Prinzipiell unterscheidet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht zwischen alternativen und komplementären Therapieverfahren (http://www.who.int). Die Definition lautet:

The terms „complementary medicine“ or „alternative medicine“ are used interchangeably with traditional medicine in some countries. They refer to a broad set of health care practices that are not part of that country’s own tradition and are not integrated into the dominant health care system.

Demgegenüber unterscheiden die Herausgeber des Lehrbuches „Onkologie integrativ“ drei Kategorien: Alternative Behandlungsverfahren sind solche, die „anstelle schulmedizinischer Standards zur Anwendung kommen“. Komplementäre Verfahren werden „ergänzend zur konventionellen Therapie“ eingesetzt. Sie haben nicht denselben Grad von klinischer Sicherung, weisen jedoch aufgrund empirischer Beobachtung und wissenschaftlichen Grundlagenuntersuchungen die Voraussetzungen für eine klinische Prüfung auf“ [1].

Nach Darstellung der Herausgeber versteht man unter integrativer Behandlung die Anwendung von konventioneller Therapie im Verbund mit komplementären Behandlungsmaßnahmen.

Integrative Behandlung ist die konventionelle Therapie mit komplementären Behandlungsmaßnahmen

Gerade Tumorpatienten suchen neben den Standardbehandlungsmethoden immer wieder nach Möglichkeiten durch unkonventionelle Therapiemaßnahmen ihre Situation zu verbessern. Die Informationen dazu erhalten sie aus dem Bekanntenkreis, Apotheken, dem Internet und auch durch gezielte postalische Aussendung von Werbematerial. Den durch diese Informationsflut geweckten Hoffnungen und Erwartungen kann kaum ein Patient widerstehen. Bill Catalona hat einmal gesagt: „Nobody takes more pills than prostate cancer patients“.

Oftmals erfährt der behandelnde Urologe gar nicht welche zusätzlichen Präparate der Patient einnimmt. Ein gezieltes Nachfragen ist oft erforderlich. Nur so können wir den Patienten effektiv beraten, ob die Gabe von komplementärer Medikation sinnvoll oder, wie im Falle des über viele Jahre empfohlenen Selens oder des Vitamin E, u. U. sogar schädlich seinen kann.

Komplementäre Therapiemaßnahmen können aber unbestritten zur Verbesserung der Lebensqualität und – ein oft vergessener und unterschätzter Aspekt – zur Verbesserung der Sterbequalität beitragen.

In diesem Heft wird über die aktuelle Situation des Einsatzes von komplementären Verfahren in Deutschland berichtet, weiter wird auf die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von komplementären Therapieverfahren beim Prostatakarzinom eingegangen. Ein weiterer Artikel stellt die aktuelle, sehr kontrovers diskutierte Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren beim Prostatakarzinom dar.

Ich hoffe, die Artikel tragen dazu bei, dass Sie Ihre Patienten besser hinsichtlich der Anwendung komplementärer Therapieverfahren beraten können.

J. Breul