Lehre, anders als „Lernen“, geht als der Prozess der Wissensweitergabe primär nicht von einem Schüler, sondern von einer Person mit einem gereiften Erfahrungshorizont aus. Ihre curriculumstreue Umsetzung wird von Studenten, aber auch Weiterbildungsassistenten immer vehementer eingefordert. Recht so, denn Wissensvermittlung ist eine der genuinen Aufgaben insbesondere von Universitätsaugenkliniken, aber prinzipiell auch von jedem anderen weiterbildungsberechtigen Arzt.

Wissensvermittlung ist eine der genuinen Aufgaben von Universitätsaugenkliniken, aber auch von jedem weiterbildungsberechtigen Arzt

Der Wissenschaftsrat hat im vergangenen Jahr die Entwicklung von Modellstudiengängen in den medizinischen Fakultäten aktiv gefordert. Von diesen gibt es bereits 9 Spielvarianten in Deutschland. Ein Beispiel für eine motivierte und pragmatisch umgesetzte augenheilkundliche Studentenausbildung stellt der Beitrag von Käsmann-Kellner vor.

Aber nicht nur auf studentischer Ebene, sondern auch in der Weiterbildung zum Facharzt wäre ein Aufbruch sinnvoll. Gerade hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit in Deutschland teilweise diametral auseinander: Über 80 % aller Weiterbildungsassistenten wünschen sich beispielsweise eine operative Ausbildung, was jedoch nur etwa 20 % ermöglicht wird/werden kann. Wissenschaftliches Arbeiten hingegen mit dem Ziel der Habilitation, was wiederum ein Kerninteresse der Ausbildungskliniken ist, fasziniert jedoch nur etwa 20 % der Weiterbildungsassistenten. Dennoch wird die Ausbildungsqualität von Weiterbildungsassistenten in allen Bereichen, ob Universitätsklinikum oder nicht, von maximal 50 % als „gut“ bewertet (Hos et al.).

Der Lehr-/Lernprozess ist aber nicht auf Facharztkenntnisse beschränkt und endet deshalb ebenso wenig mit der Facharztanerkennung. Wer die „Wahrheit ergründen will“, sollte entweder zu wissenschaftlichem Arbeiten aktiv befähigt, also „belehrt“ werden oder zumindest in Zeiten großer, von Pharmafirmen geförderter Therapiestudien in der Lage sein, Wichtiges von Vernachlässigbarem und harte Fakten von Tendenziösem zu unterscheiden. Sonst könnten Studienpublikationen zu bloßen Werbetexten degradiert werden. Böhringer und Goss stellen Wege der Ausbildung für den klinischen Forscher und Spaniol et al. der grundlagenwissenschaftlichen Ausbildung dar.

Es wird zukünftig immer mehr in engagierten Curricula der zunehmenden Modellstudiengänge ausgebildete Jungärzte der „Generation Y“ geben, die in die Kliniken zur Weiterbildung kommen. Werden sie sich mit althergebrachten Ausbildungsformen der regelmäßigen Rotation zwischen Station und Ambulanz unterbrochen von Phasen des Selbststudiums zufriedengeben oder mit den „Füßen abstimmen“ und ihre Weiterbildung in anderen Systemen anstreben? Das Ausland macht uns vor, wie auch in kleinen Kliniken gute Ausbildungskonzepte umgesetzt werden können. Die Zeit dafür ist auch in Deutschland überreif! Neben dem Mut der entscheidenden Fachvertreter zu neuen Wegen sind dabei auch gesundheitspolitische Wege zur adäquaten Finanzierung der Ausbildungskliniken essenziell (Finis et al.).

Die an der Augenheilkunde interessierten jungen Ärzte sind die Zukunft unseres Faches. Sie bestmöglich auszubilden, und zwar nicht nur auf wenige Einzelschicksale begrenzt, ist unsere ehrenvolle Pflicht oder besser freudvolle Ambition.

Gerd Geerling

figure b

Berthold Seitz

figure c