Genetische Fragestellungen haben sowohl in der Pränataldiagnostik als auch in der Reproduktionsmedizin einen festen Stellenwert.

Seit der erstmaligen Beschreibung des Down-Syndroms 1866 durch den britischen Arzt John Langdon-Down haben sich bis heute sowohl in der konventionellen Zytogenetik als auch in der molekulargenetischen Diagnostik und in der Ultraschalldiagnostik Techniken entwickelt, mit denen zunehmend sorgsam umgegangen werden muss. So ist denn auch mit dem Gendiagnostikgesetz 2010 in Deutschland die Pränataldiagnostik in einen gesetzlichen Rahmen gebracht worden, der sowohl die Schwangere als auch das ungeborene Kind schützen soll.

Mit neuen diagnostischen Techniken ist zunehmend sorgsam umzugehen

Die Reproduktionsmedizin zielt in der Genetik vor allem darauf ab, bereits vor der Implantation mögliche Chromosomenaberrationen und Gendefekte auszuschließen und so Aborte oder spätere Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Auch hier sind durch Präimplantationsdiagnostikgesetz enge juristische Grenzen vorgegeben. Die neuesten Entwicklungen in der Genetik stehen im Mittelpunkt dieses Heftes von Der Gynäkologe.

Im ersten Artikel geht Herr Schmid auf die zunehmend zwingende Thematik der präkonzeptionellen Beratung bei genetischen Fragestellungen ein. Besteht der Verdacht auf Gendefekte innerhalb einer Familie, so sollte das Risiko für ein zu erwartendes krankes Kind nicht erst bei Eintritt einer Schwangerschaft geklärt werden. Der betreuende Frauenarzt hat also eine hohe Verantwortung in der Erhebung der Familienanamnese und den daraus resultierenden Konsequenzen der humangenetischen Beratung.

Die neusten Entwicklungen in der nichtinvasiven Pränataldiagnostik mittels Aneuploidiescreening an zellfreier DNA (NIPT) aus mütterlichem Blut einerseits, aber auch die Fortschritte in der Sonographie sowie den innovativsten Möglichkeiten der intrauterinen Therapie, werden von Frau Kramp-Bettelheim beleuchtet.

NGS wird die gesamte Medizin in den nächsten Jahren beherrschen

Die Techniken genetischer Diagnostik haben sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend geändert. Hier ist zum einen das „next generation sequencing“ (NGS) zu nennen, welches die gesamte Medizin in den nächsten Jahren beherrschen wird. Auf die Bedeutung dieser Diagnostik in der pränatalen Medizin und auf den Umgang mit ihr in der klinischen Anwendung geht Herr Streubel ein, auch unter dem Aspekt des sensiblen Umgangs mit den erhobenen Daten.

Neben der klassischen Genetik ist die Epigenetik in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Prä- und Perinatalmedizin geraten. Das „fetal programming“ und der Einsatz epigenetischer Techniken bei Abklärung von Chromosomenaberrationen sind Thema des Artikels von Frau Eckmann-Scholz. So sind bei vielen pränatalen Fehlbildungen inzwischen epigenetische Phänomene ursächlich bekannt. Das metabolische Syndrom scheint bereits in der prä- und perinatalen Zeit programmiert zu werden. Hier ist die Betreuung der Schwangeren mit z. B. Diabetes mellitus von besonderer gesundheitspolitischer Relevanz.

Zuletzt geht Herr Schmutzler auf die Präimplantationsdiagnostik im Rahmen der Reproduktionsmedizin ein. Die Anwendungs- und Indikationsfrequenz der entsprechenden Verfahren und die Konsequenzen für Schwangerschaftsraten werden erörtert und im internationalen Vergleich dargestellt. Auch hier werden die Grenzen der Diagnostik bei genetischen Untersuchungen im Hinblick auf ethisch rechtliche Aspekte beleuchtet.

Insgesamt soll dieses Themenheft Ihnen einen Überblick über die neuesten Entwicklungen im Spannungsfeld der Genetik vermitteln und für den kritischen Umgang mit diesen teilweise hochsensiblen Daten motivieren.

PD Dr. Christel Eckmann-Scholz

O. Univ.-Prof. Dr. Peter Husslein