Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in dieser Ausgabe von Der Gynäkologe stehen multimodale Behandlungskonzepte der Endometriose im Fokus. Die verschiedenen Artikel sollen Einblicke bieten in

  • rezente Erkenntnisse zu Diagnostik, Pathogenese, operativen und konservativen Therapiekonzepten,

  • zu aktuellen Fragen der Klassifikation der Endometriose,

  • zur besonderen Situation bei Kinderwunsch und Endometriose sowie

  • zur Frage nach erhöhtem Risiko für assoziierte maligne Erkrankungen.

Endometriose ist eine der häufigsten gutartigen Erkrankung in unserem Fachgebiet und stellt durch die klinisch vielfältige, oft sehr unterschiedliche Symptomatik schon in der Diagnostik eine große Herausforderung dar. Trotz umfangreicher Bemühungen − Etablierung spezialisierter Endometriosezentren, Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Information von medizinischem Fachpersonal und Ärzten verschiedener Fachgebiete − verzögern sich die Diagnose und damit die Möglichkeit der adäquaten Behandlung dieser Erkrankung weiterhin um durchschnittlich etwa 7 Jahre nach Auftreten erster Beschwerden. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf.

Nach wie vor wird eine Endometriose oft erst spät diagnostiziert

Neben der Betreuung vieler Patientinnen in spezialisierten Endometriosezentren haben die stetige Weiterentwicklung der endoskopischen Operationsverfahren und die schwerpunktmäßige Ausbildung der Operateure sicherlich zur verbesserten Diagnostik und optimierten operativen Therapie beigetragen. Die große Kunst in der erfolgreichen Behandlung der Endometriose bleibt es weiterhin, eine Balance zwischen „watchful waiting“, konsequenter Analgesie, hormoneller Therapie, operativer Intervention und die Kombination aus Operation und medikamentöser Therapie zu finden. Eine kurative Therapie existiert bisher nicht, die etablierten Therapieverfahren verfolgen vorwiegend einen symptomatischen Ansatz.

Neben der operativen Sanierung ist die medikamentöse Behandlung eine wichtige Therapiesäule. Ihr vorrangiges Ziel ist das Erreichen eines hypoöstrogenen Zustands durch verschiedene hormonelle Therapeutika, insbesondere orale Kontrazeptiva, Gestagene und GnRH-Analoga. Heute stehen zusätzlich experimentelle Verfahren zur Verfügung, wie Aromataseinhibitoren, GnRH-Antagonisten, selektive Östrogenrezeptor- (SERM) und selektive Progesteronrezeptormodulatoren (SPRM), Angiogeneseinhibitoren sowie Immunmodulatoren. Alternative Ansätze, wie die multimodale Schmerztherapie, und komplementäre Verfahren, wie z.B. Akupunktur, Physiotherapie und Phytotherapie, ergänzen die Behandlungsmöglichkeiten.

Kein Klassifikationssystem bildet alle Aspekte der Endometriose multidimensional ab

Um die Erkrankung Endometriose zu beschreiben und vergleichbar zu machen, gab es diverse Versuche, möglichst viele Aspekte dieser Erkrankung in die Klassifikation einfließen zu lassen. Die derzeit gebräuchlichste Klassifikation ist die 1997 revidierte Form der American Society of Reproductive Medicine (rASRM). Da diese rASRM-Klassifikation die Prognose der Erkrankung für Sterilitätspatienten hinsichtlich ihres Kinderwunsches nicht abbildet, wurde der Endometriosis Fertility Index (EFI) entwickelt. Er schließt zusätzlich sowohl anatomische als auch anamnestische Parameter der jeweiligen Patientin ein und findet zunehmend Anwendung. In beiden Klassifikationssystemen ist jedoch die tief infiltrierende Endometriose nicht berücksichtigt. Hierfür wurde die ENZIAN-Klassifikation entwickelt, die in Anlehnung an das TNM-System der malignen Tumoren den Schweregrad der Endometriose darstellt. Bis heute gibt es kein Klassifikationssystem, das alle Aspekte der Endometriose multidimensional abbilden kann, und es bleibt weiterhin schwierig, einzelne Fälle zu vergleichen und das klinische Management abzustimmen.

Die Rezidivrate für eine therapierte Endometriose liegt zwischen 5 und 60 % und ist wesentlich abhängig vom ganzheitlichen Management sowie von der operativen Qualität. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig klare Konzepte und multimodale Behandlungsstrategien für das erfolgreiche Management dieser häufig chronisch rezidivierenden Erkrankung sind.

Prof. Dr. Nicolai Maass

Prof. Dr. Wolfgang Janni