Das Mediastinum ist ein kleines anatomisches Kompartiment, das aber in Nachbarschaft zu lebenswichtigen Organen Manifestationsort zahlreicher nichtneoplastischer Prozesse und eines enormen Spektrums primär mediastinaler Tumoren, von Tumorinfiltraten benachbarter Organe sowie von Metastasen ist, die aus Primärtumoren fast aller Körperregionen stammen können. Zu den spezifischen Tumoren dieser Region zählen nicht nur die Thymome. Vielmehr zeigen auch die primären Keimzelltumoren des Thymus und einige mediastinale Lymphome pathologische Spezifika von großer diagnostischer und klinischer Relevanz. Die Ätiologie der meisten Mediastinaltumoren ist, wie ihre molekulare Pathogenese, kaum verstanden. Daher erwarten wir mit Spannung die Ergebnisse des The-Cancer-Genome-Atlas(TCGA)-Projekts, dessen letzte molekular zu analysierende Tumorgruppe vor dem TCGA-Projektende die epithelialen Thymustumoren sind.

Die 4. Edition der World-Health-Organization(WHO)-Klassifikation der Mediastinaltumoren erschien Mitte 2015 [8]. Die WHO-Klassifikation stellt den globalen Standard für die Tumordiagnostik dar und ihre richtige Anwendung ist klinisch essenziell für Risikostratifizierung und therapeutisches Management. Da viele mediastinale Tumorentitäten seltene Neoplasien mit großer histologischer Variabilität sind, war die diagnostische Reproduzierbarkeit in der Vergangenheit suboptimal. Daher wurden in der 4. Edition die klinisch-pathologischen Charakteristika der Mediastinaltumoren erstmals interdisziplinär von Radiologen, Chirurgen, Pathologen, Genetikern und Onkologen definiert. Außerdem basieren die epidemiologischen und prognostischen Aussagen über epitheliale Thymustumoren erstmals nicht auf kleinen Serien und Metaanalysen, sondern auf der weltweit größten Datenbank – der International Thymic Malignancy Interest Group (ITMIG) mit über 6000 Fällen [1, 2, 9].

Um die differenzialdiagnostische Relevanz nichtneoplastischer Veränderungen zu betonen, beginnt der „Schwerpunkt Mediastinum“ mit einem Artikel von A. Tzankov über reaktive Veränderungen. Neben zystischen Prozessen werden zahlreiche Ätiologien der „sklerosierenden Mediastinitis“ beschrieben, darunter IgG4-assoziierte Formen. Sowohl Zysten als auch sklerosierende Veränderungen sind häufig Folge zugrunde liegender Tumoren oder Infektionen, zu deren Ausschluss eine ausgiebige Aufarbeitung des Materials und oft immunhistologische und molekulare Analysen erforderlich sind. Als Differenzialdiagnosen zu Lymphomen werden der Morbus Castleman und andere reaktive Lymphknotenvergrößerungen beschrieben. In Ergänzung zu den lange bekannten entzündlichen, reaktiven („rebound“) und idiopathischen („echten“) Thymushyperplasien ist die „neue“ Entität der „Thymushyperplasie mit lymphoepithelial-sialadenitis(LESA)-ähnlichen Eigenschaften“ zu beachten, die leicht mit Lymphomen und Thymomen verwechselt werden kann [10].

Unter allen Mediastinaltumoren sind bei den Thymomen , auf Basis der neuen WHO-Klassifikation, die meisten diagnostischen Veränderungen zu beachten [5]. Konzeptionell ist wichtig, dass nun alle Thymome, unabhängig vom Tumorstadium, als maligne Neoplasien einzustufen sind, was bei ICD-O-Kodierung zu berücksichtigen ist. „Nichtmaligne“ Ausnahmen sind das „mikronoduläre Thymom mit lymphoidem Stroma“ und das „mikroskopische Thymom“. Fernerhin werden die histologischen Eigenschaften der Thymome erstmals als obligate und optionale Kriterien klassifiziert und um immunhistochemische Kriterien ergänzt, um, z. B. aufgrund des Gehaltes an TdT+-Thymozyten, Typ-A- und Typ-AB-Thymome besser voneinander abzugrenzen. Andererseits bleibt die Unterscheidung zwischen Plattenepithelkarzinomen des Thymus und B3-Thymomen letztlich eine Entscheidung auf Basis der HE-Morphologie. Wichtigste individuelle Änderung ist die Einführung des „atypischen Typ-A-Thymoms“, für das hohe Tumorstadien (Masaoka-Koga III und IV) und histologisch das Vorkommen von (Komedo-)Nekrosen typisch sind [8].

Bei den Thymuskarzinomen betrifft die wichtigste konzeptionelle Änderung die Formulierung der Diagnosen bei „kombinierten Thymuskarzinomen“. Bei Tumoren, die aus (nichtneuroendokrinen) Karzinomkomponenten bestehen, beginnt die Diagnose mit der prädominanten Komponente gefolgt von der nächstdominanten Komponente etc., wobei die Anteile der Tumorkomponenten jeweils in 10 %-Schritten anzugeben sind. Bei Tumoren, die eine Karzinom- und Thymomkomponente aufweisen, beginnt die Diagnose immer mit der Karzinomkomponente. Falls heterogene Karzinome Anteile eines kleinzelligen Karzinoms oder eines großzelligen neuroendokrinen Karzinoms aufweisen, gelten neuerdings die Regeln der entsprechenden Lungentumoren, die als „kombinierte kleinzellige Karzinome“ bzw. „kombinierte großzellige neuroendokrine Karzinome“ bezeichnet werden [8].

Individuelle Veränderungen betreffen die primären Adenokarzinome des Thymus, die nicht mehr in papilläre und nichtpapilläre Karzinome unterteilt werden. Die Relevanz der häufig nachweisbaren enterischen Differenzierung (Expression von CK20 und CDX2) ist unklar. Neu ist auch die Definition der extrem aggressiven NUT-Karzinome (früher: Letale Mittellinienkarzinome mit t[15;19]-Translokation), die heute als Tumorgruppe mit verschiedenen Translokationen des NUT-Gens aufgefasst werden. Ihre Abgrenzung von kleinzelligen und undifferenzierten Karzinomen, gering differenzierten Plattenepithelkarzinomen und heterogen aufgebauten Karzinomen ist therapeutischen relevant und immunhistologisch möglich. Neu ist auch die Definition des „undifferenziertes Thymuskarzinoms“ als Ausschlussdiagnose, die u. a. den fehlenden Nachweis einer CK5-/CK6-, p40-/p63- und CD5-Expression erfordert [8].

Die histologischen Kriterien zur Diagnose neuroendokriner Tumoren (NET), also von typischen und atypischen Karzinoiden (TC, AT), großzelligen neuroendokrinen Karzinomen (LCNEC) und kleinzelligen Karzinomen (SCC), haben sich gegenüber der 3. Edition der WHO-Klassifikation nicht verändert. Wie L. Brcic und H. Popper in Ihrem Artikel darlegen, ist es demgegenüber zu einer konzeptionellen Änderung der prognostisch relevanten „Gruppierung“ gekommen, insofern die bisherige Einteilung in hoch und gering differenzierte NET verlassen wurde. In Analogie zu den gleichnamigen Tumoren der Lunge werden TC und AC nun vielmehr als NET niedrigen bzw. intermediären Malignitätsgrades, LCNEC und SCC als NET hohen Malignitätsgrades bezeichnet. Die diagnostischen Kriterien der thymischen NET stimmen mit denjenigen der entsprechenden pulmonalen NET überein, was überraschend ist, da neue genetische Untersuchungen zeigen, dass sich die TC und AC der Lunge und des Thymus genetisch deutlich unterscheiden [6]. Die Anpassung der Nomenklatur kombinierter SCC bzw. LCNEC des Thymus an die Nomenklatur analoger Tumoren der Lunge wurde bei den Thymuskarzinomen (s. oben) erwähnt.

Bei den von F. Bremmer und P. Ströbel beschriebenen Keimzelltumoren des Thymus bzw. Mediastinums hat es in der neuen WHO-Klassifikation keine konzeptionellen Änderungen und keine grundsätzlich neuen diagnostischen Kriterien gegeben. In ihrem Artikel beschreiben die Autoren aber mehrere, in der 3. Edition nicht erwähnte, immunhistochemische Marker (OCT4, SALL4, Glypican-3, SOX2 und GATA3), deren Anwendung, insbesondere bei der Erkennung kleiner Tumorkomponenten in komplexen, gemischten Keimzelltumoren, äußerst hilfreich sein kann.

Keine konzeptionellen Veränderungen gab es auch bei den Weichgewebstumoren des Mediastinums, die von R. Rieker und A. Agaimy federführend beschrieben werden. In Anpassung an die 2013 erschienene 4. Edition der WHO-Klassifikation der Weichgewebstumoren [3] werden als neue diagnostische Kriterien der immunhistologische Nachweis der STAT6-Überexpression bei solitären fibrösen Tumoren und die mittels FISH nachweisbare MYC-Amplifikation bei strahleninduzierten (Angio-)Sarkomen erwähnt. Differenzialdiagnostisch ist beim Nachweis maligner Weichgewebstumoren im Mediastinum an die Möglichkeit eines sarkomatoiden Thymuskarzinoms und an eine „Malignität vom somatischen Typ“ bei zugrunde liegenden Keimzelltumoren zu denken [8]. Traditionell werden im Kapitel „Weichgewebstumoren des Mediastinums“ auch die neurogenen Tumoren behandelt, die zu den häufigsten Neoplasien des hinteren Mediastinums zählen.

Die von S. Rauthe und A. Rosenwald beschriebenen Lymphome des Mediastinums zählen zu den häufigsten Mediastinaltumoren. Ihre Beschreibung wurde derjenigen der 4. Edition der WHO-Klassifikation der Tumoren des hämatopoetischen Systems und der lymphoiden Gewebe (2008) angepasst [7] und um aktuelle Befunde ergänzt. Als besondere Herausforderung wird die Differenzialdiagnose zwischen klassischem Hodgkin-Lymphom, primär mediastinalem großzelligem B‑Zell-Lymphom (PMBCL) und „Grauzonenlymphomen“ behandelt, wobei unter den seit 2004 neu beschriebenen molekularen Befunden besonders auf jene mit potenziell immuntherapeutischer Perspektive abgehoben wird: die Translokation des HLA-Klasse-II-Transkativators (CIITA auf 16p13.13), die mit defekter HLA-Klasse-II-Expression einhergeht (was immunhistochemisch hilfreich sein kann), und die fast spezifische Amplifikation oder Translokation der 9p21.1-Region, die zur (diagnostisch nützlichen) Überexpression der dort repräsentieren „Checkpointmoleküle“ PD-L1 und PD-L2 bei PMBCL führt. Eine weitere Herausforderung bleibt in kleinen Biopsien die Unterscheidung zwischen T‑lymphoblastischen Lymphomen (T-LBL), lymphozytenreichen Thymomen und nichtneoplastischem Thymusgewebe, da ein Teil der T‑LBL ein normales Immunprofil und kein erkennbares Rearrangement der T‑Zell-Rezeptorgene aufweist. In einem Teil dieser T‑LBL-Fälle kann die Überexpression von NOTCH1 auf der Basis häufiger NOTCH1-Mutationen die T‑LBL-Diagnose stützen [4].

Zusammenfassend hoffen die Herausgeber, dass die vorliegenden Artikel den Lesern einen aktuellen Überblick und praktischen Leitfaden für die Klassifikation der Mediastinaltumoren nach den neuen Regeln der WHO-Klassifikation bieten und die Abgrenzung gegen reaktive Veränderungen erleichtern. Die Texte machen auch klar, dass es großen Forschungsbedarf gibt, um die rätselhafte Ätiologie und die nur rudimentär verstandene molekulare Onkogenese der Thymustumoren sowie die einmalige, mit Thymomen assoziierte Immunpathologie zu verstehen. Außerdem sollte die neue WHO-Klassifikation Ansporn sein, die Reproduzierbarkeit der Klassifikation auf Basis der neuen Kriterien prospektiv zu testen. Unser herzlicher Dank gilt allen Koautoren.

figure a

Prof. Dr. A. Marx

figure b

Prof. Dr. P. Ströbel