FormalPara Leserbrief zu

Nau R, Djukic M, Wappler M (2016) Geriatrie – eine interdisziplinäre Herausforderung. Nervenarzt 87:603–608. doi:10.1007/s00115-016-0114-0

Mit großer Zustimmung haben wir den Artikel von Herrn Nau und Kollegen zur Geriatrie als einem der „umkämpften Gebiete der Neurologie“ gelesen. Er hebt sich im Tonfall, aber auch inhaltlich-fachlich sehr wohltuend von früheren Stellungnahmen zum Verhältnis zwischen Neurologie und Geriatrie ab, verzichtet er doch gänzlich auf Provokationen und damit auf die weitere Befeuerung kontraproduktiver berufspolitischer Konflikte.

Im Einklang mit unserem eigenen Verständnis beschreibt Herr Nau die Geriatrie als interdisziplinäres und multiprofessionelles Querschnittsfach, in das alle daran Beteiligten – und damit sind keinesfalls nur Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete, sondern auch alle anderen geriatrisch (zusatz-)qualifizierten Berufsgruppen gemeint – ihre speziellen Kompetenzen einbringen. Oberstes Ziel ist die bestmögliche Versorgung unserer multimorbiden, hochvulnerablen geriatrischen Patienten mit einem ganzheitlichen Behandlungsansatz. Dies gelingt nur gemeinsam statt gegeneinander, durch Kooperation statt Konfrontation, mit Austausch statt Abgrenzung. Es setzt die Bereitschaft zum Blick über die eigenen Fächergrenzen und zum Erwerb jeweils „fachfremder“, etwa internistischer, alterstraumatologischer, orthopädischer und gerontopsychiatrischer Kenntnisse und Fertigkeiten voraus. Die Geriatrie hingegen zu einer exklusiven Subdisziplin eines anderen Faches, etwa der Neurologie oder der inneren Medizin, zu erklären, kann hier naturgemäß nicht zielführend sein.

Mit dieser Überzeugung leiten wir – eine Fachärztin für innere Medizin und eine Fachärztin für Neurologie, beide mit der Zusatzweiterbildung Geriatrie – seit nun über einem Jahr im Kollegialsystem die Klinik für Altersmedizin am Klinikum Frankfurt Höchst. Unsere bisher gesammelten Erfahrungen sind durchweg positiv, sodass wir das Modell „Interdisziplinäre Doppelspitze in der Geriatrie“ unbedingt zur Nachahmung empfehlen können. Gerade bei der Diagnostik und Therapie so häufiger geriatrischer Syndrome wie Mobilitätsstörungen, Stürze, Schwindel, Schmerzen, Malnutrition, Frailty oder iatrogene Störungen einschließlich Polypharmazie ergänzen sich beide Fächer mit ihren jeweiligen Schwerpunktsetzungen zu dem notwendigen ganzheitlichen Blick. Dies erfordert allerdings nicht nur eine offene, kollegiale, einander wertschätzende Kommunikationskultur (die aber auch Raum für kritisches Fragen und unterschiedliche Einschätzungen lässt), sondern auch die Fähigkeit zu teilen. So kann gute Geriatrie gelingen.