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Alfred Manz

Prof. Dr. med. Alfred Manz ist am 31.12.2015 nach längerer Krankheit im Alter von 94 Jahren in Hamburg verstorben. Geboren am 21.3.1921 in Partenschin, Kreis Graudenz, im Regierungsbezirk Marienwerder (Provinz Westpreußen) hat Herr Manz nach der Umsiedlung aus Polen, der Schulzeit und dem Abitur in der Uckermark bei Kriegsbeginn an der Militärakademie in Breslau Medizin studiert. Er wurde noch vor seinem medizinischen Staatsexamen, das er 1945 in Hamburg bestand, als Militärarzt eingezogen. Seine mitfühlende Art haben ihm seine Patienten nicht vergessen. Noch vor Kriegsende hat er in Hamburg seine Frau Gretchen, geb. Paulsen, kennengelernt, die ihm drei Kinder gebar und mit der er bis zu seinem Tode glücklich verheiratet war.

Nach dem Krieg war er als unbezahlter Polizeiarzt tätig. Seine Weiterbildung zum Pathologen hat er in Hamburg an den Kliniken in Wandsbek, Barmbek und am Marienkrankenhaus absolviert, wo er auch später für viele Jahre als Pathologe tätig war. In seinem Beruf wurde er mit gesundheitlichen Schäden von Arbeitern aus der Industrie und den Hafenbetrieben konfrontiert, die seiner Überzeugung nach durch eine entsprechende Vorsorge verhütbar gewesen wären. Seine Allergie gegenüber Formalin bestärkte ihn in der Erkenntnis, dass für empfängliche Personen berufliche Risiken verhütet werden sollten. Um effektiv Ursachenforschung betreiben zu können, eignete er sich das notwendige Wissen auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin an und wechselte das Arbeitsgebiet.

Als Werksarzt der Hamburger Gaswerke erschienen ihm die zunehmend zahlreichen Lungenkrebserkrankungen, besonders unter den Ofenblock- und Kokereiarbeitern, als überzufällig. Um den vermuteten Zusammenhang dieser Erkrankung mit der beruflichen Tätigkeit zu belegen, initiierte er eine retrospektive Kohortenstudie zur Mortalität der Beschäftigten unter Einbeziehung der längst ausgeschiedenen ehemaligen Mitarbeiter. Es gelang ihm, durch seine Zielstrebigkeit und den Zugang zum Archiv der Gaswerke für fast alle jemals bei den Gaswerken beschäftigten Personen aus den Akten deren Eintritt in die einzelnen Arbeitsbereiche der Gaswerke, deren jeweilige Beschäftigungsdauer in diesem Arbeitsbereich, den Grund für das Ausscheiden zu erfassen. Unter Mitwirkung eines weiteren Pathologen validierte er die Todesursachen mittels Hinzuziehung von Obduktionsberichten, Krankenakten und Todesursachenbescheinigungen. In Zusammenarbeit mit dem damaligen Institut für Mathematik und Datenverarbeitung in der Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (jetzt Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie) konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Kokereirohgasen und Lungenkrebs nachgewiesen werden. Dem unermüdlichen Einsatz von Herrn Manz ist somit zu verdanken, dass unter der Ziffer 4110 „Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Kokereirohgase“ in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wurden. In zahlreichen Verhandlungen als geladener Sachverständiger bei Sozialgerichten gelang es ihm, für die Witwen die Anerkennung des Todes ihres Mannes als Folge der Berufskrankheit zu erreichen.

Mit gleichem Elan wie für die Gaswerkarbeiter widmete der systematisch arbeitende Wissenschaftler in den folgenden Jahren einen Großteil seiner Arbeitskraft der Frage, welche gesundheitlichen Schäden die Beschäftigten der Boehringer Werke in Hamburg Moorfleet durch den jahrelangen Kontakt mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) und Hexachlorcyclohexan (HCH, wozu Gamma-HCH gehört, das als Lindan weltweit eingesetzt wurde) erlitten haben. Auch bei diesen Fragen legte er großen Wert auf einen fundierten wissenschaftlichen Nachweis seiner Vermutungen. Die von ihm erhobenen Daten waren Grundlage für mehrere Dissertationen und einer Habilitation zum Nachweis der Bestimmung des Berufsrisikos in Abhängigkeit von der Dauer der Schadstoffexposition gegenüber mehreren Substanzen in der Herstellung von Bioziden und den kontaminierenden Verunreinigungen durch hochtoxische polychlorierte organische Kohlenwasserstoffe (PCDDs). Bis kurz vor seinem Lebensende hat er die Beratungsstelle für die ehemaligen Chemiearbeiter geleitet, engen Kontakt zu den Erkrankten und den Witwen gehalten und sich selbstlos für die Anerkennung der nachgewiesenen gesundheitlichen Schäden als berufsbedingt eingesetzt. Neben der Dankbarkeit der Betroffenen, denen er immer bis in seine letzten Stunden helfend zur Verfügung stand, wurden sein soziales Engagement und seine wissenschaftlichen Verdienste durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. und 2. Klasse auch von der Regierung entsprechend anerkannt.

Kraft für seine rastlose Arbeit schöpfte er aus einem glücklichen Familienleben, durch die Fürsorge seiner Frau Gretchen, mit der er in der Seniorenklasse Tanzturniere gewann und erholsame Wochen auf der Hallig Hooge verlebte.

Was bleibt, ist eine gute Erinnerung an einen vorbildlichen Menschen, der unduldsam gegenüber ethisch-moralischen Verfehlungen von Fachkollegen war, sich stets selbstlos für Ratsuchende einsetzte. So wie auch der Pathologe Prof. Rudolf Virchow seinerzeit für die Belange der Betroffenen und unverschuldet um ihre Gesundheit gebrachten berufskranken Weber und andere Umweltkranke eintrat, was ihm ebenso großen Ruhm und Dankbarkeit einbrachte wie seine wegweisende Forschung.

Jürgen Berger

Norderstedt

Rainer Frentzel-Beyme

Bremen