In diesem Heft von Der Gynäkologe fassen vier Autoren die Rolle von Vitamin D in Gynäkologie und Geburtshilfe zusammen. Fokussiert wird dabei auf die Schwangerschaft und Auswirkungen auf das Kleinkindalter bis zur Knochenprotektion bei der perimenopausalen Frau.

Prof. Zittermann erklärt, warum eine Vitamin-D-Supplementierung in etwa zwei Dritteln der Fälle zum Ziel hat, einen Vitamin-D-Mangel bei Schwangeren und Kleinkindern zu beheben, die als besonders vulnerable Populationsgruppen gelten. Oder anders formuliert: Vitamin D verdient eine Beachtung über die gesunde und ausgewogene Ernährung hinaus, die in der Regel alle Vitamine außer Vitamin D in ausreichendem Maße enthält. Dazu kommt, dass die Hauptquelle für Vitamin D, die UVB-Strahlung des Sonnenlichts, nicht verlässlich ist. Hier spielt die Saisonalität eine wichtige Rolle; sie bewirkt, dass wir in den Monaten November bis Mai in ganz Europa zu wenig Sonnenintensität haben, um ausreichend Vitamin D in unserer Haut zu bilden. Außerdem reicht anhand der 3- bis 6-wöchigen Halbwertszeit von Vitamin D ein „Sonnen-Plus“ im Sommer nicht aus, um den relativen Mangel im Winter zu überbrücken. Dazu kommen weitere Risikofaktoren für eine verminderte hauteigene Produktion von Vitamin D, wie die wichtigen Sonnenschutzempfehlungen und die altersbedingt abnehmende Kapazität für die Vitamin-D-Bildung in der Haut. Prof. Zittermann hält eindrücklich fest, dass die alimentäre Vitamin-D-Zufuhr durchschnittlich täglich unter 100 internationalen Einheiten (IE) liegt und die Eigensynthese in der Haut unter 300 IE. Also reichen beide Vitamin-D-Quellen kombiniert nicht aus, um die empfohlenen täglichen Mengen zu erreichen: 600 IE für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr und Schwangere bzw. 800 IE für Erwachsenen ab dem 60. Lebensjahr. Ausnahmen, so Prof. Zittermann, bilden lediglich Säuglinge, wenn sie die obligatorische Rachitisprophylaxe von 400 IE Vitamin D am Tag erhalten.

Frau Dr. Quack-Lötscher fasst in ihrem Beitrag wichtige Beobachtungsstudien zusammen, die eine Korrelation zwischen einem vermehrten Auftreten schwerwiegender Erkrankungen in der Schwangerschaft, wie Gestationsdiabetes und Präeklampsie, und einem Vitamin-D-Mangel beschreiben. Allerdings, so Frau Dr. Quack-Lötscher, fehlen über die nicht ganz konklusive Interventionsstudie von Wagner u. Hollis hinaus große randomisierte Supplementierungsstudien, um eine höhere Vitamin-D-Supplementierung als die heutige Empfehlung von 600 IE Vitamin D am Tag für Schwangere zu unterstützen. Auch Frau Prof. l’Allemand kommentiert die Interventionsstudie von Wagner u. Hollis und erklärt, dass ein Vitamin-D-Mangel eine der Ursachen von Mangelgeburten darstellt und Supplementierungen von bis zu 4000 IE Vitamin D täglich in der Studie von Wagner u. Hollis in der Schwangerschaft zwar nicht von messbaren Nebenwirkungen begleitet wurden, aber die positiven Effekte auf das Geburtsgewicht nicht konklusiv waren. Zur Sicherheit der heutigen Empfehlungen zur Vitamin-D-Supplementierung beschreibt Prof. l’Allemand in ihrem Beitrag die gut dokumentierten Folgen eines schweren mütterlichen Vitamin-D-Mangels bzw. einer fehlenden Vitamin-D-Prophylaxe beim Säugling. Dazu zählen lebensbedrohliche Kardiomyopathien und hypokalzämische Tetanien im ersten Lebensjahr. Sie bestätigt die von Prof. Zittermann beschriebene hohe Prävalenz des Vitamin-D-Mangels bei Schwangeren und Säuglingen. Zudem weist sie hin auf die Hochrisikogruppen von Schwangeren und Kindern mit Migrationshintergrund und kulturell bedingt eingeschränkter Sonnenexposition. Über das Kleinkindalter hinaus spielt Vitamin D in jedem Kindes- und Jugendalter eine wichtige Rolle für den Aufbau der maximalen Knochendichte. In großen Beobachtungsstudien haben sich, so legt Prof. l’Allemand dar, mögliche langfristige Folgen eines pränatalen Vitamin-D-Mangels gezeigt: eine Einschränkung der Knochendichte und der Muskelkraft sowie eine erhöhte Inzidenz obstruktiver Lungenerkrankungen bei Kindern im Alter von 3–9 Jahren.

Als abschließender Teil dieses Sonderheftes wird die Evidenz zur heute empfohlenen Vitamin-D-Supplementierung von 800 IE am Tag für die Prävention von Frakturen und Stürzen bei postmenopausalen Frauen zusammengefasst. Wir bieten somit in diesem Sonderheft einen umfassenden Überblick über das breite Spektrum, in dem die neuen Empfehlungen zu Vitamin D von der Schwangerschaft bis zur Menopause relevant sind, und dokumentieren, warum sie es verdienen, im klinischen Fokus zu stehen, insbesondere auch im Hinblick auf die gut belegte hohe Prävalenz des Vitamin-D-Mangels in allen Altersstufen.

figure a

Prof. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari, DrPH

figure b

Prof. Dr. Roland Zimmermann