verletzt, während bei den Erwachsenen Raketen (in allen 3 Jahren rund 40 %) im Vordergrund standen. Aber auch andere vermeintlich harmlose Pyrotechnik wie Bengalische Lichter oder Wunderkerzen führten in bis zu 30 % der Patienten zu Verletzungen (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Anteil der Patienten (%) nach Art des auslösenden Feuerwerkskörpers. Kinder und Jugendliche werden häufiger als Erwachsene durch Knallkörper verletzt. Bei den Erwachsenen stehen Raketen und Batterien als Auslöser quantitativ im Vordergrund

In einigen Fällen war jedoch nicht primär die Explosion des Knall- oder Feuerwerkskörper ursächlich: Zwei Patienten wurden durch herabfallende Raketenreste verletzt. In weiteren Fällen waren abgesprengte Teile von Pyrotechnikartikeln oder zersplitterte Brillengläser nach Aufprall Auslöser der Verletzung. Bei 2 erwachsenen Patienten und einem Kind war die Verletzung bei der Explosion eines vom Boden aufgehobenen Blindgängers am Neujahrstag entstanden. In diesen Fällen war es zu zusätzlichen Handverletzungen gekommen.

Diskussion

Weltweit entstehen an Silvester und anderen Feiertagen durch Feuerwerks- und Knallkörper schwere Verletzungen [3, 11, 14, 15, 19]. Besonders häufig betroffen sind dabei junge Männer [4, 7, 17, 23], die Verletzungen v. a. an den Händen, dem Gesicht und den Augen erleiden [4, 17]. Zudem werden nach einer Metaanalyse von internationalen Studien zu Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper in rund der Hälfte der Fälle Unbeteiligte, sog. Bystander, verletzt [23]. Die Augenverletzungen werden in 18–38 % der Fälle als schwer eingestuft und sind dann durch eine schlechte funktionelle Prognose gekennzeichnet [11, 13, 21].

Bislang liegen aus Deutschland keine umfassenden Daten über Augenverletzungen, die durch Pyrotechnik hervorgerufen werden vor. In den USA hingegen werden seit dem Jahr 2000 im jährlich publizierten Feuerwerksreport aus dem National Electronic Injury Surveillance System (NEISS) der Consumer Product Safety Commission [6] Unfälle mit privater Pyrotechnik detailliert dokumentiert. In Holland und Finnland wurden in den letzten 10 Jahren ebenfalls entsprechende Register zu Augenverletzungen eingerichtet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse haben teilweise zu einer staatlichen Einschränkung der privaten Feuerwerke geführt (De Faber und Kivelä in dieser Ausgabe).

Ziel unserer Untersuchung war es, deutschlandweite Daten über die Patienten, Art und Schwere der Augenverletzungen und die erforderliche Therapie und den Unfallhergang zu erheben. Wir wollen damit eine verlässliche Datengrundlage schaffen, um die Forderung des ICO nach einem Verbot von privat genutzter Pyrotechnik für Deutschland zu prüfen. Außerdem wollen wir die Dynamik dieser Verletzungen über die Jahre ermitteln, um Veränderungen der Nutzung und den Effekt von gesetzlichen Regelungen zu beurteilen.

Die Tatsache, dass viele Verletzte „Bystander“ waren und viele Kinder und Jugendliche betroffen sind, lässt begründete Zweifel daran, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen und deren Umsetzung in Deutschland zum Schutz der Bevölkerung ausreichen.

Beteiligung

Von den 110 angefragten Kliniken erhielten wir von rund der Hälfte einen Rücklauf. Da die teilnehmenden Zentren sich gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilen, kann davon ausgegangen werden, dass die Daten repräsentativ für Deutschland sind. Für die kommenden Umfragen bitten wir schon jetzt um rege Beteiligung.

Alters- und Geschlechtsverteilung und Schwere der Verletzungen

Die Altersverteilung der hier dokumentierten Verletzten zeigt wie nationale und internationale Studien zum Thema, dass überwiegend Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene durch Feuerwerks- und Knallkörper verletzt werden [4, 8, 22, 23].

In unserer Studie sind im Beobachtungszeitraum rund 40 % der Verletzten Kinder und Jugendliche. Ihr Anteil an der Normalbevölkerung beträgt indes nur 16,4 % [18]. Damit ist diese Altersgruppe bei den Feuerwerksverletzungen deutlich überrepräsentiert, obwohl sie laut Sprengstoffgesetz keinen Zugang zu Pyrotechnikartikeln der Kategorie 2 haben sollte [2].

Rund 60 % der Verletzten sind 30 Jahre oder jünger und stehen am Beginn ihres beruflichen Lebens. Im Fall von schweren Verletzungen, die nach unseren Daten jeden vierten Patienten betrafen, ist in rund 40 % mit Einschränkungen durch dauerhafte Visusminderung oder andere Residuen zu rechnen. Unterlauft zeigte in einer detaillierten Untersuchung von Feuerwerksverletzungen aus 7 Jahren, die an der Universitätsklinik Leipzig behandelt wurden, dass 46 Augen von 50 Patienten im Falle einer operativ zu versorgenden Verletzung einen mittleren Endvisus von 0,8 ± 0,7 logMar erreichten, was einem Dezimalvisus von 0,16 + 0,2 entspricht; 22 % der schwer verletzten Augen hatten am Ende der Nachbeobachtungszeit keine Lichtscheinwahrnehmung mehr [21]. Ausgehend von den von Unterlauft beschriebenen Verletzungsmustern, sind Vernarbungen der Lider oder der Hornhaut, Irisdefekte, aber auch Netzhautkomplikationen, Sekundärglaukom oder Bulbushypotonie möglich. Eine ähnlich ungünstige Prognose der schweren Augenverletzungen beschreiben Chang et al. in der Nachbeobachtung von 100 Patienten eines US-amerikanischen Traumazentrums, die nach Pyrotechnikverletzung der Augen im Mittel über 188 Tage nachbeobachtet wurden: Nach einer Bulbusruptur (17 Patienten) erlitten trotz meist mehrfacher Operationen 58 % der Augen eine Erblindung auf null Lux [4]. Die Arbeitsgruppe aus Rotterdam [8] beschreibt nach Pyrotechnikverletzungen bei 38,5 % der Patienten eine Visusminderung auf unter 0,8 und eine Erblindung auf einen Dezimalvisus von 0,1 oder weniger in 12 % der Fälle.

Der etwas höhere Anteil der stationär zu behandelnden Patienten mit schweren Verletzungen bei Unterlauft et al. (38 %) [18] und Chang et al. (28 % operative Therapie) [4], die aus der Maximalversorgung kommen, gegenüber den hier beschriebenen deutschlandweiten Zahlen (25 %), die in der Fläche erhoben wurden, ist vermutlich ein Selektionseffekt.

Über die 3 Jahre erfassten wir in Deutschland insgesamt 10 Bulbusrupturen bei Kindern und Jugendlichen und 38 dieser schwersten, prognostisch ungünstigen Verletzungen bei Erwachsenen.

Obwohl drei Viertel der Patienten ambulant zu versorgen waren, schätzten die Erstuntersucher die Visusprognose in 2 % dieser Fälle als „eingeschränkt“ ein. Mögliche Residuen wurden bei jedem zehnten Patienten erwartet. Diese Einschätzungen können ein Hinweis darauf sein, dass auch banal bis mittelschwer eingeordnete Verletzungen funktionell relevant sind und dem Patienten mittel- und langfristig Beschwerden bereiten können. Eine Nachbeobachtung der Patienten ist aufgrund der anonymisierten Datenerhebung dieses Registers nicht möglich, sodass die Prognose bei Erstvorstellung nicht überprüft werden kann. Dennoch sehen wir eine Vergleichbarkeit mit den oben genannten Studien, die das funktionelle Follow-up dieser Verletzungen beschreiben [4, 8, 17, 22].

Problematisch bei Verletzungen durch Feuerwerkskörper ist die häufig auftretende äußerst variable Kombination von thermischen, chemischen und mechanischen Defekten des Bulbus und der okulären Adnexe, was nicht nur die Therapie, sondern auch die standardisierte Dokumentation erschwert ([4, 8, 21], Wolf et al. in dieser Ausgabe). Dies konnte hier bestätigt werden: 85 % der Patienten mit Bulbusruptur und 80 % der Patienten mit schweren Contusiones stellten sich mit einer Kombination von zusätzlichen Lid‑, Bindehaut und Hornhautverletzungen vor, die einen oft unabsehbaren Langzeitverlauf mit Narbenbildungen zeigen und spätere Reoperationen erfordern (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Kombinierte Lid- und Bindehautverletzung mit Bulbusprellung, Irisbasisausriss und Vorderkammerblutung durch herabfallende Reste eines abgebrannten Feuerwerkskörpers

Begleitverletzungen

Ebenso erfassten wir über alle 3 Jahre, dass fast jedes fünfte Kind eine beidseitige Augenverletzung davonträgt oder Begleitverletzungen an den Händen, in je einem Fall auch mit Finger- oder Handamputation, erleidet. Begleitverletzungen im Gesicht wurden bei einem Viertel der Minderjährigen dokumentiert und sind somit etwas häufiger als bei Erwachsenen. Die Zahlen sind durchweg höher als bei den Volljährigen, was zeigt, wie inadäquat Kinder und Jugendliche das Gefahrenpotenzial der Feuerwerkskörper einschätzen. Eine Besonderheit dieser Registerstudie ist es, dass diese Begleitverletzungen miterfasst werden. Entsprechend deutlich wird, dass mögliche Schutzmaßnahmen insbesondere für Kinder und Jugendliche umfassend sein müssen.

Kinder vor allem durch Knallkörper verletzt

Da Kinder überwiegend durch Knallkörper (Kracher) verletzt werden, wäre eine konsequentere Kontrolle des Abgabeverbots von Knallkörpern der Kategorie F2 an Minderjährige ein sinnvoller erster Schritt. Kivelä konnte zeigen, dass in Finnland Augenverletzungen und Begleitverletzungen an den Händen nach einem Verkaufsverbot von einzelnen Feuerwerksartikeln zurückgegangen sind (de Faber, Kivelä in dieser Ausgabe).

In mehr als der Hälfte der Fälle werden Zuschauer und Passanten verletzt

Besonders dramatisch sind Augenverletzungen, die Zuschauer oder Passanten treffen. Wisse et al. zeigten in ihrer Metaanalyse einen Anteil von Verletzten Zuschauern („bystander“) von 47 % (min. 14 % bis max. 80 %) [23], andere Autoren beschreiben mit rund 70 % [8, 21] bemerkenswert hohe Zahlen. Auch in der vorliegenden Erfassung haben über alle 3 Jahre über 60 % der Patienten angegeben, als Zuschauer oder Passant oder in einer unklaren Situation verletzt worden zu sein. Diese Zahl ist bei den Minderjährigen etwas höher als bei den Erwachsenen.

Zudem bereiten in den letzten Jahren absichtliche „Angriffe“ mit Pyrotechnik auf Unbeteiligte, wie sie von 5 Patienten im Rahmen der Erhebung berichtet wurden, oder gar auf Rettungspersonal [16] zunehmend Sorgen.

Was kann getan werden, um Verletzungen zu verhindern?

Das Tragen einer Schutzbrille beim Abbrennen von Feuerwerk kann beitragen, das Risiko funktionell und ästhetisch einschränkender Verletzungen an den Augen zu verringern [20]. Die gleichzeitige Abgabe von Schutzbrillen mit Feuerwerkskörpern wird daher befürwortet ([1], Kivelä diese Ausgabe). Aufklärungskampagnen zu den Risiken von Feuerwerkskörpern in einzelnen Ländern oder Städten haben ebenfalls graduelle Verbesserungen erbracht [20], während signifikante Ergebnisse bei der Reduktion der Augenverletzungen durch Feuerwerke nur durch eine gesetzliche Beschränkung der Verfügbarkeit von Feuerwerkskörpern erzielt werden konnten [1, 3, 20, 23].

In den USA werden in verschiedenen Bundesstaaten verschiedene gesetzliche Regeln angewandt; auch das Spektrum der Pyrotechnik unterscheidet sich von dem in Europa üblichen. So sind dort Verletzungen durch Granaten und Granatwerfer mit schwersten Kopfverletzungen und Todesfällen beschrieben worden [4, 17]. Die Zahlen der Verletzungen in den unterschiedlichen Bundesstaaten der USA zeigen klar, dass eine restriktive Regulation der Verfügbarkeit von Pyrotechnik zu einer deutlich niedrigeren Inzidenz von Verletzungen durch Feuerwerk führt. Die Metaanalyse von Wisse bestätigt, dass die Inzidenz durch den eingeschränkten privaten Zugang zu Feuerwerkstechnik um 87 % reduziert werden kann [23].

Die Europäische Union, die zwar aus Gründen der Marktharmonisierung die Anhebung der Sprengstoffmenge ermöglicht hat, bietet dafür die gesetzliche Grundlage, indem sie feststellt: „Die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen und insbesondere von Feuerwerkskörpern unterliegt in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlichen kulturellen Gepflogenheiten und Traditionen. Daher ist es erforderlich, den Mitgliedstaaten unter anderem aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der menschlichen Gesundheit und Sicherheit die Einführung nationaler Maßnahmen zur Beschränkung der Verwendung oder des Verkaufs bestimmter Kategorien von pyrotechnischen Gegenständen an die breite Öffentlichkeit zu ermöglichen.“ [5]

Der Genuss von Alkohol [1] und anderen Drogen, wie ihn ein Patient unserer Studie, bestätigte, schränkt die situative Risikobewertung ein. Von der Einhaltung des sachgerechten Gebrauchs, z. B. des Sicherheitsabstands, wie ihn das deutsche Sprengstoffgesetz voraussetzt, kann in solchen Fällen nicht ausgegangen werden, was ebenfalls gegen die freie Abgabe von Feuerwerkskörpern der Kategorie 2 an über 18-Jährige spricht. Wir haben den Rauschmittelgenuss nicht standardmäßig erfasst und verweisen dazu auf die Erhebung von Huth et al. in dieser Ausgabe.

Limitationen und Konsequenzen der Studie

Unsere prospektive Studie zielt auf die quantitative Erfassung der Verletzungen. Damit dies zeitnah und effizient durch die in den Kliniken notdienstleistenden Augenärzte erfolgen kann, haben wir den Online-Fragebogen auf wesentliche Punkte und auf eine grobe Kategorisierung der Art der Augenverletzung, angelehnt an die Birmingham Eye trauma terminology [12], oder der Pyrotechnikartikel beschränken müssen. Wir erfassen Daten ohne Follow-up, sodass wir bei der Abschätzung der Folgen (Visusreduktion, Residuen oder Folgeeingriffe) auf die Erfahrung der erstuntersuchenden Kollegen angewiesen sind.

Unsere Studie beruht zudem auf freiwilliger Teilnahme und wendet sich nur an die bettenführenden Augenabteilungen und Kliniken Deutschlands und stellt daher kein komplettes Bild dar. Der Rücklauf beträgt bislang etwa 50 % der deutschen Augenkliniken, welche davon Notdienst leisten, muss in Zukunft mit erfasst werden. Die niederländische Augenärztliche Gesellschaft (NOG) kann eine deutlich höhere Beteiligung von rund 95 % an ihrem Register verzeichnen (s. de Faber in dieser Ausgabe), ein Ziel das wir mit dieser Umfrage in den nächsten Jahren ebenfalls anstreben.

Durch die Wiederholung der Studie über 3 Jahre und die hohe Patientenzahl konnte jedoch eine hohe longitudinale Datenstabilität erzielt werden, die einen gleichbleibend hohen Anteil von betroffenen Kindern und Jugendlichen und von verletzten Zuschauern und Passanten zeigt. Diese Zahlen müssen nach Auffassung von DOG und ICO mit geeigneten gesetzgeberischen Maßnahmen reduziert werden. Durch Aufklärungskampagnen über den Umgang mit Feuerwerksartikeln und geeignete persönliche Schutzmaßnahmen kann die Sicherheit zusätzlich verbessert werden.

Augenverletzungen stellen je nach Studie 18–30 % aller Verletzungen durch Feuerwerkskörper [4, 6] dar. Aus diesen Zahlen kann man die Zahl aller Verletzungen durch Feuerwerkskörper in Deutschland nur grob abschätzen. Wir würden daher eine vergleichbare Erhebung auch für andere Fachbereiche wie Handchirurgie, Unfallchirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie begrüßen.

Der hier verwendete Fragebogen ermöglicht die Integration der anonymisierten deutschen Daten in die Umfrage der Société ophthalmologique Européenne (SOE), die wiederum mit den Daten des ICO kompatibel ist, sodass wir die Initiative des ICO direkt unterstützen können. Wir ermöglichen so den Studiengruppenmitgliedern eine Teilnahme in allen genannten Erfassungen mit einmaliger Dateneingabe in unseren anonymisierten Online-Bogen.

Resümee

Die augenärztlichen Fachgesellschaften, allen voran die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, leisten ihren Beitrag durch die Verbesserung der Datenlagen auf nationaler Ebene. Das Engagement aller Augenärzte, die sich in den vergangenen 3 Jahren an der Erfassung von Feuerwerksverletzungen in Deutschland in über 50 Zentren beteiligt haben, spricht dafür, dass das Problem als dringlich, weil vermeidbar eingeschätzt wird. Die vorliegenden Daten sprechen dafür, dass privat genutzte Feuerwerksmittel ein Gefahrenpotenzial besonders für Kinder, Jugendliche und Zuschauer oder Passanten bergen. International hat das ICO sich bereits für ein Verbot privat genutzter Feuerwerke ausgesprochen. Eine gesellschaftliche Diskussion über Nutzen und Risiko von für den privaten Gebrauch hergestellten und abgebrannten Feuerwerkskörpern, die Abwägung persönlicher Freiheit einerseits und der Gefahr für Mitmenschen und Umwelt andererseits sollte auch in Deutschland ernsthaft geführt werden.