Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die Beiträge in diesem Schwerpunktheft von Der Pathologe spannen thematisch einen breiten Bogen. Er reicht von der praktischen Diagnostik der reaktiven und neoplastischen Erkrankungen von „Histiozyten“ und anderer akzessorischer Zellen des Immunsystems über die Bedeutung und Funktion tumorinfiltrierender Makrophagen bis hin zu einem Überblick über die sich wandelnden Konzepte und die wechselvolle Terminologie des Monozyten-Makrophagen-Systems. Obwohl histiozytäre Erkrankungen eher zu den diagnostischen „Orchideen“ gehören, spiegeln sie die ebenso ideen- wie technologiegetriebene und durch die ständige Interaktion mit Nachbardisziplinen wie der Immunologie bereicherte Weiterentwicklung des Wissens in der Pathologie auf hervorragende Weise wider. Die Entdeckung rekurrierender Mutationen von BRAF und MAP2K1 bei der Langerhans-Zell-Histiozytose und der Erdheim-Chester-Erkrankung bestätigten nicht nur die neoplastische Natur dieser Proliferationen, sondern eröffnete auch neue Wege der Therapie durch den Einsatz spezifischer BRAF-Inhibitoren. Obwohl die molekulare Pathologie einen wichtigen Beitrag für die Diagnostik der Histiozytosen liefern kann, stellen die unterschiedlichen Befallsmuster und komplexen klinischen Krankheitsbilder der systemischen Histiozytosen nach wie vor eine interdisziplinäre Herausforderung dar.

Am Beispiel der Non-Langerhans-Zell-Histiozytosen des Erwachsenenalters zeigen Bösmüller et al. die wichtige Rolle der Bildgebung, die aufgrund der charakteristischen Verteilung von Läsionen oft bereits eine Verdachtsdiagnose liefert und eine gezielte Biopsiegewinnung ermöglicht. Der Langerhans-Zell-Histiozytose als häufigstem Krankheitsbild der Gruppe mit breitem klinischem Spektrum sind 2 Beiträge aus verschiedenen Perspektiven gewidmet. Bei der isolierten pulmonalen Form bietet der scheinbare Widerspruch zwischen der häufigen spontanen Rückbildung der Veränderungen bei Einstellen des Nikotinabusus und dem Nachweis von Mutationen spannende Fragen für zukünftige Forschung.

Maligne Tumoren histiozytärer und dendritischer Zellen sind aufgrund ihrer Seltenheit eine diagnostische Herausforderung. Darüber hinaus von großem Interesse für die Tumorbiologie sind die gehäufte Assoziation von Tumoren dendritischer Zellen mit malignen Lymphomen und der Nachweis identischer chromosomaler Alterationen und klonaler Immunglobulinumlagerungen in beiden Neoplasien eines Patienten. Tzankov et al. diskutieren in ihrem Beitrag die aktuellen Hypothesen zur Erklärung dieses Phänomens, einerseits das Konzept der Transdifferenzierung und Plastizität von Tumorzellen, andererseits die Abstammung von einer gemeinsamen Tumorstammzelle mit unterschiedlichen Differenzierungsrichtungen.

Neben den Beiträgen zu histiozytären Erkrankungen im engeren Sinne beschäftigen sich mehrere Artikel mit verschiedenen Aspekten der (Patho-)physiologie des Monozyten-/Makrophagensystems. Obwohl die Diagnostik von Speicherkrankheiten heute eine Domäne der Humangenetik ist, zeigen Bornemann et al. dass die Pathologie gerade bei Erstmanifestation im Erwachsenenalter entscheidende diagnostische Hinweise liefern kann. Die prognostische Bedeutung des reaktiven Immunzellinfiltrats in Malignomen und insbesondere der tumorinfiltrierenden Makrophagen wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Der Beitrag von Niedobitek et al. fasst die aktuellen Erkenntnisse der Tumorimmunologie und die Rolle der funktionellen Polarisierung tumorassoziierter Makrophagen zusammen und macht klar, warum eine immunhistochemische Färbung mit Pan-Makrophagenmarkern nicht ausreicht, die Heterogenität der intratumoralen Makrophagenpopulationen und die damit verbundene prognostische Wertigkeit zu erfassen. Die Komplexität des Monozyten- und Makrophagensystems wird von H.-J. Radzun aus der aktuellen immunologischen Perspektive übersichtlich dargestellt, ergänzt durch einen historischen Abriss über die Ursprünge des heutigen Wissens. Seit der Prägung des Begriffs „Makrophage“ durch Metchnikoff vor über 120 Jahren hat das Wissen über die vielfältigen Funktionen der Zellen des angeborenen Immunsystems bei Erkrankungen exponentiell zugenommen. Die Beiträge in diesem Heft geben einen aktuellen und relevanten Überblick über dieses Wissen und seine praktischen Implikationen.

Ihr

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Prof. Dr. Falko Fend