Es gibt nur wenige Übersichten über die Konsequenzen, die das Vorliegen einer Kurzsichtigkeit konkret für evtl. Risiken im Alltag bedeutet. Dabei ist ein kurzsichtiges Auge meist nicht nur entsprechend größer, sondern auch dünnwandiger [155]. Verschiedene Assoziationen mit Augenerkrankungen wurden identifiziert. Neben der Abhängigkeit von der optischen Korrektur und den dadurch bedingten Einbußen der Sehqualität [130] sollen es v. a. die nüchternen Fakten sein, die in der Bewertung der Kurzsichtigkeit und ihrer Verhinderung bei Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehen. Entgegen verbreiteter Werbeslogans wie „Leben ohne Brille“ soll die nachfolgende Arbeit das Risikoprofil des stark kurzsichtigen Menschen präzisieren. Denn selbst nach einer vorgezogenen Kataraktoperation, der Implantation einer phaken Kunstlinse oder dem Abtrag von Hornhautgewebe unterscheidet sich das Auge mit hoher Kurzsichtigkeit ein Leben lang von dem Normalsichtiger. Dabei soll möglichst exakt angegeben werden, wie häufig bestimmte Sekundärveränderungen und wie hoch genau einzelne Risiken sind.

Hintergrund

Um die Kurzsichtigkeit korrekt zu bewerten, ist eine differenzierte Betrachtungsweise der unterschiedlichen Ausprägungsformen und ihrer Komplikationen erforderlich. Als wichtiger Parameter für die okulären Komplikationen sollte nach Möglichkeit die Achslänge herangezogen werden, die eine verlässlichere Zuordnung erlaubt als die objektive oder gar subjektive Refraktion [99].

Bezüglich der Risikoeinschätzung ist eine gewisse Vorsicht angebracht, weil viele Einschätzungen lediglich auf Querschnittsdaten beruhen. Viele Kohorten stellen aber keine repräsentativen Bevölkerungsstichproben dar. Wenn Langzeitbeobachtungen fehlen, darf nur vorsichtig über die Auswirkungen der Myopie spekuliert werden. Es gibt aber Hinweise auf eine abweichende Ausprägung unterschiedlicher Erkrankungen (Katarakt früher, altersabhängige Makuladegeneration und diabetische Retinopathie seltener [36, 81, 84]), wobei die Ursachen zum Teil noch unklar (Glaukom) sind. Einige assoziierte Komplikationen sind noch Gegenstand anhaltender Diskussionen. Ganz eindeutig tragen aber verschiedene Pathologien im Bereich der Makula, der peripheren Netzhaut und des Sehnerven zu der höheren Rate des schweren Sehverlusts unter kurzsichtigen Menschen bei [117].

Behinderung und Folgen

Aus den physikalischen Gesetzmäßigkeiten ergeben sich ebenfalls unmittelbare Konsequenzen für die Abbildungsqualität, wie z. B. eine Verkleinerung der Abbildung mit Brillenkorrektur. Der Zusammenhang zwischen Aberrationen höherer Ordnung und Kontrastsensitivität ist jedoch komplex [69], insbesondere scheint die Kontrastschwelle der peripheren Netzhaut bei Myopie empfindlicher von der Aufmerksamkeit der Betroffenen abzuhängen [73]. Nach Fokussierung auf die Nähe und Lesen entsprechender Optotypen zeigen myope Menschen eine Zunahme der Kontrastadaptation [95]. Bereits in früher Jugend ist die Lebensqualität aber geringfügig gegenüber Emmetropen vermindert [130]. Sorgen und Ängste der Menschen mit hoher Kurzsichtigkeit beziehen sich vielleicht etwas häufiger auf das Sehen und müssen ernst genommen werden [170].

Für Deutschland wurde eine Inzidenz der Myopie-bedingten Erblindung von 0,7–0,8 auf 100.000 Einwohner geschätzt [41, 76]. Finger et al. [34] fanden in einer kleinen Stichprobe aus Nordrhein eine höhere Rate insbesondere für Frauen (95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,51–0,79) gegenüber Männern (95 %-KI: 0,16–0,34). Trotz aller Fortschritte in Verständnis und Behandlung der begleitenden Pathologien, myope choroidale Neovaskularisation (CNV) und Traktionen, gibt es bei einer signifikanten Subgruppe kaum Möglichkeiten, die Atrophie von Netzhaut und Sehnerv aufzuhalten. Somit macht die hohe Myopie mit 7–9 % eine häufige Ursache von Blindheit und Sehbehinderung in Westeuropa aus [16, 75].

Während die sekundären Folgekosten der hohen Kurzsichtigkeit und daraus resultierenden Erblindung nur schwer zu bestimmen sind, stellen schon allein die unmittelbaren Aufwendungen für die optischen Korrekturen eine nicht unerhebliche Belastung für die Betroffenen dar (Ø Singapur: 128 $/Jahr) [91].

Dynamik und Progression

Die hohe Kurzsichtigkeit stellt zudem keine statische Situation dar, sondern ist sehr häufig von einer Dynamik und weiteren Progression geprägt [138]. Alter ist somit einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Ausprägung der Veränderungen [17, 151]. Im Rahmen einer mindestens 5‑jährigen Nachverfolgung wurde bei 40 % der Augen mit hoher Myopie eine Progression der Makulopathie gefunden [47]. In der Blue Mountain Eye Study wurden innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren in 8,7 % neue Lacksprünge und in 15,2 % ausgedehnte oder neue Atrophieareale gefunden [153]. Die Faktoren „mechanischer Stress“ und „Dehnung“, eine begleitende Degeneration und eine reduzierte Durchblutung sind Phänomene, die zu den Veränderungen des kurzsichtigen Auges beitragen.

Alter ist einer der wichtigsten Risikofaktoren

Qualitativ hochwertige Studien mit ausreichendem Langzeitverlauf sind leider Mangelware. Die Bedeutung der Zeitachse wird exemplarisch an der VIP-Studie deutlich, die nach wie vor Grundlage der Verteporfin-Zulassung zur photodynamischen Therapie (PDT) einer myopen CNV ist: Bereits nach 2 Jahren zeigte sich kein signifikanter Nutzen der PDT gegenüber Placebo in Bezug auf das primäre Zielkriterium (Verlust von weniger als 8 Buchstaben) mehr, weil die begleitende und/oder therapiebedingte Atrophie – insbesondere bei älteren Patienten – stark zugenommen hatte [10].

Standardisierte Bewertungen der myopen Fundusveränderungen mit etablierten Klassifikationen werden leider noch zu selten eingesetzt (Tab. 1).

Tab. 1 Klassifikation der wichtigen Makulopathieveränderungen (basierend auf der META-PM-Studie) [116]

Definition

Ursprünglich wurde der Begriff der „pathologischen Myopie“ in Situationen angewandt, in denen die typischen Veränderungen der Sklera, Aderhaut oder des Pigmentepithels gesehen wurden [150]. Dies hat zu einer unsauberen Abgrenzung beigetragen, weil Refraktionsfehler und/oder Achsenlänge nicht immer zwangsläufig mit allen degenerativen Veränderungen zusammenhängen. Staphylome und Atrophie finden sich zuweilen auch bei geringer Myopie [157].

Mittlerweile hat sich etabliert, dann von einer hohen oder pathologischen Myopie zu sprechen, wenn die Achslänge über 26,5 mm beträgt [167]. Obwohl man solche Grenzwerte („cut-off“) im klinischen Alltag nie überstrapazieren sollte, erleichtert eine einheitliche Nomenklatur die Verständigung. Eine Refraktion von über 6 dpt oder die Ausprägung von Staphylomen sollten nur als indirekte Hinweise auf eine hohe Myopie genutzt werden.

Augenlänge und Bulbusform

Die große Mehrheit der Untersuchungen fokussierte sich in der Bewertung der Kurzsichtigkeit auf die Augenlänge. Historisch dienten erst Ultraschall, später Kohärenztomographie der Bestimmung von optischer Achse und Bulbusausdehnung [26]. Die Zunahme der Größe kann sich theoretisch in unterschiedlichen Ausprägungen widerspiegeln: Im Rahmen einer äquatorialen Dehnung kann eine axiale Elongation parallel zur optischen Achse auftreten (peripher). Die pathologische Myopie zeigt eine hintere Elongation, v. a. auch mit Veränderungen der zentralen Netzhaut (zentral) [66]. Nicht zuletzt kann eine globale Vergrößerung zu einer größeren Ausdehnung des Glaskörperraums (peripher und zentral) führen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Form des Augapfels und Typen der Vergrößerung: Je nachdem, wie sich die größere Ausdehnung auf der Kurvatur verteilt, ergibt sich eine größere Abflachung (oblat) oder Aufsteilung (prolat) des Krümmungsradius

Für die retinale Lokalisation der Abbildungen sind jedoch die räumlichen Dimensionen von Bedeutung. Aufnahmen mittels hochauflösender Magnetresonanztomographie (MRT) haben gezeigt, dass Augen mit zunehmendem Refraktionsfehler in allen Raumdimensionen an Größe zunehmen [3, 101]. Allerdings ist die Vergrößerung in der Länge (0,35 mm/dpt, 95 %-KI: 0,28–0,40) ausgeprägter als in der Höhe (0,19 mm/dpt, 95 %-KI: 0,09–0,29) oder Breite (0,10 mm/dpt, 95 %-KI: 0,01–0,20). Mit höherer Myopie nimmt also die axiale Ausdehnung stärker als die vertikalen oder horizontalen Dimensionen zu (Zunahme ca. 3:2:1) [4]. Diese Elongation in sagittaler Richtung führt zu einer insgesamt veränderten Form des Bulbus [65]. Durch die Unterschiede weist ein myopes Auge eine geringere Abflachung auf. Meist sind die ellipsoiden Hauptebenen zudem gegenüber der vertikalen und horizontalen Hauptebene verkippt.

Sehr häufig weisen beide Augen bei einer hohen Myopie eine ähnliche Form auf [100]. Aussackungen des Augapfels finden sich meist entlang der zentralen Hauptachse in sagittaler Richtung; in mehr als der Hälfte der Augen wurden multiple Ausbuchtungen gefunden, dann auch assoziiert mit chorioretinaler Atrophie (Abb. 2; [100]).

Abb. 2
figure 2

Klassifikation der Bulbusform, basierend auf der 3‑D-Modellierung hochauflösender Magnetresonanztomographiebilder (Ansicht von unten). a Nasal verzogener Typ: Nasale und temporale Hälfte sind asymmetrisch; die nasale Kontur ragt stärker nach hinten. b Temporal verzogener Typ: Die temporale Hälfte ragt weiter nach hinten. c Zylindrischer Typ: Für die symmetrischen Hälften gilt, dass die Krümmung steiler als ein Kreisbogen ist. d „Fass-Typ“: Die nasale und temporale Hälfte entsprechen sich, die Krümmung ist aber flacher, als es einer Kreisform entspricht. (Aus [100]; mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Wenn sich Gesichtsfelddefekte nicht unmittelbar durch Fundusveränderungen erklären lassen, sind häufiger Kurvatur und Form der temporalen Netzhaut verändert [100]. Die Zunahme der Kurvatur beginnt meist bereits ab einer Exzentrizität von 5 ° [26, 40]. Es resultieren unmittelbare Konsequenzen für die periphere Refraktion [70]. Bereits bei einer geringen Kurzsichtigkeit werden häufiger Irregularitäten beobachtet [149].

Neben der hochauflösenden MRT hat in den letzten Jahren die optische Kohärenztomographie (OCT) ganz wesentlich zum Verständnis der hochgradigen Myopie und begleitender Veränderungen beigetragen (Abb. 3; [141]). In der Auswertung und Dokumentation fand sich eine hohe Übereinstimmung in Bezug auf Typ und Ausdehnung mit der Weitwinkelfotografie. Die Autofluoreszenz kann zusätzliche Informationen liefern. Die Variabilität der Staphylome ist größer als früher angenommen: Mit 79 % dominiert der große, makuläre Typ, während die peripapillären Staphylome nur einen kleinen Anteil ausmachen (3 %, Abb. 4). Insgesamt weist mindestens die Hälfte der Augen mit hoher Kurzsichtigkeit Staphylome auf [110].

Abb. 3
figure 3

Beispiel für ein typisches OCT (optische Kohärenztomographie)-Bild mit Dehnungsveränderungen und dünner Aderhaut

Abb. 4
figure 4

Klassifikation und Benennung der Staphylome wegen ihrer Lokalisation nach [110]

Verdünnung der Gewebsschichten

Die mittlere Skleradicke myoper Augen liegt zwar insgesamt unter den Messungen bei Emmetropen [58]. Am ausgeprägtesten sind die Unterschiede jedoch in dem Bereich posterior des Äquators. Bei normaler Augenlänge findet sich in dieser Zone eine deutliche Zunahme der Dicke (0,6 mm auf 0,9 mm) gegenüber Ora serrata oder Äquator (~0,4 mm) [155]. Die Dickenunterschiede korrelieren im Einzelfall auch nicht mit der Hornhautdicke [106], während eine hohe Übereinstimmung von Verdünnung des hinteren Pols und des peripapillären Übergangs die Regel sind. Die äußere Begrenzung der myopen Sklera lässt sich zuverlässig mittels OCT („swept source“) bestimmen. Unabhängig von der Skleradicke hängt die Häufigkeit chorioretinaler Läsionen eher von der Irregularität der Sklerakurvatur ab, die mit Achslänge und Alter zunimmt [114].

Interessanterweise unterscheidet sich die Morphometrie bei primärer Myopie nur unwesentlich von Augen mit sekundärer Myopie (z. B. aufgrund eines kongenitalen Glaukoms) [142]: Patienten mit sekundärer Myopie wiesen lediglich im Bereich anterior des Äquators (Pars plana) eine noch etwas dünnere Sklera auf. Weil sich aber ansonsten Dicke und Volumen der Wandschichten entsprachen, spielt vermutlich bei primärer und sekundärer Myopie eher die veränderte Anordnung als aktive Proliferationsmechanismen eine Rolle. Allerdings ist eine verdünnte Bruch-Membran ein Merkmal der sekundären Kurzsichtigkeit [64]. Da ansonsten mit zunehmender Bulbusgröße keine groben Auffälligkeiten der Membran beobachtet werden [58], stellen Defekte und Risse der Bruch-Membran möglicherweise auch nur Folgeveränderungen anderer Pathologien dar. Histologisch lassen sich Gebiete mit Verlust der Bruch-Membran und den benachbarten Gewebslagen (Photorezeptoren, Pigmentepithel, Choriokapillaris) von Atrophiearealen unterscheiden, in denen die Membran noch erhalten ist [62]. Areale mit „patchy atrophy“ sind nahezu immer durch Defekte der Bruch-Membran gekennzeichnet [115]; die innere Netzhaut liegt hier angesichts einer Atrophie des Pigmentepithels und der Aderhaut der verdünnten Sklera an.

Eine verdünnte Bruch-Membran ist ein Merkmal der sekundären Kurzsichtigkeit

In den letzten Jahren ist die Aderhautdicke in den Fokus des Interesses gerückt. Es wundert nicht, dass diese entsprechend verdünnt ist. Die hohe Myopie sticht allerdings durch das Ausmaß der Verdünnung hervor: Teilweise ist die Aderhaut um einen Faktor von bis zu 10x so dünn wie bei emmetropen Augen gleichaltriger Menschen (250 µm) [158, 159]. Die Netzhautdicke ist v. a. im Bereich des Äquators und davor verdünnt, während der zentrale Bereich eine geringere Abhängigkeit von der Achslänge zeigt [68]. Die Dicke der Aderhaut stellt einen Risikofaktor für die Entstehung einer myopen CNV dar.

Angesichts der dünnen Sklera ist es wenig verwunderlich, dass zuweilen auch lokale Ektasien im Bereich von perforierenden Gefäßen beobachtet werden [125]. Ein anderes Phänomen, das ungefähr einer von 8 Patienten mit Staphylom zeigt, sind hypo- oder hyperpigmentierte Linien, die radiär zum Rand des Staphyloms in die Peripherie ziehen [53].

Periphere Netzhaut und Netzhautablösung

Periphere Netzhautdegenerationen finden sich häufiger bei hoher Kurzsichtigkeit [87, 102, 127, 148]. Der Anteil mit gittriger Degeneration steigt mit der Achslänge (bis über 30 mm) auf bis zu 15 % der untersuchten Augen [72]. Cambiaggi [13] fand Palisaden bei 1 von 5 myopen Augen und deutlich häufiger über −8 dpt. Das Verständnis um die Dynamik und Relevanz der peripheren Degenerationen dürfte sich durch die moderne Bildgebung verbessern [24]. Die frühere Verflüssigung des Glaskörpers trägt vermutlich zu den beobachteten Komplikationen bei [43].

Ohne prospektive Studien lässt sich das Risiko einer Netzhautablösung in Abhängigkeit der degenerativen Veränderungen nicht sicher quantifizieren. Bereits 1979 machte Byer [12] deshalb darauf aufmerksam, dass es (noch) keine Evidenz für eine prophylaktische Laserkoagulation peripherer Degenerationen gibt. Auch heute lässt sich angesichts der mageren Studienlage zur asymptomatischen Netzhautdegeneration kein Handlungsbedarf ableiten [160]. Für einen theoretisch möglichen, kleinen Nutzen wäre die erforderliche „number needed to treat“ (NNT) sehr hoch. Das Wissen um Warnsymptome erscheint wichtiger als eine häufige Verlaufskontrolle [8]. Die Behandlung symptomatischer Hufeisenforamina dagegen kann die Rate nachfolgender Netzhautablösungen von 50 % auf 5 % senken [128]. Für schwangere Frauen mit hoher Kurzsichtigkeit gibt es weder theoretische Risikomechanismen noch klinische Hinweise, dass Wehen oder natürliche Geburt Probleme für myope Augen verursachen könnten.

Eine wichtige Fragestellung im klinischen Alltag ist es, welche Konsequenzen ein refraktiver oder linsenchirurgischer Eingriff bei hoher Myopie haben kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einige Operateure das Risiko zu optimistisch bewerten, weil die Verlaufszeiträume vieler Studien zu kurz und die beobachteten Stichproben zu klein sind. Retrospektives Design und der nachträgliche Versuch einer Bewertung des Kausalzusammenhangs dürften einen nicht unbeträchtlichen Bias bewirken [107]. Dabei erhöht bereits allein die Myopie die jährliche Inzidenz (10 auf 100.000), eine Netzhautablösung zu erleiden [97]. Die Wahrscheinlichkeit scheint sich mit wachsender Achslänge zu erhöhen [109]. Gegenüber nichtmyopen Augen wurde mit einer Refraktion zwischen −1 dpt und −3 dpt eine Vervierfachung des Risikos, zwischen −3 dpt und 6 dpt eine Erhöhung um den Faktor 10 beobachtet [2].

Das kumulative Risiko einer Netzhautablösung nach einer Kataraktoperation wird vorerst am zuverlässigsten durch die Auswertung von Registerdaten beschrieben [25, 28]. Basierend auf einem Datensatz von 2,6 Mio. Augen, haben französische Autoren die hohe Myopie als wichtigsten Risikofaktor der Pseudophakieablatio identifiziert [28]. Nach Adjustierung für die anderen Risiken unterschied sich das Risiko deutlich in Abhängigkeit des Alters: Die Hazard Ratio mit hoher Myopie war am höchsten (25,02, 95 %-KI: 24,76–25,18) für die jüngste Gruppe der 40- bis 54-Jährigen, betrug aber immerhin noch 17,05 (95 %-KI: 16,85–17,25) im Alter zwischen 65 und 74 Jahren gegenüber der Gruppe über 75 Jahre [28]. Eine Netzhautablösung ohne Myopie trat mit einer kumulativen Häufigkeit von 0,19 % (über 4 Jahre) auf, nach einer Kataraktoperation nahezu 4‑mal häufiger mit 0,99 %.

Das Risiko einer Netzhautablösung nach Linsenchirurgie ist bei hoher Myopie v. a. für jüngere Menschen erhöht

Die Risikoerhöhung durch die Kataraktoperation stellt sich ebenfalls im paarweisen Vergleich zum nicht operierten Partnerauge dar [136]. In einer prospektiven Erfassung kam es sogar erst 6 bis 10 Jahre nach dem Eingriff zu einem weiteren Anstieg der Ereignisse (Abb. 5; [143]). Leider erhöht die Kombination aus Linsenchirurgie und hoher Myopie insbesondere das Ablösungsrisiko für junge Menschen [21, 55]. Deshalb sollte dieser Aspekt durch das präoperative Aufklärungsgespräch abgedeckt und dokumentiert werden [2].

Abb. 5
figure 5

Kumulatives Risiko einer Netzhautablösung über die Zeit in Abhängigkeit der Achsenlänge: Bei einer Achslänge über 26 mm ist das Risiko einer späten Ablösung (> 4 Jahre) signifikant erhöht (n = 9388). ([143]; mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Zentrale Netzhaut und myope choroidale Neovaskularisation

Historische Berichte beschreiben den natürlichen Verlauf der myopen CNV, der eine extrem schlechte Prognose aufweist [111]: Ohne Behandlung verfügt die große Mehrheit innerhalb von 10 Jahren nur noch über einen Visus ≤ 0,1 (EDTRS 20/200).

Die CNV aufgrund der hohen Myopie unterscheidet sich von der neovaskulären Makuladegeneration [52]. Die meist klassischen Membranen sind nur von geringer Exsudation begleitet, die daher insbesondere in Nachbarschaft zu begleitender Pigmentepithelatrophie oder am Rand eines Staphyloms schwer abzugrenzen ist. Abhebungen des Pigmentepithels fehlen oder sind nur sehr umschrieben. Blutungen im Rahmen von neuen Lacksprüngen müssen von den Randblutungen einer CNV unterschieden werden. Die OCT-Untersuchung zeigt eine flauschige Verdickung (Unschärfe = „fuzzy area“ am Rand und hyperreflektives Zentrum) im Bereich der äußeren Netzhaut [11, 35]. Hilfreich ist bei den diagnostisch anspruchsvollen Augen auch die OCT-Angiographie, die nicht selten den Verdacht auf die Membran (Typ 2) bestätigen kann [131]. Wenig überraschend ist der aktive Anteil des Gefäßnetzes meist recht klein (0,5 mm2) [98].

Eine CNV wurde in retrospektiven Erhebungen bei ca. 5 % hochmyoper Augen gefunden [27]. In einer prospektiven Erfassung über 10 Jahre entwickelten 10 % eine neue myope CNV (mCNV) [112]. Das Risiko war für Patienten mit einem bereits betroffenen Partnerauge sowie Auftreten von Lacksprüngen und „patchy atrophy“ erhöht. Aktuellere Daten einer Stichprobe (IRIS-Register, NHANES-Befragung) unterliegen vermutlich einem geringeren Selektionsbias [161]: Hier wurde unter 376.057 Menschen mit hoher Myopie ein CNV-Anteil von 2,5 % gefunden; bei degenerativen Makulaveränderungen betrug die Rate sogar 4,8 %. Aktuell läuft noch eine deutsche Studie zur spontanen Häufigkeit der Entwicklung einer myopen CNV in Abhängigkeit morphologischer Risikofaktoren, nachdem eine fragebogenbasierte Erfassung Hinweise auf eine heterogene Häufigkeit in deutschen Arztpraxen gezeigt hatte [140].

Bezüglich der Therapie sei auf entsprechende Übersichtsarbeiten verwiesen [103, 154]. Im Gegensatz zur Behandlung der neovaskulären Makuladegeneration empfehlen die wissenschaftlichen Fachgesellschaften keine Behandlungsserien zu Beginn der Anti-VEGF („vascular endothelial growth factor“)-Therapie [122].

Mit Aflibercept wurden im Rahmen der Zulassungsstudie (MYRROR) asiatische Patienten behandelt [51]. Einzelne Fallserien zeigen jedoch ähnliche Behandlungsraten (Median: 2 im ersten Jahr) unter PRN (pro re nata) [123], wie sie unter dem Protokoll der RADIANCE-Studie für Ranibizumab beschrieben wurden [162]. Immerhin gibt es auch eine randomisierte Studie, die die Wirksamkeit von Bevacizumab und Ranibizumab verglichen hat [124]. Trotz geringfügiger Unterschiede in der Vorbehandlung (PDT häufiger in der Bevacizumab-Gruppe 55 % zu 39,5 %) gab es keine Hinweise auf deutliche Unterschiede in der Wirksamkeit.

Visusprognose und Notwendigkeit zur Wiederbehandlung hängen nicht unwesentlich von der genauen Lokalisation (sub-, juxta-, extrafoveal) und Größe der CNV ab. Eventuell profitiert eine Subgruppe der mCNV-Patienten somit von einer kombinierten Behandlung mit Anti-VEGF und PDT [137].

Makulaforamen und Foveoschisis

Neben der myopen CNV bedrohen die Erkrankungen des vitreoretinalen Interface die zentrale Funktion und foveale Architektur [90]. Mit der besseren Auflösung der OCT hat sich das Verständnis um traktionsbedingte Veränderungen der zentralen Netzhaut deutlich verbessert [120]. Dennoch ist nicht vollständig geklärt, inwieweit die vermutete horizontale Spannung der Glaskörpergrenzmembran, epiretinale Strukturen oder die Rigidität der inneren Grenzmembran (ILM) im Einzelnen zu den Erkrankungen beitragen.

Die foveoläre Retinoschisis oder myope Foveoschisis stellt sich durch die typischen Kavernen dar, die sich in verschiedenen Schichten (äußere plexiforme Schicht, innere plexiforme Schicht, Nervenfasern) ausdehnen können [134]. Es handelt sich somit um keine typische „Schisis“ als ein traktionsbedingtes Aufspannen der Netzhaut. Die Häufigkeit nimmt mit hoher Achslänge oder Staphylomen etwas zu (10–30 %). Auch wenn es eine begleitende foveale Abhebung oder lamelläre Defekte geben kann, ist der Spontanverlauf nicht selten relativ stabil. Deshalb empfehlen sich ein engmaschiges Monitoring mittels OCT und ein Eingreifen bei subjektiver Störung oder deutlicher Progressionstendenz. Die Prognose hängt von der Dauer und den individuellen Voraussetzungen ab (schlechter bei Achslänge über 30 mm und Staphylomen) [1]. Nach einer Operation kann sich durch zentrale Defekte ein durchgreifendes Loch ausbilden [37].

Die Mechanismen eines Makulaforamens dürften sich nicht deutlich von den idiopathischen Foramina unterscheiden. Ein Foramen ohne begleitende Foveoschisis wird v. a. bei flachen Staphylomen beobachtet. Ein Teil der durchgreifenden Löcher manifestiert sich mit einer sekundären zentralen Ablatio [96].

Durch eine operative Versorgung, in der Regel Vitrektomie mit ILM-Peeling, kann neben der anatomischen Verbesserung oft eine gewisse funktionelle Verbesserung erreicht werden [1]. Seltener wurden bisher zentrale Buckel platziert. Intraoperativ ließ sich in über der Hälfte der Augen kein epiretinales Gewebe anfärben oder entfernen. Die Verschlussrate wird in der Literatur dennoch mit 80–90 % beschrieben [82, 135, 165].

Die „dome-shaped“ Makula ist eine Diagnose, für die erst nach dem häufigeren Einsatz der OCT klar geworden ist, dass bis zu 20 % der hochmyopen Augen die konvexe Vorwölbung am hinteren Pol zeigen (Abb. 6; [39]). Wenn man darauf achtet, sieht man aber bereits in der Funduskopie eine kleine Pigmentlinie im Bereich des papillomakulären Bündels. Es gibt Hinweise, dass Foveoschisis oder seröse Abhebung etwas häufiger sein kann [89]. Andere Autoren haben beobachtet, dass es entsprechend häufiger zu einer zentralen Atrophie im Langzeitverlauf kommen soll [147].

Abb. 6
figure 6

Im Rahmen einer „dome-shaped“ Makulakonfiguration kommt es zu einer deutlichen Vorwölbung im Bereich der zentralen Netzhaut, nicht selten mit subretinaler Flüssigkeit

Sehnerv und Glaukom

Sehnerv und benachbarte Strukturen sind bei der hohen Myopie sehr häufig verändert [43]. Nicht selten erschweren verschiedene Komponenten die gewohnte Beurteilung der Papille: die Größe (Makropapille), eine häufige parapapilläre Atrophie (Konus), eine irreguläre Form oder Verkippung mit flacher Exkavation sowie ein geringerer Farbkontrast zwischen Randsaum und Exkavation [18, 57]. Während eine primäre Makropapille meist noch eine kreisförmige Form hat und nur mit einer Vergrößerung des Bulbus in horizontaler und vertikaler Richtung assoziiert ist, sind sekundäre Makropapillen bei hoher Myopie nicht selten elliptisch oder oval verzogen [145]. Dieser Eindruck kann dadurch verstärkt werden, dass der Untersucher durch die axiale Elongation einen schrägeren Beobachtungswinkel im Rahmen der Funduskopie auf den Sehnerv hat.

Ohne Frage ist die Beurteilung des Sehnerven und erhaltenen Nervenfasersaums (RNFL) schwieriger [119]. Wenn die RNFL-Dicke bereits relativ dünn ist, können auch Änderungen nicht mit derselben Sensitivität und Reproduzierbarkeit erkannt werden. Quantitative Messmethoden rücken in den Vordergrund [146], nachdem auch für hochmyope Augen Normdatenbanken zur Verfügung stehen [9]. Ohne das Wissen der stärkeren Konvergenz infero- und superotemporaler Bündel könnten Vergleiche mit Referenzkarten normaler Augen zur falsch positiven Anzeige evtl. Bündeldefekte führen [86]. Im OCT lassen sich außerdem Defekte und Diskontinuitäten der Lamina cribrosa darstellen, die ein manifestes Glaukom wahrscheinlicher machen [45].

Im Vordergrund der theoretischen Überlegungen stehen die vermuteten mechanischen Kräfte, die zum axonalen Schaden der Ganglienzellen beitragen [31]. Die nichtelastischen Fasern der peripapillären Sklera übertragen Scherkräfte bis zur Lamina cribrosa [108, 172]. Neue Arbeiten lassen vermuten, dass es sogar im Rahmen normaler Ad- und Abduktionsbewegungen zu einer deutlichen Verformung der großen Augen und entsprechenden Kraftübertragung kommt [29]. Während für die geringe Myopie die Verkippung keinen Einfluss auf die Progression zu haben schien [83], sind die strukturellen Unterschiede für die hohe Kurzsichtigkeit nicht unerheblich.

Mit zunehmender Achslänge ist der Skleralring verdünnt und verlängert (Abb. 7; [61]). Durch die Verdünnung und Elongation der parapillären Region ist der Liquorraum retrobulbär erweitert. In Augen mit einem großen Konus lässt sich der Subarachnoidalraum nicht selten mittels OCT (enhanced-depth imaging oder „swept-source“) darstellen [113, 121].

Abb. 7
figure 7

Histologie eines Sehnerven eines hochmyopen Auges (gefärbt mit PAS-Färbung), A Grenze des Sehnerven, B Verbindungspunkt zwischen Sklera und Dura mater, C Skleralring (Dicke), D Beginn der Bruch-Membran, AB Länge des Skleralring, AD Abstand zwischen Rand des Sehnerven und Bruch-Membran, dicker Pfeil: Dura mater als Grenze zum retrobulbären Liquorraum, gepunktete Linie: Pia mater als Begrenzung. (Aus [61]; mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Somit könnte sich einer erhöhte Empfindlichkeit der temporalen Netzhaut erklären, die am Papillenrand meist nur noch aus einer dünnen Schicht von Nervenfasern besteht [14]. Die Fläche um den Sehnerven ohne Bruch-Membran wird als Gamma-Zone definiert. Eine rezente Arbeit hat die Fläche dieser Gamma-Zone in Abhängigkeit der Achslänge und anderer Parameter (Verkippung und Länge der papillofovealen Verbindungslinie, vertikale Rotation, vertikaler Papillendurchmesser) evaluiert [67]: Unter 2068 Probanden fand sich ein enger Zusammenhang zwischen der Breite der Gamma-Zone und Achslänge, Aderhautverdünnung und Verkippung des Sehnerven um die vertikale Achse. Die Fasern des papillomakulären Bündels waren gedehnt und nicht von der Bruch-Membran unterstützt, weil diese – unabhängig von der Achslänge – eine stabile Ausdehnung zeigte. Das Augenmerk ist auf den translaminaren Druck gerichtet, der als Differenz von Augendruck und Hirndruck zur Wirkung kommt [63]. Die Lamina cribrosa ist mit größerer Papillenfläche entsprechend verdünnt [60, 133], was auf eine erhöhte Suszeptibilität hindeuten könnte. Zusätzlich ist der Abstand zum Zinn-Haller-Gefäßring vergrößert, der sich gut mittels OCT-Angiographie darstellen lässt [54].

Trotz der frühen Beschreibungen eines möglichen Zusammenhangs muss die große Achslänge als Risikofaktor des Offenwinkelglaukoms durchaus differenziert diskutiert werden [20, 50, 164]. Es gibt zwar zahlreiche Arbeiten wie die von Nagaoka et al. [104], die eine Risikoerhöhung (um den Faktor 3,2x) für die Situation beschreibt, dass die hohe Myopie mit einer entsprechenden Makropapille einhergeht. Man muss aber das Problem berücksichtigen, dass viele Papillen auch irrtümlich als Glaukomschaden missinterpretiert worden sein könnten oder die Gerätediagnostik nur bedingt verwertbar war [78]. Außerdem muss vor Confounder-Effekten (untersucherinduzierte Selektion) gewarnt werden, die zu einer Überschätzung des Zusammenhangs beitragen könnten. Zumindest im Bereich der niedrigen Myopie scheinen die Refraktionswerte keinen Einfluss auf das Glaukomrisiko zu haben [59]. Ebenso wurde keine Assoziation mit genetischen Glaukommarkern gefunden [74, 92].

Einige populationsbasierte Studien haben aber den Zusammenhang von hoher Myopie und Glaukom bestätigt (Blue Montain Eye study [139], Beijing Eye study [166], Barbados Eye study [85], Los Angeles Latino Eye study [79], Singapore Malay Eye study [126]), zumindest einige davon auch mit Messung der Achslänge [126]. Obwohl diese Querschnittsstudien eine größere Unsicherheit aufgrund möglicherweise fehlerhafter Glaukomdiagnosen haben, kam eine kritische Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass vieles für eine häufigere Erkrankung hochmyoper Augen spricht [93]. Demnach ist die Odds Ratio für Individuen mit hoher Kurzsichtigkeit 2,46 (95 %-KI: 1,93–3,15), für geringe Kurzsichtigkeit beträgt sie 1,65 (95 %-KI: 1,26–2,17), ein Glaukom zu entwickeln. Eine andere Kohortenstudie fand ein entsprechend erhöhtes Risiko für einen Gesichtsfeldausfall [129].

An ein erhöhtes Glaukomrisiko muss selbst mit niedrigeren Druckwerten gedacht werden

Die erhöhte Inzidenz könnte sich auch dadurch erklären, dass sich ein Glaukom entsprechend im jüngeren Alter bei Hochmyopen manifestiert [15, 144]. Es gibt Hinweise darauf, aber letztlich kann noch nicht sicher bestätigt werden, dass die glaukomatösen Schäden mit relativ niedrigen Druckwerten entstanden sind [30, 42, 163]. Die Vermutung einer schnelleren Glaukomprogression findet sich in vielen Arbeiten, angesichts der Zahlen zur Retinopathie muss aber auch befürchtet werden, dass verschiedene Schädigungsmechanismen zusammenkommen [22, 23].

So ist die Beurteilung der Befunde insgesamt erschwert: Die applanatorische Druckmessung könnte bei hochmyopen Augen mit dünner Sklera ungenauer sein [18]. Die korneale Biomechanik ist verändert [106]. Die kinetische Perimetrie kann – zumindest besser als die statische Perimetrie – den Einfluss von Abbildungsfehlern und Refraktionsskotome kontrollieren. Es muss berücksichtigt werden, dass bereits eine verkippte Papille einen entsprechenden Ausfall erklären kann [48].

Der Vollständigkeit halber sei nur erwähnt, dass es seltener auch Engwinkelglaukome bei hochmyopen Augen geben kann (z. B. medikamentös induzierter Winkelblock). Außerdem erhöht die hohe Myopie die Rate möglicher Komplikationen der Glaukomchirurgie.

Katarakt und Glaskörper: frühere Alterung

Durch die degenerativen Veränderungen ist die hohe Myopie mit einer früheren Linsentrübung assoziiert. Kerntrübung (Odds Ratio: 3,0) und hintere Schalentrübung (Odds Ratio: 7,8) wurden häufiger beobachtet und führen zu einer früheren Operation [71].

Während der Kataraktoperation stellt das kurzsichtige Auge den Operateur zuweilen vor größere Herausforderungen: Die Vorderkammer ist tief, der größere Kapselsack etwas mobiler, und die Zonulafasern sind manchmal etwas instabiler [32, 33].

Bei Staphylomen müssen mögliche Fehlerquellen für die Biometrie beachtet werden, obwohl die optische Längenmessung eine höhere Genauigkeit und Berücksichtigung der Fixation erlaubt [118]. Dennoch kommt es etwas häufiger zu refraktiven Überraschungen [80]. Die üblichen Linsenformeln würden häufig zu einer Hyperopisierung führen [6, 156]. Deshalb müssen für den verwendeten Linsentyp und den Einzelfall zugeschnittene Formeln verwendet werden. Außerdem muss daran gedacht werden, dass nicht selten eine frühere Refraktionschirurgie eine aufwendigere Planung erforderlich machen kann [94].

Kurzsichtigkeit und Schielen

Mit höherer Kurzsichtigkeit ist auch das häufigere Auftreten einer Amblyopie verbunden [7]. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Rate höherer Anisometropien auf weit über 10 % in der Gruppe mit hohen Ametropien anwächst [56]. Es gibt noch keine überzeugende Theorie, die alle Phänomene der myopischen Anisometropie erklärt [152]. Zumindest nehmen auch die Unterschiede der Aberrationen höherer Ordnung zwischen den beiden Augen mit wachsender Differenz des sphärischen Äquivalents zu [46].

Ein erhöhtes Risiko (3 %) ist für das Auftreten eines Schielens mit hoher Kurzsichtigkeit beobachtet worden [105]. Typischerweise sind, bedingt durch den Entstehungsmechanismus, Menschen im mittleren bis hohen Erwachsenenalter betroffen.

Die sog. Führungsschlaufen (engl. „pulleys“) definieren im Bereich des Äquators den Verlauf und die Zugrichtung der geraden Augenmuskeln am Bulbus. Die bindegewebigen Leitschienen werden durch eine intermuskuläre Membran in Position gehalten. Wenn diese Ansätze aufgrund eines langen Auges überdehnt und/oder instabil werden, verändert sich die Ausrichtung der Zugvektoren der Augenmuskeln: Die Zugrichtung folgt einem Kreis und entspricht der kürzesten Strecke auf einer Kugeloberfläche. In Folge ist der Bulbus nicht mehr von einem symmetrischen Muskelkonus umgeben; meistens weichen der M. rectus lateralis und der M. rectus superior auseinander [77], sodass das Auge in einer auffälligen Einwärts- und Abwärtsschielstellung steht. Seltener sind auch Fälle von Exotropie beschrieben worden [132]. Dieser Strabismus kann sich vergleichsweise rasch einstellen und ist durch sehr große Schielwinkel sowie eine deutlich reduzierte Motilität gekennzeichnet. In der Literatur wird dieses klinische Bild auch als Strabismus fixus oder „heavy eye syndrome“ bezeichnet.

Mittels MRT kann der pathologische Verlauf der Muskeln gut dargestellt werden, am besten in koronaren Schnittbildern [132]. Für die Diagnosestellung und Operationsplanung ist ein MRT jedoch nicht unbedingt erforderlich. In einer Fallserie von Nakao und Kimura [105] betrug das mittlere Alter der Patienten 66 Jahre, die mittlere Bulbuslänge 29 mm und der Winkel zwischen den auseinandergewichenen Muskeln im koronaren MRT anstatt der physiologischen 90°sogar 132°. Ein ähnliches Krankheitsbild kann in geringerer Ausprägung auch bei nichtmyopen, älteren Patienten durch Involution und Dehnung orbitaler Strukturen auftreten und wird dann als „sagging eye syndrome“ bezeichnet [19].

In der chirurgischen Therapie dieses Strabismus haben sich konventionelle verstärkende oder schwächende Eingriffe an den geraden Augenmuskeln nicht bewährt. Häufig war die Wirkung unbefriedigend, die Dosierung unpräzise oder die Skleranaht aufgrund der Skleraausdünnung schwierig [49]. Heutiger Standard ist eine Operationstechnik, durch die das Auge wieder in seinen Muskelkonus zurückgedrängt wird, indem durch eine Schlingennaht die Bäuche des M. rectus lateralis und M. rectus superior zusammengerafft werden [77, 168]. Inzwischen wird die Apposition der Muskelbäuche nicht mehr durch eine Skleranaht verstärkt. In einer Fallserie von Yamaguchi et al. [169] konnte bei 14 Augen durch eine die Muskelbäuche verbindende Naht ein mittlerer horizontaler Ausgangswinkel von 59° ± 36° erfolgreich auf 1° ± 9° (Mittelwert ± SD) reduziert und die Motilität signifikant verbessert werden.

Zentrale Verarbeitung und systemische Begleiterkrankungen

Angesichts der Tatsache, dass wichtige Sehmodalitäten wie Kontrast und Stereosehen selbst mit optimaler Korrektur häufig durch eine hohe Kurzsichtigkeit verändert sind, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die sensorische Informationsqualitäten für die Verarbeitung im Zentralnervensystem haben. Nachdem Hinweise auf Veränderungen der weißen Substanz nicht nur im visuellen Kortex, sondern auch in parietalen und frontalen Arealen gesehen wurden [88], hat eine aktuelle Arbeit die Konnektivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersucht [171]. In der funktionellen Dichtekarte fand sich ein Zusammenhang zwischen Bahnen im rostrolateralen präfrontalen Kortex und dem unkorrigierten Visus hochmyoper Probanden. Es wurde vermutet, dass die reduzierte Konnektivität im ventralen Aufmerksamkeitszentrum und in frontoparietalen Kontrollarealen mit den beobachteten Einbußen der visuellen Wahrnehmung und räumlicher Orientierung zusammenhängen könnte [5].

Im klinischen Alltag müssen Augenärzte auch daran denken, dass eine hohe Myopie evtl. Teil eines Syndroms oder einer systemischen Begleiterkrankung sein könnte. Es sei daran erinnert, dass Patienten nicht immer von sich aus Erkrankungen des Bindegewebes (Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom) oder Geburtsauffälligkeiten (Frühgeburt) ansprechen oder sich mit Erbkrankheiten auskennen (Trisomie 21, Noonan-Syndrom, Stickler-Syndrom, Pierre-Robin-Syndrom) [44].

Fazit für die Praxis

  • Weil sich Augen mit Achslänge über 26,5 mm deutlich von emmetropen Augen unterscheiden, ist das Risiko für Sekundärerkrankungen erheblich erhöht. Dynamische Veränderungen der Netzhaut und Augenwand führen mit dem Alter zu einer Zunahme der Irregularitäten und Funktionsbeeinträchtigungen.

  • Das Risiko für eine Netzhautablösung ist bei hochmyopen Augen, insbesondere auch nach einer Linsenoperation, deutlich erhöht. Veränderungen im Bereich der Makula wie myope CNV, Foveoschisis, Staphylome oder Interface-Erkrankungen stellen Untersucher vor besondere Herausforderungen. Die hohe Genauigkeit der bildgebenden Methoden kann jedoch einen Teil der Unsicherheit ausgleichen, die z. B. mit dem Verdacht einer glaukomatösen Schädigung verbunden sind.

  • Angesichts der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit hoher Myopie wegen einer Sekundärerkrankung augenärztliche Behandlung benötigen, macht es Sinn, diese frühzeitig und gezielt über Risiken, sinnvolle Kontrollabstände und Warnsymptome zu informieren [38].